Ein riesiges Polizeiaufgebot verschreckte am Freitag ein Quartier in Boswil AG. Schnell war klar: Aus einem Reihenhaus kamen Schreie, und ein Mann war bewaffnet geflüchtet. Er wurde später verhaftet. Was hat sich im Haus genau abgespielt?
«Wir bekamen zu Beginn des Nachmittags die Meldung wegen Verdachts auf häusliche Gewalt», sagt Rafael Geiser von der Kantonspolizei Aargau. Gegen einen Mann sei dann «jedoch wegen einer anderen strafbaren Handlung eine Strafuntersuchung eröffnet» worden. Welches Delikt ihm vorgeworfen wird, sagt Geiser nicht.
Übergriff auf eine andere Frau?
BLICK-Recherchen zeigen: Im Haus wohnen seit gut zwei Jahren Koch Enzo T.* (32) und seine Freundin (32). Das kinderlose Paar ist seit über sieben Jahren zusammen, hat einen Hund. Und: Enzo T. soll am Freitag eine andere Frau daheim gehabt und sie sexuell genötigt haben und von seiner Freundin in flagranti erwischt worden sein.
Das deckt sich mit Aussagen von Anwohnern. «Bei mir bettelte Enzo um 11 Uhr um Geld», so eine Frau. «Er sagte, er habe den Schlüssel verloren und müsse dem Schlüsseldienst eine Anzahlung machen.» Sie glaubt, dass er Drogen kaufen will. Enzo T. soll deswegen vorbestraft und auf Bewährung frei gewesen sein. Oder wollte er mit dem Geld die Frau zahlen?
Nachbarn hörten Schreie
Sicher ist: Nachbarn hören um 12.30 Uhr ihre Schreie – und später auch die von der Freundin von Enzo T. Der flüchtet nach dem Übergriff mit einer Waffe. Ob sie echt war, ist unbekannt.
Spätnachts soll Enzo T. dann heimgekommen und von einer Sondereinheit verhaftet worden sein. Ein Nachbar hört einen Polizisten sagen: «Der muss jetzt erst mal nüchtern werden.»
Freundin inzwischen ausgezogen
Am nächsten Tag kommt die Freundin von Enzo T. zurück – direkt mit einem Zügelwagen. Zu einem Nachbarn sagt sie: «Es geht nicht mehr.» Zu BLICK wollte sie nichts sagen.
«Das Paar war nett», so Nachbar Martin Z.** (62). «Ich habe auch nie eine Waffe gesehen. Darum war ich so überrascht, dass eine Sondereinheit kam.»
Im Umfeld von Enzo T. ist zu hören, dass er in Brasilien von seinen Eltern schlecht behandelt wurde, später auch als Adoptivkind in der Schweiz. Er sei auf die schiefe Bahn geraten.
Enzo T. sitzt weiter in Haft
Enzo T. habe aber auch schon für Prinz William, David Beckham und die Fussball-Nati gekocht. Zuletzt sei er bei einer Fast-Food-Kette angestellt gewesen. Die Drogen hätten ihm immer wieder das Leben schwergemacht. Auch ein Streetfood-Projekt mit seiner Freundin sei gescheitert.
«Wir sind einfach froh, dass es hier keine Toten gab», sagt Nachbar Martin Z. Enzo T. bleibt in Haft.
* Name geändert
** Name bekannt