Lehrplan 21 bringt digitalen Unterricht – wer zahlt die Geräte?
«Wir können nicht jedem Schüler ein iPad kaufen»

Digitale Medien werden für den Unterricht immer wichtiger. Im Zuge des Lehrplans 21 lernen schon Primarschüler den Umgang mit Computer oder Tablets. Entsprechend müssen die Schulen aufrüsten. Und die Eltern unter Umständen bezahlen.
Publiziert: 10.04.2018 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:29 Uhr
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Die Sekundarschule Flade setzt seit mehreren Jahren auf iPads.
Foto: THOMAS LÜTHI / HEG
Helena Schmid

Das Schweizer Klassenzimmer wird digital – und das kostet. Immer mehr Schulen setzen voraus, dass die Schüler für den Unterricht ein Tablet oder Notebook mitbringen. Gerade für Familien, die nicht im Geld schwimmen, ein grosses Problem. «Für viele Eltern ist diese Technik keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Grossinvestition», warnt Monika Stampfli, Präsidentin der Winterhilfe Schweiz.

Allein in Basel erhält die Winterhilfe jährlich 20 Anfragen von armen Familien für solche digitalen Geräte. Auch die Standorte in Zürich und St. Gallen werden regelmässig um Unterstützung gebeten.

Eltern stehen unter sozialem Druck

Tablets oder Laptops werden teils bereits an der Volksschule vorausgesetzt. In der Projektschule Goldau SZ etwa ab der fünften Primarklasse. «Bring your own device» heisst das Konzept, das derzeit noch hauptsächlich von Kantonsschulen umgesetzt wird.

Wer in Goldau kein eigenes Gerät besitzt, arbeitet mit einem schuleigenen Tablet. Der Haken: Die Geräte der Schule dürfen nicht mit nach Hause genommen werden. Die Hausaufgaben müssen diejenigen Schüler also im Klassenzimmer lösen – auch nach Schulschluss. 

Kinder und Eltern werden so einem sozialen Druck ausgesetzt. Das bestätigt Beat Döbeli, Projektleiter der Schule in Goldau. «Diesen Anschaffungsdruck hat man aber auch bei Markenkleidung und anderswo», sagt Döbeli. Klar ist: Mit «Bring your own device» kann die Projektschule Goldau wichtige Kosten einsparen. 75 bis 90 Prozent der Schüler besitzen nämlich ein eigenes Gerät.

Kommen Sie beim Budget an Ihre Grenzen?

Belasten die elektronischen Geräte für Ihre Kinder Ihre Haushaltskasse? Wie lösen Sie das Problem? Schildern Sie uns Ihre Erfahrungen! Senden Sie uns ein Mail mit Ihren Kontaktdaten auf redaktion@blick.ch

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Unentgeltlichkeit gilt für Arme und Reiche

Die Sekundarschule Flade in St. Gallen geht noch einen Schritt weiter. Für den digitalisierten Unterricht muss jeder Schüler ein eigenes iPad mitbringen. Die Hälfte der Gerätskosten übernimmt die Schule, den Rest müssen die Eltern bezahlen. «Wir können es uns nicht leisten, jedem Schüler ein iPad zu kaufen», sagt Markus Benz, Lehrer an der Flade.

Eltern könnten sich zwar um finanzielle Unterstützung bewerben, Rechtsexperte Benjamin Schindler findet das Konzept dennoch heikel: «Die Grundausbildung muss unentgeltlich sein. Das gilt für alle, egal ob arm oder reich.»

«Kosten dürfen nicht auf Eltern abgewälzt werden»

Marion Heidelberg ist Vize-Präsidentin des Lehrer-Dachverbandes und setzt sich für Chancengleichheit ein.
Foto: Valeriano Di Domenico

Dem stimmt auch Marion Heidelberger (50), Lehrerin und Vize-Präsidentin des Lehrer-Dachverbandes, zu. «Die Kosten dürfen nicht auf die Eltern abgewälzt werden. Auch wenn die Schule durch die Digitalisierung finanziell herausgefordert wird», so die Vize-Präsidentin. «Bring your own device» hat laut Heidelberger daher an Volksschulen keine Zukunft.

Es bleibt die Frage, wer dann diese anfallenden Kosten übernehmen soll. Klar ist: Mit dem Lehrplan 21 braucht wohl jeder Schüler bald ein Tablet oder Computer – schon in der Primarschule. In der Stadt Zürich startet der Einsatz in der fünften Klasse bereits nächstes Schuljahr. 

Schule soll Geräte stellen

Für den Lehrerverband gibt es nur eine vertretbare Lösung. «Die Schule muss den Schülern die nötigen Geräte zur Verfügung stellen», sagt Marion Heidelberger, «momentan ist das wegen des Spardrucks schwierig schweizweit umzusetzen.»

In allen Kantonen entscheidet die jeweilige Gemeinde über das Budget der Schule. Bisher hat der Bund keinen Minimalbetrag festgelegt. Das erklärt, warum Schulen das Thema Digitalisierung ganz unterschiedlich anpacken. Und entsprechend auch unterschiedlich weit sind.

Marion Heidelberger mahnt: «In der Bildung müssen alle Kinder gleiche Chancen haben. Weder Wohnort noch Reichtum dürfen auf diesen Grundsatz Einfluss nehmen. Auch nicht in Zukunft.»

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