Inhaber von Elfenhaus über sein Geschäft und die Anastasia-Bewegung
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Er verkauft Engels-Essenzen:Inhaber von Elfenhaus über die Anastasia-Bewegung

Klaus Theuretzbacher (39) ist Anhänger der pseudoreligiösen Anastasia-Bewegung
Der Scharlatan tarnt sich als Unternehmer

Beim Wort Sekte denkt man sofort an die seltsam gekleideten Typen, die einen auf der Strasse anwerben wollen. Neue religiöse Bewegungen funktionieren aber ganz anders. Man macht auf cool, jung – und natürlich kommt das Wort Sekte nirgends vor.
Publiziert: 27.02.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2019 um 13:22 Uhr
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Klaus Theuretzbacher (39) zeigt BLICK, wie man neue religiöse Bewegungen vermarkten kann.
Foto: Philippe Rossier
Michael Sahli

Die klassische Sekte ist aus der Mode gekommen. Müsste die kürzlich verstorbene Uriella (†90) ihren Orden heute neu gründen, sie hätte es wohl schwer. Die klassischen, abgeschotteten Gruppen mit einem allmächtigen Guru entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist. Die Jungen von heute mögen es lieber unverbindlich – und sie wollen nicht ihr ganzes Leben einer Gruppe opfern, sagt Sektenexperte Georg Schmid (52): «Hierarchische Organisationen sind heute weniger beliebt.»

Uriellas Nachfolger haben sich der veränderten Nachfrage auf dem Religionsmarkt rasch angepasst. Schrille Auftritte sind nicht mehr gefragt. Sie schrecken mögliche Interessenten nur ab. Und statt gequirltem Badewannenwasser gibt es schick verpackte Lifestyleprodukte im Onlineshop.

Bei den neuen Gruppen rutscht man schneller rein

Es sind Menschen wie Klaus Theuretzbacher (39) aus Wädenswil ZH, die den klassischen Sekten den Rang ablaufen. Als Guru möchte er zwar nicht bezeichnet werden. Aber: «Schon seit ich ein Kind bin, fühle ich Dinge, die andere nicht fühlen», meint er. Der 39-Jährige zählt sich zur russischen Anastasia-Bewegung. Und zeigt, wie das Business mit dem Göttlichen heutzutage läuft. 

Hokuspokus aus Russland

Die Anastasia-Bewegung ist eine esoterische Bewegung, die auf die Schriften des Russen Wladimir Megre zurückgeht. Er beschreibt seine Treffen mit einer Figur namens Anastasia, die in der russischen Taiga leben und Trägerin einer uralten idealen Menschheitskultur namens Wedrussen sein soll. Anastasia-Anhänger sollen möglichst naturnah auf einem Hof leben, von denen es in der Schweiz zwei gibt. Kritiker monieren rassistische Züge, ein vorsintflutliches Frauenbild und antisemitische Textteile.

Die Anastasia-Bewegung ist eine esoterische Bewegung, die auf die Schriften des Russen Wladimir Megre zurückgeht. Er beschreibt seine Treffen mit einer Figur namens Anastasia, die in der russischen Taiga leben und Trägerin einer uralten idealen Menschheitskultur namens Wedrussen sein soll. Anastasia-Anhänger sollen möglichst naturnah auf einem Hof leben, von denen es in der Schweiz zwei gibt. Kritiker monieren rassistische Züge, ein vorsintflutliches Frauenbild und antisemitische Textteile.

Von aussen würde das Gebäude in Seenähe als normales Yoga-Zentrum durchgehen. Nur der Name Elfenhaus verrät, dass hier mehr als nur Sport getrieben wird. Auf eine religionsähnliche Bewegung deutet zunächst wenig hin. «Auch das zeichnet die neuen Gruppen aus, die Eintrittshürde ist so viel tiefer», meint Schmid.

Tatsächlich scheint es Theuretzbacher nicht an Besuchern zu fehlen: Das Zentrum sei jeden Tag gebucht. Die Anastasia-Bewegung liege «voll im Trend», meint Sektenexperte Schmid dazu. Ein weiteres Standbein sind Coachingangebote, das hauseigene Webradio. Und ein Internetshop.

«Heilsteine» für fast 500 Franken

Auch der Shop ist zunächst unauffällig. Im Angebot sind vegane Lebensmittel und Naturmedizin. Nur einen Klick weiter heisst es aber: «Die Naturengel möchten wieder von den Menschen wahrgenommen werden.» Und: «Sie sind sehr gute Heiler.» Die «Engel» gibts wahlweise als Körperlotion, Shampoo oder als Globuli für rund 25 Franken.

Ein Koffer mit Steinen, angepriesen als «Heilstein-Apotheke», kostet schon 490 Franken. Teurer wird es, wenn man einen ganzen Raum schwingungsmässig wieder auf Linie bringen will: Eine Lampe mit der «Blume des Lebens» kostet schon stolze 995 Franken. Ein Abzocker sei er aber nicht, betont der Mann, der lieber «Unternehmer» genannt werden will: «Es gibt leider Scharlatane, aber ich gehöre garantiert nicht dazu.» Seine Produkte würden sich in einem üblichen Preisrahmen bewegen.

Trotz des freundlichen Auftritts von Theuretzbacher: Die Anastasia-Bewegung steht in der Kritik, erklärt Experte Georg Schmid. Es gebe «rassistische Züge», eine «technologiefeindliche Haltung» – und «Aussagen, dass die Juden an ihrer Verfolgung eine Mitschuld trügen». Von solchen Passagen distanziert sich Theuretzbacher: «Ich nehme aus den Schriften einfach heraus, was für mich passt.» Auch das ist für Sektenexperte Schmid eine typische Eigenschaft moderner sektenähnlicher Gruppen: «Man distanziert sich von kritischen Passagen. Das wäre in einer klassischen Sekte nicht denkbar.»

Eines haben die modernen Bewegungen mit den alten Sekten aber gemeinsam: Irgendwie muss der Rubel rollen. Die Frage, inwiefern sich die «Engels-Essenzen» von Uriellas berühmtem Badewannenwasser unterscheiden, lässt Theuretzbacher dann auch offen: «Das kann ich nicht genau sagen. Ich weiss aber, dass die beiden Produkte ganz unterschiedlich hergestellt werden.»

Sekten-Experte im Live Talk: Stellen Sie Georg Otto Schmid von der Sekten-Informationsstelle Relinfo.ch Ihre Fragen. Am Mittwoch, 6. März, ab 11:30 Uhr auf blick.ch.

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