Neue Details zum Todesdrama in St. Gallen
Steve P. erschlug Giuliana R. (†46) mit einer Metallpfanne

Vier Tage nachdem der psychisch kranke Steve P.* (†22) die dreifache Mutter in einer St. Galler Wohnung erschlug, trifft der Leichnam nun in der Heimat des Opfers ein. In Palù bei Verona (I) herrscht Entsetzen – und viele Fragen bleiben offen.
Publiziert: 07.09.2020 um 07:09 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2020 um 11:00 Uhr
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Sie hatte kein leichtes Leben und starb einen sinnlosen Tod: Die dreifache Mutter Giuliana R.* (†46), die in St. Gallen als Kindermädchen arbeitete.
Foto: Facebook
Myrte Müller und Marco Latzer

Sie reisen aus allen Himmelsrichtungen an: Viele kommen aus der Schweiz, viele aus Kalabrien. Die Familie von Giuliana R.* (†46) ist gross. Am Montag wird der Leichnam in Palù bei Verona (I) beigesetzt. In kleinen Gruppen mit Sicherheitsabstand und Mundschutz wird der Trauerzug dem hölzernen Sarg in die Pfarrkirche des 1200-Seelen-Orts folgen. Tränen fliessen. Nicht nur wegen des schmerzhaften Verlusts der dreifachen Mutter. Auch Wut wühlt die Freunde und Verwandten auf – über das, was am Mittwoch, den 2. September, in der St. Galler Speicherstrasse geschah.

Es ist kurz nach 12 Uhr mittags. Steve P.* (†22) dringt in die Privatwohnung einer St. Galler Anästhesistin ein. Im Haus sind Giuliana R. und die Kinder der Ärztin, auf die die Italienerin im Fulltime-Job aufpasst. Der junge Mann beginnt mit einem stumpfkantigen Gegenstand auf das Kindermädchen einzuschlagen.

Am Montag teilt die Staatsanwaltschaft mit, dass es sich bei der Tatwaffe um eine Metallpfanne handelt. Das berichtet das «St.Galler Tagblatt». Weiter teilen die Behörden mit, dass Steve P. zwar vor drei Jahren in der Nähe der Italienerin gewohnt habe. Trotzdem gehen die Ermittler weiter davon aus, dass die 46-Jährige zufällig zum Opfer wurde.

Was war nur in den jungen Mann gefahren?

Der Täter ist wie von Sinnen. Er lässt auch nicht von ihr ab, als Polizisten die Wohnung stürmen und ihn zu stellen versuchen. Ein Beamter zieht schliesslich die Waffe und schiesst auf den irren Angreifer. Steve P. stirbt noch vor Ort.

Giuliana R. wird schwer verletzt ins Spital gebracht. Die Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma. Sie erliegt später ihren Verletzungen.

Besonders rätselhaft: Sowohl die Auswahl der Wohnung als auch des Opfers erscheint zum jetzigen Zeitpunkt «als völlig zufällig», wie die St. Galler Staatsanwaltschaft mitteilt. Was war nur in den jungen Mann gefahren, der offenbar an psychischen Problemen litt und laut Freunden immer wieder Drogen konsumierte?

Diese Fragen stellt sich auch die Familie des Opfers. Giulianas Tante Laura A.* (65) hat quälende Fragen, die sie nicht schlafen lassen: «Warum musste sie so grausam sterben? Warum war die Eingangstür nicht verschlossen?»

Bis heute hätten sich weder die Anästhesistin noch ihr Ehemann bei Giulianas Angehörigen gemeldet. «Sie hat doch drei Jahre lang bei ihnen gearbeitet», sagt Laura A. weiter. Enttäuscht sagt sie: «Sie hätten doch wenigstens kondolieren können.»

Giuliana P. arbeitete für ihre Kinder

Ihres Wissens habe sich Giuliana jeden Tag um die Kinder der Ärztin gekümmert. «Sie hatte kaum freie Zeit. Und das für nur 2500 Franken im Monat», erzählt die Tante weiter. Doch das Geld habe Giuliana dringend gebraucht. Ihre eigenen drei Kinder (22, 29 und 30 Jahre) seien in dieser Krisenzeit ohne Arbeit.

Und der Ex-Mann leide an Depressionen und sei nicht einsatzfähig. «Sie hat sich aufgeopfert, um die Familie zu ernähren», sagt Laura A. Giuliana habe ein hartes Leben gehabt und als Putzfrau, Fensterputzerin oder Tellerwäscherin geschuftet. Sie sei sich für keine noch so strenge Arbeit zu schade gewesen. «Sie war eine Mutter Courage», sagt sie.

Giulianas Eltern und Tanten zogen in den 1960er-Jahren nach St. Gallen. Dort wurde sie auch geboren, ging jedoch nach Italien zurück, nach Verona. Als die Wirtschaftskrise die Familie schwer traf, wollte sie erneut in die Schweiz, um Geld zu verdienen. «Wir hatten ja noch so viele Verwandte und Bekannte dort. So kam Giuliana schliesslich in den Haushalt der Ärztin, auch eine Italienerin.»

Gesehen hat sie ihre Nichte schon eine Weile nicht mehr, zu sehr sei sie in St. Gallen gebraucht worden, sagt die Tante weiter. «Giuliana war vor zehn Monaten das letzte Mal in Italien.» Dieser sinnlose Tod und die Endgültigkeit sind bitter für ihre Kinder, ihre Eltern und ihre Tante, die Giuliana R. so sehnlichst erwartet hatten. Nie wieder werden sie sie in die Arme schliessen können. Es bleibt der Abschied an ihrem Grab.

* Name geändert

Das sagt der beste Freund des irren Killers Steve P. (†22)
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Bluttat in St. Gallen:Das sagt der beste Freund des irren Killers
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