Kantonaler Wildwuchs
Mehr Pilzvergiftungen, weniger Kontrolleure

Die Anzahl Pilzvergiftungen in der Schweiz ist dieses Jahr so hoch wie nie. Mehr und mehr Pilzkontrollstellen werden weggespart. Kantonale Unterschiede erschweren die Situation zusätzlich.
Publiziert: 26.10.2019 um 13:46 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2019 um 15:33 Uhr
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Herbstzeit ist Pilzzeit. 2019 ist ein gutes Jahr, vor allem im Mittelland und in den Voralpen wachsen enorm viele Pilze. Der Steinpilz, wie im Bild, ist der klassische Speisepilz. Roh essen sollte man ihn deswegen aber nicht.
Foto: keystone-sda.ch
Valentin Rubin

Herbstzeit ist Pilzzeit. Zahlreiche Pilzler ziehen durch die Wälder, um frische Champignons, Eierschwämmli oder Morcheln für den Znacht zu sammeln. 2019 sei ein gutes Jahr für Pilzler, meint Peter Meier (76) von der Dachorganisation der Vereine für Pilzkunde in der Schweiz (VSVP).

Ausserdem schwärmen immer mehr Leute aus: «Pilzesammeln entwickelt sich zum Volkssport. Es ist ein positives Naturerlebnis, eine spannende Suche im Wald. Und am Abend hat man ein köstliches Gericht auf dem Teller», sagt Meier. Gerade heute ist dieses Hobby attraktiv: saisonal, regional und CO2-neutral.

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«Pilzlen» für Anfänger:Darauf muss man bei der Suche achten

Mehr Pilzler und mehr Vergiftungen, aber weniger Kontrollstellen

Aber Vorsicht, Verwechslungsgefahr! Statt eines Champignons erwischt man vielleicht einen Grünen Knollenblätterpilz. Und der ist alles andere als harmlos: Seine Giftstoffe führen zu schweren Leberschäden. Schon geringe Mengen sind tödlich.

Die Anzahl Pilzvergiftungen ist dieses Jahr so hoch wie nie zuvor. Gemäss Tox Info Suisse, der Schweizerischen Beratungsstelle für Vergiftungen, gingen 2019 bereits über 650 Meldungen ein – über 150 mehr als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Das ist bisheriger Rekord. Und die Pilzsaison ist noch nicht zu Ende.

Mehr Pilzler, das heisst auch mehr Vergiftungen. Deren Zunahme hat aber noch einen anderen Grund: Immer mehr Pilzkontrollstellen werden abgebaut. Weggespart. Schweizweit gibt es noch etwas mehr als 300. Je nach Kanton herrschen unterschiedliche Regelungen. Früher war national geregelt, dass die Kantone für die Pilzkontrollen sorgen. Seit 1992 sind sie dazu aber nicht mehr verpflichtet.

Einige Kantone halten heute noch an einer Pflicht für Kontrollstellen fest. Die Finanzierung ist jedoch Sache der Gemeinden. Wo die Kantone keine Kontrollpflicht mehr verlangen, verzichten die Gemeinden oft ganz darauf. Uri, Ob- und Nidwalden etwa haben schon gar keine Pilzkontrollstellen mehr.

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«Die schönsten Pilze» wurde dieses Foto genannt. Wir können nur zustimmen!
Foto: BLICK-Leserreporter

Kantönligeist macht die Lage unübersichtlich

«Das ist eine ungünstige Situation», meint Marionna Schlatter (38) von der Schweizerischen Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane (Vapko). «Kantone oder Gemeinden entscheiden darüber, ob Kontrollstellen beibehalten werden oder nicht. Entfällt eine Kontrollpflicht, wird mehr an die Eigenverantwortung der Pilzler appelliert.» Die Lage sei unübersichtlich. Sinnvoller wäre eine nationale Regelung. Marionna Schlatter: «Was wir heute vorfinden, ist kantonaler Wildwuchs.» Oft fehle eine Kontrollstelle in der näheren Umgebung. «Daher verzichten einige Pilzler auf eigentlich notwendige Kontrollen.» Es sei schlicht zu umständlich.

Katharina Schenk (48), Pilzexpertin und Oberärztin bei Tox Info Suisse, ist vorsichtig mit voreiligen Schlüssen: «Einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunahme von Vergiftungen und dem Rückgang der Kontrollstellen können wir nicht mit Zahlen belegen.» Ausschliessen könne man es aber nicht. Und generell gelte: «Immer zum Kontrolleur gehen! Egal, wie gut man die Pilze zu kennen glaubt.»

Flächendeckende Pilzkontrolle wäre notwendig 

Schlatter betont, dass sich die Vapko seit Jahren für eine nationale Kontrollregelung einsetzt, so wie sie bis 1992 noch galt. Die Vapko stehe mit Parlamentariern in Kontakt. 2018 reichte Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli (ZH, 47) einen Vorstoss im Parlament ein. Mit der Forderung, neue Massnahmen zu einer flächendeckenden Pilzkontrolle zu erwägen. 

Der Bundesrat sah aber wenig Handlungsbedarf und appellierte an die Eigenverantwortung der Pilzler. Genau darin liegt aber das Problem. Katharina Schenk: «Gefährlich ist das Überschätzen der eigenen Kenntnisse. Deshalb können auch erfahrene Pilzler gefährdet sein. Sie wähnen sich in Sicherheit, bis sie sich dann nach dem Verzehr mit Beschwerden bei uns melden.»

Expertentipps zum Pilzsammeln

1. Kantonale Pilzschutzverordnungen beachten.

2. Zum Sammeln nur Körbe oder Netze verwenden, die eine gute Durchlüftung gewährleisten – nie Plastiktaschen! In diesen zersetzen sich die Pilze rasch und können giftig werden.

3. Junge und alte Exemplare taugen nicht als Speisepilze.

4. Unbekannte Pilze stehen lassen oder zur Bestimmung ein bis zwei Exemplare vorsichtig aus dem Boden drehen und dem Pilzkontrolleur vorlegen. Stiele nicht beschädigen.

5. Das ganze Pilzsammelgut einer Kontrollstelle vorlegen.

6. Pilze gut kochen – nicht roh konsumieren. Ausnahmen: Roter Gallerttrichter, Eispilz und Trüffel.

7. Entgegen anders lautenden älteren Ratschlägen dürfen Pilzgerichte nochmals aufgewärmt werden. Im Kühlschrank gelagerte Reste von Pilzgerichten kann man ein bis zwei Tage danach gefahrlos aufwärmen und geniessen.

8. Die früher weit verbreiteten Meinungen, dass sich Silberlöffel und Zwiebeln beim Kochen mit giftigen Pilzen verfärben, oder von Tieren angenagte Pilze seien ungiftig, gehören ins Reich der Ammenmärchen. 

1. Kantonale Pilzschutzverordnungen beachten.

2. Zum Sammeln nur Körbe oder Netze verwenden, die eine gute Durchlüftung gewährleisten – nie Plastiktaschen! In diesen zersetzen sich die Pilze rasch und können giftig werden.

3. Junge und alte Exemplare taugen nicht als Speisepilze.

4. Unbekannte Pilze stehen lassen oder zur Bestimmung ein bis zwei Exemplare vorsichtig aus dem Boden drehen und dem Pilzkontrolleur vorlegen. Stiele nicht beschädigen.

5. Das ganze Pilzsammelgut einer Kontrollstelle vorlegen.

6. Pilze gut kochen – nicht roh konsumieren. Ausnahmen: Roter Gallerttrichter, Eispilz und Trüffel.

7. Entgegen anders lautenden älteren Ratschlägen dürfen Pilzgerichte nochmals aufgewärmt werden. Im Kühlschrank gelagerte Reste von Pilzgerichten kann man ein bis zwei Tage danach gefahrlos aufwärmen und geniessen.

8. Die früher weit verbreiteten Meinungen, dass sich Silberlöffel und Zwiebeln beim Kochen mit giftigen Pilzen verfärben, oder von Tieren angenagte Pilze seien ungiftig, gehören ins Reich der Ammenmärchen. 

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