Extra-Steuer für Corona-Profiteure!
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Ökonom Jan-Egbert Sturm:Extra-Steuer für Corona-Profiteure!

Jan-Egbert Sturm, oberster Berater des Bundes für Wirtschafsfragen, fordert
Extra-Steuer für Corona-Profiteure!

Jan-Egbert Sturm (51), Wirtschaftschef der nationalen Covid-19-Task-Force, macht sich für zusätzliche Staatseingriffe stark, um die Folgen der Krise abzufedern.
Publiziert: 29.08.2020 um 23:31 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2020 um 16:55 Uhr
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Jan-Egbert Sturm (51) trifft SonntagsBlick in Kreuzlingen TG zum grossen Interview über die Corona-Krise.
Foto: Siggi Bucher
Interview: Thomas Schlittler Fotos: Siggi Bucher

In dieser Woche hat der Bund bekannt gegeben, dass die Schweiz wegen Corona in eine Rezession gerutscht ist. SonntagsBlick hat deshalb Jan-­Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), zum grossen Interview getroffen, um zu erfahren, wie wir die Krise am besten meistern.

Herr Sturm, Sie leiten die Expertengruppe Wirtschaft der nationalen Covid-19-Taskforce. Wie gross ist Ihr Einfluss auf die wirtschaftspolitischen Entscheide des Bundes­rates?
Jan-Egbert Sturm:
Ich ­tausche mich zweimal pro Woche mit den Leitern der anderen Covid-Arbeitsgruppen aus. Die Taskforce ist im engen Austausch mit den Ministerien und teilt diesen laufend ihre Über­legungen mit. Das sind aber lediglich Empfehlungen. Entscheiden muss am Ende der Bundesrat.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Massnahmen der Regierung?
Das Kreditprogramm, der Ausbau der Kurzarbeit sowie der Corona-Erwerbs­ersatz für Selbständige ­waren sehr gute Massnahmen, die schnell und unbüro­kratisch geholfen haben. Damit ist es aber nicht getan. Ein grosses Problem ist, dass viele Firmen wegen Corona nicht mehr in die Zukunft investieren können. Es fehlt an Vertrauen und Mitteln. Der Bund muss deshalb Geld und ­Sicherheiten zur Ver­fügung stellen, damit die Firmen wieder in zukunfts­träch­tige Technologien und Geschäftsmodelle inves­tieren.

Wie soll diese Hilfe konkret aussehen?
Eine Möglichkeit wäre, dass der Bund für Inves­ ­ti­tionskredite bürgt. Der Bund könnte zum Beispiel 70 Prozent der Ausfallrisiken übernehmen, das restliche Risiko bleibt bei den Banken. So wäre sicher­gestellt, dass die Banken nur Projekte finanzieren, die tatsächlich Aussicht auf ­Erfolg haben.

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Am meisten Jobs gefährdet sind in der Hotellerie, der Gastronomie und der Reisebranche. Diese Branchen haben das Problem, dass die Menschen nicht mehr ins Restaurant gehen und nicht mehr reisen dürfen. Daran würden Kredite nichts ändern.
Auch in diesen Bereichen gibt es Fälle, in denen ­Investitionskredite helfen könnten. Nehmen wir ein Hotel oder Restaurant in Luzern, das sich voll auf asiatische Gäste spezia­lisiert hat: Da gibt es vielleicht die Möglichkeit, durch neue Angebote mehr Schweizer Gäste anzu­ziehen. Aber es stimmt: In Bereichen, in ­denen die Nachfrage auf absehbare Zeit ausbleiben wird, bringen Kredite wenig.

Viele Gastro- und Tourismusbetriebe halten sich nur dank Kurzarbeit über Wasser. Macht das langfristig Sinn?
Nein. Wenn in einem Betrieb keine Aussicht darauf besteht, dass Kunden und Aufträge in den kommenden Monaten zurückkommen, dann macht Kurz­arbeit keinen Sinn. Kurzarbeit ist ein hervorragendes Instrument, um Strukturen aufrechtzuerhalten, das heisst, um einen kurzfris­tigen Nachfrageeinbruch aufzufangen. Kurzarbeit über Jahre hinweg hilft dagegen niemandem.

Was ist die Alternative?
Wir kommen nicht darum herum, gewisse Betriebe in Konkurs gehen zu lassen. In der Reisebranche, bei Hotels, Restaurants, Bars und Clubs werden Jobs wegfallen. Das kann der Staat nicht verhindern, so hart es für die Betroffenen ist. Hierdurch können allerdings anderswo neue Jobs entstehen.

Im internationalen Vergleich ist die Schweiz bis jetzt relativ gut durch die Krise gekommen. Doch per Ende Mai – neuere Zahlen gibt es nicht – steckten fast 900'000 Menschen in Kurzarbeit. Hinzu kommen rund 60'000 selbständig Erwerbende, bei denen die staatliche Unterstützung Mitte September ausläuft. Da kann einem angst und bange werden. Was bewahrt uns vor einer Massenarbeits­losigkeit von zehn Prozent oder mehr?
Eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent ist für die Schweiz absolut undenkbar. Dafür ist die Schweizer Wirtschaft zu stark auf­gestellt. Heute in einem Jahr rechnen wir für die Schweiz mit einer Arbeitslosen­quote von über vier Prozent. Allerdings beobachten wir ein anderes Phänomen: Längst nicht alle, die wegen Co­rona ihren Job verlieren, suchen aktiv nach einem neuen Job. Sie haben sich zumindest vorübergehend vom Arbeitsmarkt zurückge­zogen.

Damit ist das Problem nicht gelöst. Über kurz oder lang brauchen diese Leute Geld. Das wird den Sozialstaat enorm belasten. Wer soll das bezahlen?

Viele Schweizer haben ­finanzielle Reserven oder ­einen Partner, der nach wie vor ein Einkommen hat. ­Zudem ist die Staatsverschuldung im internationalen Vergleich extrem tief, und wir haben die Mittel, um die sozialen Auswirkungen der Krise abzufedern.

Auch an den Staatskassen wird die Krise nicht spurlos vorbeigehen. Die Steuereinnahmen werden einbrechen. Erste Städte und Kantone haben bereits Sparmassnahmen angekündigt.
Sparen ist jetzt nicht das, was der Staat machen sollte. Damit wird die Krise nur länger andauern. Der Staat sollte in einer Hochkonjunktur sparen, nicht wenn die Wirtschaft eindeutig unterausgelastet ist. Zudem geht es längst nicht ­allen Firmen schlecht. Es gibt auch Firmen, die in der Krise so viel verdient haben wie nie zuvor, zum Bei-spiel gewisse Lebensmittel­händler, Onlineshops und Pharmaunternehmen. Wir könnten darüber nach­denken, die Gewinne der Krisengewinner höher zu besteuern – und mit dem Geld die Verlierer der Krise zu unterstützen.

Dann bestraft man Firmen, die die Krise erfolgreich gemeistert haben. Das klingt unfair.
Das mag ein Stück weit ­unfair klingen. Allerdings ist es so, dass in der Krise zu einem grossen Teil der Zufall entschieden hat, welche Firmen höhere ­Gewinne machen. Im Gegensatz zur Finanzkrise, wo die Politik, Banken und Wirtschaft selbst Fehler gemacht haben, sind Eventveranstalter, Reise-, Gastro- und Hotelleriebetriebe unverschuldet in finanzielle Nöte geraten. Deshalb wäre eine Umverteilung meiner Meinung nach gerechtfertigt.

Es sind aussergewöhn­liche Zeiten. Was ist das Worst-Case-Szenario für die Schweizer Wirtschaft?
Das Worst-Case-Szenario ist, dass es zu einem er­neuten Lockdown kommt, weil die Infektionszahlen so stark ansteigen, dass wir die Situation sonst nicht mehr kontrollieren können. Das müssen wir wirklich versuchen zu verhindern.

Ab Oktober hat der Bundesrat Veranstaltungen mit mehr als 1000 Leuten wieder erlaubt. Das erhöht tendenziell die Gefahr von steigenden Infektionszahlen. Ist das ein Fehler?
Das wird sich zeigen. Aber ich sehe die Aufhebung des Grossveranstaltungs­verbots kritisch. Wenn man das macht, dann muss zumindest ein zuverlässiges Contact Tracing sichergestellt werden. Dafür sollten alle verfügbaren Möglich­keiten genutzt werden. Die Veranstalter von Grossan­lässen sollten sich zum Beispiel überlegen, ihre Gäste zur Nutzung der offiziellen Covid-App zu verpflichten. Der Bund kann die Bürger nicht dazu verpflichten, die Tracing-App zu nutzen. Das Hallenstadion als privater Veranstalter sollte aber ­sagen: Du kannst nur an das Konzert, wenn du die Tracing-App installiert hast.

Extra-Steuer für Krisengewinner: Eine alte Idee wird neu lanciert

Jan-Egbert Sturm denkt über eine Krisengewinnsteuer nach. Ähnliches gab es in der Schweiz auch schon – Krisenzeiten sind Steuerzeiten: Zur Deckung der Mobilisationskosten erhob der Bund in den beiden Weltkriegen die Kriegsgewinnsteuer. Als steuerbarer Kriegsgewinn galt der Betrag, der den Reinertrag in den Vorkriegsjahren überstieg. Die erste Kriegsgewinnsteuer warf insgesamt einen 670 Millionen Franken für den Bund und 62 Millionen für die Kantone ab. Während des Zweiten Weltkrieges gab es eine ganze Reihe weiterer Sondersteuern: 1940 und 1942 wurde eine spezielle Vermögenssteuer erhoben, Anfang 1941 trat die «Wehrsteuer» in Kraft. Im Herbst 1941 kam die Warenumsatzsteuer für Güter des täglichen Bedarfs; die WuSt wurde 1995 durch die Mehrwertsteuer abgelöst. Nach wie vor in Kraft ist die Verrechnungssteuer auf Kapitalerträge, die 1943 geschaffen wurde. 2019 brachte sie dem Bund 8,3 Milliarden Franken ein.

Ein Aluminiumwalzwerk im Jahre 1941: Wer während des 2. Weltkriegs in der Schweiz Gewinne machte, musste eine Extra-Steuer bezahlen.
Keystone

Jan-Egbert Sturm denkt über eine Krisengewinnsteuer nach. Ähnliches gab es in der Schweiz auch schon – Krisenzeiten sind Steuerzeiten: Zur Deckung der Mobilisationskosten erhob der Bund in den beiden Weltkriegen die Kriegsgewinnsteuer. Als steuerbarer Kriegsgewinn galt der Betrag, der den Reinertrag in den Vorkriegsjahren überstieg. Die erste Kriegsgewinnsteuer warf insgesamt einen 670 Millionen Franken für den Bund und 62 Millionen für die Kantone ab. Während des Zweiten Weltkrieges gab es eine ganze Reihe weiterer Sondersteuern: 1940 und 1942 wurde eine spezielle Vermögenssteuer erhoben, Anfang 1941 trat die «Wehrsteuer» in Kraft. Im Herbst 1941 kam die Warenumsatzsteuer für Güter des täglichen Bedarfs; die WuSt wurde 1995 durch die Mehrwertsteuer abgelöst. Nach wie vor in Kraft ist die Verrechnungssteuer auf Kapitalerträge, die 1943 geschaffen wurde. 2019 brachte sie dem Bund 8,3 Milliarden Franken ein.

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