Jacqueline Heizmann (37) vor neun Jahren spurlos verschwunden
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Jeden Tag werden in der Schweiz zehn Menschen als vermisst gemeldet. Eine von ihnen ist Jacqueline Heizmann (37). Ihre Eltern Ruth und Edwin suchen verzweifelt nach ihr. Sie vermuten, dass ihr Freund sie im Wald getötet hat.
Publiziert: 06.07.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2018 um 04:26 Uhr
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Ruth und Edwin Heizmann (72 und 76) aus Oensingen SO vermissen ihre Tochter Jacque­line.
Foto: Sabine Wunderlin
Von Deborah Lacourrège und Katia Murmann

3571 Menschen wurden im letzten Jahr in der Schweiz als vermisst gemeldet. Das sind fast zehn pro Tag. Mehr als 90 Prozent der Vermissten tauchen nach wenigen Tagen oder Wochen wieder auf. Mal freiwillig, mal weil die Polizei sie aufgreift. Andere finden Suchtrupps nur noch tot – weil sie einen Unfall hatten oder Suizid begingen. Doch von mehr als hundert Vermissten pro Jahr fehlt jede Spur.  So auch von Jacqueline Heizmann.

«Hat ihr Freund sie im Wald getötet?»

Ruth und Edwin Heizmann (72 und 76) aus Oensingen SO vermissen ihre Tochter Jacque­line (damals 37): «Wir sahen sie am Abend des 10. Juni 2005 zum letzten Mal. Am nächsten Morgen erschien sie nicht zur Arbeit. Ihr Arbeitgeber rief uns an und fragte, ob wir wüssten, wo sie sei. Wir hatten keine Ahnung. Sofort machten wir uns auf den Weg nach Basel.

Als wir in Jacquelines Wohnung kamen, war die Polizei schon da. Sie suchten mit Hunden nach ihr, doch die Spur verlor sich auf der Strasse. Sie muss in ein Auto gestiegen sein.

Die Polizei ermittelte in alle Richtungen und vermutete auch, dass sie einfach untergetaucht war. Das hat uns sehr verletzt. Bald aber wurde klar, dass ihr Freund, ein Franzose aus dem Elsass, mit ihrem Verschwinden zu tun haben könnte. Er war verheiratet und hatte eine Familie. Wir vermuten, dass Jacqueline an diesem Samstag zu ihm wollte, um Schluss zu machen.

Die Polizei hat bis heute nie etwas von unserer Tochter gefunden. Es gibt keinen einzigen brauchbaren Hinweis. Es ist, als wäre sie vom Erdboden verschluckt. Wir vermuten, dass ihr Freund sie im Wald getötet hat; die Wälder im Elsass sind sehr dicht. Doch die Tat konnte man ihm nie nachweisen. Vor vier Jahren hat er sich umgebracht. Jetzt wird das Verschwinden von Jacqueline wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Dennoch: Wir haben die Hoffnung bis heute nicht aufgegeben. Am Anfang glaubten wir immer, unsere Jacqueline auf der Strasse zu sehen. Die Leute im Dorf redeten. Meinten, sie sei weggelaufen. Wir mussten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Edwin hatte einen Schlaganfall, eine Folge des Kummers. Ich versuche, die Starke zu sein, weiterzumachen. Trotzdem bleibt es schwer: Wir haben keinen Ort, um zu trauern, kein Grab. Solange man unsere Tochter nicht findet, hoffen wir immer noch, sie könnte eines Tages plötzlich wieder vor unserer Tür stehen.»

Notfallpsychologe Michael Freudiger gibt Tipps

Die Angehörigen von Vermissten gehen durch die Hölle. «In der ersten Phase, kurz nach dem Verschwinden, stehen die Hoffnung und das Suchen im Vordergrund», sagt Notfallpsychologe Michael Freudiger (44) aus Winterthur ZH. Die Polizei engagiert sich, die Angehörigen erfahren viel Unterstützung. «Wenn die Suche eingestellt wird, weil es keine neuen Ansatzpunkte mehr gibt, ist dies für die Zurückgebliebenen sehr schwierig.»

Freudiger selbst hat schon viele Fälle erlebt, in denen Angehörige nicht wissen, was mit ihrem Liebsten passiert ist. «Sie hoffen immer weiter, sind zerrissen zwischen hoffen und Abschied nehmen», sagt er. Die quälende Ungewissheit kann auch krank machen, psychisch wie physisch. Sie kann Familien zerreissen, Ehen in die Brüche gehen lassen. Notfallpsychologe Freudiger rät Angehörigen, ihr Leben an die schwierige Situation anzu­passen.

Es sei legitim, sich mit dem Tod des Verschwundenen abzufinden und gleichzeitig weiter zu hoffen, dass der geliebte Mensch eines Tages zurückkehrt. «Behalten Sie seine Kleider, seine persönlichen Gegenstände. Aber legen Sie sie nach einiger Zeit in den Keller, damit sie nicht Ihr eigenes Leben total blockieren.»

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