Tignanello ist nicht irgendein Wein und Antinori nicht irgendein Weinproduzent. Tignanello, das ist die Mutter aller Supertoskaner. Der Wein hat Italien weintechnisch revolutioniert. Gekeltert wird er von den Marchesi Antinori aus Florenz, deren Ursprünge ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Der Wein ist absolut top.
Doch ein kleiner Weinhändler aus der Innerschweiz, der anonym bleiben will, versteht die Welt nicht mehr, als er den Wein in seinen Offenausschank nehmen will und ihn deshalb degustiert. Was da in der Flasche Tignanello 2012 steckt, hat so gar nichts mit dem zu tun, was er von anderen Jahrgängen kennt. Ein dünnes Wässerchen, das sehr «zältlig» daherkommt, kaum Struktur aufweist, schnell weg ist und einen bitteren, pelzigen Nachgeschmack hat.
Möglicherweise ein Primitivo
Der Mann wird stutzig. Er lässt den verdächtigen Saft einen befreundeten Weinkritiker degustieren. Der kommt schnell zum Schluss: «Möglicherweise ein Primitivo. Aber niemals ein Tignanello.» Für ihn ist klar: eine Fälschung!
Ein genauerer Blick auf die Flasche bestätigt: Die Kapsel ist aus Plastik statt Zinn. Die Rillen am Flaschenboden sind viel enger als beim Original. Und die eine und andere Schrift ist nicht exakt so wie bei den echten Etiketten. Der Fall ist klar.
In die Schweiz wird der Wein offiziell nur von Bindella importiert. Die Fälschung ist geschäftsschädigend für den renommierten Gastro- und Weinunternehmer Rudi Bindella. Reden mag man über den Fall aber nicht. Bindella-Sprecher Hans-Jörg Degen: «Kein Kommentar.» BLICK weiss aber: Bindella hat Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht. Zu einem Rechtsfall geworden ist der Tignanello-Skandal auch in Deutschland. Dort hat Lebensmittelhändler Rewe als Geschädigter ebenfalls geklagt.
Eine Spur weist ins Tessin
Denn diese Fälschungen tauchen flächendeckend auf. In einem Restaurant in Martigny VS zum Beispiel. Der Beizer kaufte die Weine bei einem kleinen lokalen Händler, der sie wiederum beim gleichen Tessiner Händler zum gleichen Dumpingpreis von 52 Franken einkaufte wie der Innerschweizer Weinhändler.
Für BLICK war der Verantwortliche der Firma aus Lugano TI trotz mehrmaliger Versuche nicht zu erreichen. Weil er etwas zu verstecken hat? Weiss er, dass er faule Flaschen weiterverkauft? Und woher hat er sie? Viele Fragen, keine Antworten. Dem Innerschweizer Händler war der aggressive Verkaufsstil der Tessiner aufgefallen, und er wunderte sich, dass die Weine stets in einem vollgestopften PW statt in einem Lieferwagen gebracht wurden.
Interpol ist eingeschaltet
Bei Antinori in Florenz ist man schockiert über das Resultat der BLICK-Recherchen. «Wir wissen weder, wie viele Fälschungen im Umlauf sind, noch woher sie kommen», sagt Export-Verkaufsmanager Stefano Leone. «Auch wir in Italien haben den Fall zur Anzeige gebracht und hoffen nun, dass die Untersuchungsbehörden in den diversen Ländern und Interpol ihren Job machen.»
Erstaunt habe ihn aber schon, dass man einen Toskaner fälsche, der 80 Franken kostet. Bei den grossen Châteaux aus dem Bordeaux wie Pétrus (aktueller Jahrgang circa 1600 Franken) oder Margaux (600 Franken) würde er das eher verstehen. Antinori hat auf den Skandal reagiert. Beim 13er-Jahrgang ist im Glas der Flasche das Wappen eingestanzt, was den Wein schon fast fälschungssicher macht, weil die Glasherstellung viel zu teuer würde. Zudem sind die Etiketten nun fast so fälschungssicher wie Banknoten.
Der BLICK-Tipp an die vielen Schweizer Freunde italienischer Weine, die 12er-Tignanello haben: Die Kapsel prüfen. Plastik statt Zinn. Das merkt man sofort.
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