Ilirida (1) hatte Halsweh und hohes Fieber
... aber in Wil SG waren alle Kinderärzte ausgebucht

Gesamtschweizerisch gibt es viel zu wenige Kinderärzte. Im Raum Wil SG ist die Situation besonders dramatisch. Eltern müssen mit ihren Kindern teilweise bis nach Winterthur ZH fahren für eine Behandlung. Der Unmut ist gross – eine Lösung schwierig.
Publiziert: 24.09.2018 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2018 um 21:11 Uhr
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Ilir Zenuni (27) und seine Frau Eurela (22) mit Tochter Ilirida (1): Bei einem Notfall mit der Kleinen mussten sie bis nach Winterthur ZH fahren.
Foto: Jessica Keller
Flavio Razzino

Eines Morgens hatte die kleine Ilirida (1) starke Halsschmerzen und hohes Fieber. «Sie konnte kaum noch schlucken und sie ass nichts mehr – als besorgte Eltern will man da eine Abklärung beim Kinderarzt machen», sagt ihr Vater Ilir Zenuni zu BLICK. Er und seine Frau Eurela fahren mit ihrer kranken Tochter zu der Swiss Medi Kids, der grössten privaten Kinderpermanence der Schweiz. 

Doch dort herrscht Überlastung: Er wird angewiesen, mit der kleinen Patientin von Wil SG nach Winterthur ZH zu fahren. Fahrtweg hin und zurück: Rund 80 Minuten! Das sei grob fahrlässig, sagt Zenuni. «Ich will nicht wissen, was passiert, wenn ich bei einem Notfall mal nicht so viel Zeit habe!» Einen anderen Kinderarzt kann sich Zenuni jedoch nicht suchen – kaum ein Kinderarzt in der Region nimmt noch neue Patienten auf.

Kinderarzt pensioniert

In Wil SG und Umgebung herrscht akuter Kinderärzte-Mangel. Und die Übriggebliebenen sind hoffnungslos überlastet. Besonders zugespitzt hat sich die Situation mit der Pensionierung des altgedienten Wiler Kinderarztes Juhani Sidler im April dieses Jahres. Er hat seine vielen kleinen Patienten der Praxisgruppe Swiss Medi Kids übergeben.

Tipps für Eltern

Haben Kinder unklare gesundheitliche Probleme, stehen Eltern immer vor der gleichen Frage: Ist es besser, abzuwarten und zu schauen, wie sich das Problem entwickelt, oder soll man schon zum Arzt? Fehlt der Kinderarzt, oder ist dieser bereits ausgebucht, wird es noch schwieriger: Denn Eltern haben dann nur noch die Möglichkeit, direkt als Notfall ins Spital zu fahren.

Für eine erste Einschätzung des Problems können sich Eltern aber auch zuerst telefonisch beraten lassen. Etwa bei der Notfall-Nummer von Medphone.ch (0900 57 67 47 – kostenpflichtig!). Ebenfalls bieten häufig Kantonsspitäler eine Hotline für Eltern an, wo Fragen zu gesundheitlichen Probleme der Kinder gestellt werden können. Die Nummern sind im Internet zu finden.

Etabliert ist schliesslich noch die Notrufnummer 145 von Tox Info Suisse bei Notfällen infolge einer Vergiftung.

Haben Kinder unklare gesundheitliche Probleme, stehen Eltern immer vor der gleichen Frage: Ist es besser, abzuwarten und zu schauen, wie sich das Problem entwickelt, oder soll man schon zum Arzt? Fehlt der Kinderarzt, oder ist dieser bereits ausgebucht, wird es noch schwieriger: Denn Eltern haben dann nur noch die Möglichkeit, direkt als Notfall ins Spital zu fahren.

Für eine erste Einschätzung des Problems können sich Eltern aber auch zuerst telefonisch beraten lassen. Etwa bei der Notfall-Nummer von Medphone.ch (0900 57 67 47 – kostenpflichtig!). Ebenfalls bieten häufig Kantonsspitäler eine Hotline für Eltern an, wo Fragen zu gesundheitlichen Probleme der Kinder gestellt werden können. Die Nummern sind im Internet zu finden.

Etabliert ist schliesslich noch die Notrufnummer 145 von Tox Info Suisse bei Notfällen infolge einer Vergiftung.

Zuerst war die Erleichterung in der Region wegen der Ansiedelung der Kinderpermanence gross. Zumal die Gesamtverantwortliche von Swiss Medi Kids, Katja Berlinger, versprach, dass damit in Wil bald mehrere Kinderärzte rund um die Uhr praktizieren werden.

Für einen Termin nach Winterthur ZH verwiesen

Von der Euphorie ist Monate später nichts mehr zu spüren. Denn die Swiss Medi Kids kann die Erwartungen bei weitem nicht erfüllen. Zenuni ist nicht der Einzige, der sich über die Swiss Medi Kids in Wil beklagt.

Dutzende Eltern haben die prekäre Kinderarzt-Situation ebenfalls zu spüren bekommen. «Es sind unzumutbare Zustände hier!», sagt etwa Maria Romagnolo aus Rickenbach TG bei Wil. Auch sie bekomme so gut wie nie Termine für ihre Kinder. Sie wurde mit ihrem Kind, das an einer Mittelohrentzündung litt, gar schon mal in die «Swiss Medi Kids»-Filiale nach Zürich verwiesen.

Zu allem Überfluss schränkt die Praxisgruppe von Katja Berlinger neuerdings auch noch die Medikamentenabgabe ein. Selbst rezeptfreie Medikamente – etwa Fieberzäpfli – werden nur noch nach einem kostenpflichtigen Arzttermin abgegeben. Eine Praxis, die die Vorgängerpraxis von Juhani Sidler nicht kannte. «Reine Geldmacherei», sagen die Eltern in Wil darum.

«Wir machen, was wir können»

Katja Berlinger, CEO der Swiss Medi Kids, kennt die Kritik an ihrem Unternehmen. «Ich verstehe den Ärger der Eltern, doch wir geben alles, so viele Patienten wie möglich zu behandeln», sagt sie. Die Wiler Niederlassung sei im Frühjahr regelrecht überrannt worden. Dass heute noch Patienten nach Winterthur verwiesen werden, glaubt sie den Eltern aber nicht. Das sei nur zu Beginn so gewesen, behauptet Berlinger.

«In der Zwischenzeit konnten wir neue Ärzte gewinnen. Zudem werden wir weiterhin konsequent Stellenprozente aufstocken, um den Eltern möglichst viele Termine anbieten zu können» sagt Berlinger. Der kleinen Ilirida geht es heute wieder gut – doch die Angst vor dem nächsten Notfall bleibt.

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«Der Beruf ist heute nicht mehr attraktiv»

Überall in der Schweiz – mit Ausnahme des Kantons Genf – herrscht ein mehr oder weniger schlimmer Kinderärztemangel. In der Ostschweiz ist er besonders akut. Beispielsweise gibt es im gesamten Toggenburg keinen einzigen Kinderarzt mehr.

Eltern bleibt darum häufig keine andere Wahl, als mit ihren Kindern direkt ins Spital zu gehen – oder dann zu einem normalen Hausarzt. Doch von denen gibt es bekanntlich auch immer weniger – der Kinderärztemangel verschärft damit direkt die Überlastung der übrig gebliebenen Hausärzte.

«Der Beruf des Kinderarztes ist heute nicht mehr so attraktiv wie früher. Einerseits steigen die Anforderungen an die Ärzte, andererseits verdienen sie in anderen Fachrichtungen wesentlich besser», sagt Heidi Zinggeler Fuhrer, Präsidentin des Berufsverbandes Kinderärzte Schweiz.

Der Kinderärztemangel zeigt sich nicht direkt in der Anzahl praktizierender Ärzte. Denn davon gibt es im Vergleich nicht weniger als früher. Aber heute arbeiten gerade Kinderärzte viel häufiger Teilzeit. Für die Arbeit, die früher ein einziger Kinderarzt betreute, braucht es heute mindestens zwei Kinderärzte.

Besonders schwierig haben es ländliche Regionen. Denn die wenigen angehenden Kinderärzte zieht es in die Städte, weil dort die Abdeckung für Notfalldienste auf mehrere Schultern verteilt werden kann. «Auch bei den heutigen Kinderärzten spielt die Work-Life-Balance eine wichtige Rolle – und das macht sich bemerkbar», so Fuhrer.

Warum aber können Hausärzte und die Kinderabteilungen der Spitäler die Kinderärzte nicht ersetzen? «Die Inanspruchnahme des Spitals ist einerseits teurer wegen der Notfallpauschale, die bei einer nichtregulären Sprechstundenkonsultation immer fällig wird. Und andererseits ist die Behandlung dort nicht vergleichbar mit jener beim Kinderarzt in der Praxis», sagt Zinggeler.

Denn: «Eltern sind im Spital immer wieder mit anderen Ärzten konfrontiert, weshalb es keine tiefe Patienten-Arzt-Beziehung gibt. Das hat einen wesentlichen Einfluss auf eine kostengünstige, zielorientierte und nachhaltige Behandlung der Kinder», sagt Zinggeler. 

Überall in der Schweiz – mit Ausnahme des Kantons Genf – herrscht ein mehr oder weniger schlimmer Kinderärztemangel. In der Ostschweiz ist er besonders akut. Beispielsweise gibt es im gesamten Toggenburg keinen einzigen Kinderarzt mehr.

Eltern bleibt darum häufig keine andere Wahl, als mit ihren Kindern direkt ins Spital zu gehen – oder dann zu einem normalen Hausarzt. Doch von denen gibt es bekanntlich auch immer weniger – der Kinderärztemangel verschärft damit direkt die Überlastung der übrig gebliebenen Hausärzte.

«Der Beruf des Kinderarztes ist heute nicht mehr so attraktiv wie früher. Einerseits steigen die Anforderungen an die Ärzte, andererseits verdienen sie in anderen Fachrichtungen wesentlich besser», sagt Heidi Zinggeler Fuhrer, Präsidentin des Berufsverbandes Kinderärzte Schweiz.

Der Kinderärztemangel zeigt sich nicht direkt in der Anzahl praktizierender Ärzte. Denn davon gibt es im Vergleich nicht weniger als früher. Aber heute arbeiten gerade Kinderärzte viel häufiger Teilzeit. Für die Arbeit, die früher ein einziger Kinderarzt betreute, braucht es heute mindestens zwei Kinderärzte.

Besonders schwierig haben es ländliche Regionen. Denn die wenigen angehenden Kinderärzte zieht es in die Städte, weil dort die Abdeckung für Notfalldienste auf mehrere Schultern verteilt werden kann. «Auch bei den heutigen Kinderärzten spielt die Work-Life-Balance eine wichtige Rolle – und das macht sich bemerkbar», so Fuhrer.

Warum aber können Hausärzte und die Kinderabteilungen der Spitäler die Kinderärzte nicht ersetzen? «Die Inanspruchnahme des Spitals ist einerseits teurer wegen der Notfallpauschale, die bei einer nichtregulären Sprechstundenkonsultation immer fällig wird. Und andererseits ist die Behandlung dort nicht vergleichbar mit jener beim Kinderarzt in der Praxis», sagt Zinggeler.

Denn: «Eltern sind im Spital immer wieder mit anderen Ärzten konfrontiert, weshalb es keine tiefe Patienten-Arzt-Beziehung gibt. Das hat einen wesentlichen Einfluss auf eine kostengünstige, zielorientierte und nachhaltige Behandlung der Kinder», sagt Zinggeler. 

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