Homöopathie kostet viel, aber bringt nichts
Die Globuli-Illusion

Seit Jahren explodieren die Ausgaben im Gesundheitswesen, langsam ist die finanzielle Schmerzgrenze erreicht. Umso absurder scheint es, dass Krankenkassen nun seit 2017 noch zusätzlich für die teure Alternativ-Medizin aufkommen müssen.
Publiziert: 18.04.2018 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:50 Uhr
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Derzeit fliegen die Pollen wieder. Viele behandeln ihre Allergie mit Homöopathie.
Foto: Keystone
Helena Schmid

Die Schweiz bekommt die steigenden Gesundheitskosten einfach nicht in den Griff. In den 20 Jahren zwischen 1996 und 2016 haben sie sich um rund 255,2 Prozent erhöht. Um dieser Entwicklung ein Ende setzen, forderte Philomena Colatrella, Chefin der CSS-Krankenkasse, im SonntagsBlick sogar eine Mindestfranchise von 10'000 Franken. Der Vorschlag stiess schweizweit auf Empörung.

Nur: Laut Konjunkturforschungsstelle der ETH kostete uns das Gesundheitswesen 2017 rund 84,1 Milliarden Franken. 4,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Steigen die Kosten weiter an, droht irgendwann der Kollaps.

Einer der Gründe für den Anstieg: Seit 2017 sind Komplementärmedizinische Methoden wie beispielsweise Homöopathie auch in der Grundversorgung inbegriffen. Das Volk hatte im Jahr 2009 einen entsprechenden Verfassungsartikel angenommen. Damals hoffte man noch, dass mit dem erleichterten Zugang zur Komplementärmedizin die Gesundheitskosten sinken würden.

Doch es kam anders. Die Komplementärmedizin verursachte letztes Jahr zusätzliche Kosten von 30 Millionen Franken, wie Sandra Kobelt, Sprecherin Krankenkassenverbandes Santésuisse, gegenüber BLICK bestätigt. 

Globuli bezahlt, Medikamente nicht

Die Komplementärmedizin sorgt entsprechend weiter für Diskussionen. Auch, weil zum Beispiel die Wirkung der beliebten Globuli-Kügeli bis heute höchst umstritten bleibt. Doch auch sie werden laut neuem Gesetz in jedem Fall von der Krankenkasse bezahlt, sofern sie von einem Homöopathen mit medizinischem Fachausweis verschrieben wurden.

So auch bei der Behandlung gegen die zurzeit akute Pollen-Plage. Laut Bahnhofsapotheke Zürich greifen viele Kunden dabei zu den Similasan-Heuschnupfen-Globuli. Urs Lehmann, CEO von Similasan, erklärt: «Im Gegensatz zu schulmedizinischen Anti-Allergika sind bei der Einnahme der Globuli keine Nebenwirkungen zu erwarten, weshalb sie die Kunden auch sehr schätzen.» 

Die Similasan Globuli Nr. 1 gegen Heuschnupfen gehören zu den beliebtesten Medikamenten unter den homöopathischen.
Foto: amavita.ch

Pikant: Während die Globuli-Kügeli so stets von der Krankenkasse bezahlt werden, wird bei schulmedizinischen Anti-Allergika strenger hingeschaut. Diese müssen nämlich nicht nur vom Arzt verschrieben werden, sondern auch auf der Spezialitätenliste stehen. Ansonsten werden sie von der Krankenkasse nicht bezahlt. Comparis-Sprecher Felix Schneuwly: «Auf diese Liste kommen nur medizinische Mittel, die ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nachweisen können.»

Wissenschaftler dementieren Wirkung

Dies führt dazu, dass zum Beispiel das meistverkaufte Anti-Allergikum in der Bahnhofsapotheke in Zürich, die Teflastin-Allergo-Tabletten, auf der Liste stehen und gezahlt werden. Die antiallergischen Augentropfen derselben Marke aber nicht. Das Gleiche beim Saft gegen Reizhusten bei Pollenallergie. Auch hier bleiben Allergiker auf den Kosten sitzen.

Aus wissenschaftlicher Sicht macht diese Bevorzugung der Homöopathie wenig Sinn. Denn: In einem Statement aus dem Jahr 2017 bestritten insgesamt 25 europäische Wissenschaftsvereinigungen die Wirksamkeit von Globuli. Darunter auch die Akademien der Wissenschaft Schweiz, die mit den Schweizer Hochschulen zusammenarbeiten. Sie halten fest, dass Homöopathie sogar gefährlich sein kann, da zu ihren Gunsten eine schulmedizinische Therapie aufgeschoben oder gar abgelehnt wird.

«Das Volk wurde getäuscht!»

Beda Stadler, Immunologe und ehemaliger Abteilungsleiter an der Universität Bern.
Foto: LUKAS LEHMANN

Dieser Meinung ist auch Beda Stadler, der ehemalige Leiter des Instituts für Immunologie an der Uni Bern. «Globuli verursachen nur unnötige Gesundheitskosten», sagt er. Man habe das Volk 2009 getäuscht, indem man ihm erzählte, Globuli wären ja günstig. «Doch viele Allergiker setzen die Globuli nicht ab, nachdem sie keine Wirkung festgestellt haben. Stattdessen schlucken sie noch zusätzlich medizinische Tabletten – das verursacht doppelte Kosten», so Stadler.

Gisela Etter, die Medizinerin ist Präsidentin der Vereinigung ärztlicher Homöopathen.
Foto: zVg

Homöopathin und Ärztin Doktor Gisela Etter hält dagegen. «Ich erlebe jeden Tag, wie Homöopathie bei Allergikern wirkt. Bei vielen treten die Symptome nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr auf», sagt sie. Das Problem: Den Wirkungsmechanismus der Globuli kann die Medizinerin nicht erklären. «Das ist mit den herkömmlichen Naturwissenschaften gar nicht möglich», so Etter.

Weshalb homöopathische Mittel den Beweis der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit im Gegensatz zur Schulmedizin auch nicht erbringen müssen. Na dann, Gesundheit!

In der Schweiz leiden rund zwei Millionen Menschen an Allergien.
Foto: Blick.ch
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