Heuschnupfen quält die Schweiz – Homöopathen wehren sich gegen Schulmediziner
«Es nützt – das beweist die Praxis»

Das Thema Homöopathie scheidet in der Schweiz die Geister. Klar ist aber: Trotz harscher Kritik ist die Alternative zur Schulmedizin beliebt.
Publiziert: 19.04.2018 um 23:30 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:25 Uhr
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Pablo Martirena (49) ist ein grosser Fan von alternativen Heilmethoden «Ich finde die Homöopathie einfach sensationell! Wir benutzen nie etwas anderes, sagt der 49-jährige Pilot aus Zürich. «Und wir sind alle immer gesund!» Auch für seinen 18 Monate alten Sohn Stevan gibt es nichts als Globuli und Kräutersalben.
Foto: Jan Krumnacker
Andrea Cattani

Das Thema Homöopathie reizt die Volksseele wie der Heuschnupfen die Atemwege in diesem Frühling. Für die einen ist es eine echte Alternative zur Schulmedizin, für die anderen blosser Schwindel.

Fakt ist: Seit 2017 werden Methoden der Komplementärmedizin, zu der auch die Homöopathie gehört, in der Schweiz von der Grundversorgung gedeckt. Die Folge sind zusätzliche Kosten in Höhe von 30 Millionen Franken (BLICK berichtete).

«Ich heile Heuschnupfen in zehn Tagen»

Die Wirkung der Homöopathie ist aber bis heute stark umstritten. Eine grossflächig angelegte Studie aus Australien mit über 200 Untersuchungen kam 2014 zum vernichtenden Urteil: Homöopathische Mittel helfen nicht besser als Placebos.

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Besonders bei weit verbreiteten Leiden wie Kopfschmerzen, Durchfall oder auch Asthma sei eine Wirkung schlicht nicht nachweisbar. Eine Studie von 25 europäischen Wissenschaftsvereinigungen kam im vergangenen Jahr zum selben Schluss.

Doch der Bericht über die «Globuli-Illusion» im BLICK von gestern mobilisiert auch die Gegenseite. Überzeugte Therapeuten und Patienten schwören allen Studien und Statistiken zum Trotz auf die Wirkung der natürlichen Heilmittel. Ein Homöopath aus Zürich behauptet beispielsweise: «Ich heile Heuschnupfen in zehn Tagen!» Ohne Nebenwirkungen, ohne Chemie.

Gisela Etter, selber Ärztin und Komplementärmedizinerin, versteht zwar die Zweifel an der Homöopathie. Für sie ist aber klar: «Homöopathie wirkt, das lässt sich mit Studien belegen, und das sehen wir in unserer täglichen Praxis.»

Auch auf der Strasse ist das Vertrauen in die Alternativmedizin gross. Egal, ob Eltern mit ihren Kindern oder Rentner: Viele Schweizer vertrauen auf die Wirkung der verdünnten Inhaltsstoffe in der homöopathischen Arznei. So findet auch eine Mutter aus Aarburg AG: «Eigentlich geht es fast immer auch ohne die üblichen Medikamente.»

Die Bevölkerung ist gespalten, die Ärzte sind es nicht mehr

Damit ein Mittel oder eine Therapie von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt wird, gilt – egal, ob Komplementär- oder Schulmedizin – stets das WZW-Prinzip. «WZW steht für wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich», sagt Yvonne Gilli vom Zentralvorstand der Ärzteverbindung FMH.

Auch sie bestätigt die anhaltende Popularität homöopathischer Behandlungsmethoden: «Die Nachfrage ist momentan grösser als das ärztliche Angebot. Nicht selten gibt es Wartelisten.» 

Die gespaltene Haltung zur Homöopathie stellt auch Gilli in der Bevölkerung fest. Unter den Ärzten habe sich die Situation in den letzten Jahren aber entspannt. «Die gegenseitige Akzeptanz ist klar gewachsen.»

Pro: Voll auf dem Kügeli-Trip

Ich bin weder alternativ noch Impfgegnerin. Ich hatte bis vor ein paar Jahren noch nie von Belladonna oder Ferrum ­phosphoricum gehört.

Bis zu jenem Tag im Herbst 2009, als mein sechs Monate ­alter Sohn Fieber hatte und ich den Arzt anrief. Ich bereitete mich schon darauf vor: Zäpfchen kaufen, dem schreienden Kind verabreichen. Es kam ­anders. «Geben Sie ihm Ferrum phosphoricum, alle drei Stunden fünf Kügelchen», sagte der Arzt.

Seitdem bin ich voll auf dem Kügeli­trip. Hat ein Kind Bauchweh, Fieber, Schnupfen – in meiner Globuli-Hausapotheke finde ich das richtige Mittel. Und es wirkt! Es muss mir keiner kommen, das sei alles nur ­Einbildung. Wenn meine Tochter in der Nacht Fieber hat und ich ihr Globuli gebe, sinkt die Temperatur, und sie schläft ruhig weiter. Zäpfchen habe ich nach wie vor parat. Aber Globuli ­wirken für uns wunderbar.

 Katia Murmann, Chefredaktorin Blick.ch

In meiner Globuli-Hausapotheke finde ich das richtige Mittel. Und es wirkt!
In meiner Globuli-Hausapotheke finde ich das richtige Mittel. Und es wirkt!
Blick

Ich bin weder alternativ noch Impfgegnerin. Ich hatte bis vor ein paar Jahren noch nie von Belladonna oder Ferrum ­phosphoricum gehört.

Bis zu jenem Tag im Herbst 2009, als mein sechs Monate ­alter Sohn Fieber hatte und ich den Arzt anrief. Ich bereitete mich schon darauf vor: Zäpfchen kaufen, dem schreienden Kind verabreichen. Es kam ­anders. «Geben Sie ihm Ferrum phosphoricum, alle drei Stunden fünf Kügelchen», sagte der Arzt.

Seitdem bin ich voll auf dem Kügeli­trip. Hat ein Kind Bauchweh, Fieber, Schnupfen – in meiner Globuli-Hausapotheke finde ich das richtige Mittel. Und es wirkt! Es muss mir keiner kommen, das sei alles nur ­Einbildung. Wenn meine Tochter in der Nacht Fieber hat und ich ihr Globuli gebe, sinkt die Temperatur, und sie schläft ruhig weiter. Zäpfchen habe ich nach wie vor parat. Aber Globuli ­wirken für uns wunderbar.

 Katia Murmann, Chefredaktorin Blick.ch

Contra: «Lieber Fakten als Glauben»

Die Sonne dreht sich nicht um die Erde. Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Krankheiten sind keine ­Strafe. Die Wissenschaft hat die Welt in den letzten paar Hundert Jahren entmystifiziert – zum Glück! Auch in der Medizin habe ich lieber Fakten als Glauben. Eigentlich versuche ich Medi­kamente zu vermeiden. Ab und zu mal eine Kopfwehtablette oder mal ein Schmerzmittel, wenn es mich beim Biken wieder mal auf den Latz gehauen hat. Auch die Kinder bekommen bei Fieber ein Zäpfchen. Meine Frau hat – gestand sie mir – es zwei Mal mit Chügeli probiert. «Hat aber nichts genützt», sagt sie. Kein Wunder: Homöopathie baut darauf auf, dass ein Wirkstoff desto stärker ist, je mehr er verdünnt wird. Im Vergleich ist das etwa so, wie wenn man einen ­Tropfen «Urtinktur» in den Boden­see kippen würde. Da kann man gleich zu ­Placebos greifen.

 Thomas Benkö, stv. Chefredaktor Blick.ch

Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Krankheiten sind keine Strafe.
Blick

Die Sonne dreht sich nicht um die Erde. Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Krankheiten sind keine ­Strafe. Die Wissenschaft hat die Welt in den letzten paar Hundert Jahren entmystifiziert – zum Glück! Auch in der Medizin habe ich lieber Fakten als Glauben. Eigentlich versuche ich Medi­kamente zu vermeiden. Ab und zu mal eine Kopfwehtablette oder mal ein Schmerzmittel, wenn es mich beim Biken wieder mal auf den Latz gehauen hat. Auch die Kinder bekommen bei Fieber ein Zäpfchen. Meine Frau hat – gestand sie mir – es zwei Mal mit Chügeli probiert. «Hat aber nichts genützt», sagt sie. Kein Wunder: Homöopathie baut darauf auf, dass ein Wirkstoff desto stärker ist, je mehr er verdünnt wird. Im Vergleich ist das etwa so, wie wenn man einen ­Tropfen «Urtinktur» in den Boden­see kippen würde. Da kann man gleich zu ­Placebos greifen.

 Thomas Benkö, stv. Chefredaktor Blick.ch

In der Schweiz leiden rund zwei Millionen Menschen an Allergien.
Foto: Blick.ch
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