Hausbesitzer bleiben plötzlich auf Baukosten sitzen
Schuldenfalle Solarstrom

Die Energiestrategie 2050 treibt Solaranlagenbesitzer zur Verzweiflung. Mit dem Gesetz wurde die Aussicht auf langfristige Subventionen gestrichen. Den Berner Solarpionier Peter Stutz (52) treibt es in die Schulden.
Publiziert: 05.11.2018 um 07:16 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2019 um 19:15 Uhr
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Kein «Stutz» für Peter Stutz (52): Seit Jahren wartet der Berner auf Subventionen für seine Solaranlage.
Foto: Peter Gerber
Anian Heierli

Manche Details der 2017 vom Volk gutgeheissenen Energiestrategie 2050 kennen nur die Experten. Zum Beispiel jenes, dass die sogenannte Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gestrichen wurde. Mit dieser Entschädigung für überschüssigen Solarstrom rechneten aber viele kleine Solarbetreiber und ökobegeisterte Hausbesitzer, als sie vor Jahren Anlagen planten. Und nun bekommen sie die hohen Investitionskosten nicht mehr rein.

Zum Beispiel Peter Stutz (52). Seit Jahrzehnten kämpft der Berner Solarpionier für saubere Energie. Doch jetzt fühlt er sich dreckig abgezockt. Für seinen Berner Solarstrom erhält er 4,4 Rappen pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Ein Wasserkraftwerk, das heute Strom auf dem Markt verkauft, bekommt mit 8,5 Rappen fast das Doppelte.

Unternehmer Stutz ist bekennender Grüner. Wenn möglich, verzichtet er auf Auto und Flugzeug. Sein Ziel: «Keine AKW und fossilen Brennstoffe mehr.» Die politische Einstellung machte er zum Beruf. Der gelernte Geograf plant, baut und vertreibt Solaranlagen, von denen er selber mehrere besitzt.

Stutz: «Meine Anlage ist massiv defizitär, schreibt Verlust»

Zwei davon stehen in Biglen BE. Die grössere Anlage leistet 270 Kilowatt – und liefert so rund 270'000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Stutz rechnet vor: «Sie kostete 587'600 Franken, wovon einen Teil die Bank finanzierte. Mit dem Tarif von 4,4 Rappen pro Kilowattstunde und Betriebskosten von vier Rappen ist die Anlage für mich massiv defizitär.» Das heisst: «Die Schuld kann nicht amortisiert werden und ich schreibe nur Verluste.»

Als die Anlage im September 2012 ans Netz ging, rechnete Stutz mit Subventionen, der sogenannten Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) für überschüssigen Strom. Aufgrund der Grösse seiner Anlage ging er von 31 Rappen pro Kilowattstunde aus: «Mein Projekt wäre in acht Jahren amortisiert gewesen.»

Bund streicht Warteliste rückwirkend

Der Haken: Für die KEV bestand schon damals eine lange Warteliste. Stutz war klar, dass er sich Jahre auf die Beiträge gedulden muss. Dann aber kam das neue Energiegesetz, das die Schweizer am 21. Mai 2017 annahmen. Mit den neuen Regeln wurde die KEV-Warteliste rückwirkend gestrichen. Kleine Anlagen auf der Liste, deren Leistung unter 100 Kilowatt liegt, erhalten stattdessen nur noch einen einmaligen Beitrag von rund einem Drittel der Baukosten.

Die Schweiz hinkt hinterher

Nach der Kernschmelze im japanischen AKW Fukushima im März 2011 kündigte Bern den nationalen Atomausstieg an. Sechs Jahre später war es so weit. Das neue Energiegesetz wurde vom Volk beschlossen. Seit Anfang 2018 sind die Regeln in Kraft. Nun zeigt aber der europäische Vergleich: Andere Länder sind deutlich schneller bei der Förderung ökologischer Energien. Gerade bei der Solarstromproduktion dümpelt die Schweiz auf den mittleren Rängen vor sich hin (siehe Grafik).

Die Zahlen beziehen sich auf eine aktuelle Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). Zum Vergleich: Pro Kopf produziert die Schweiz jährlich 190 Kilowattstunden Solarstrom, in Deutschland sind es 483, in Italien 416 Kilowattstunden. Dieser Vorsprung liegt nicht am Sonnenschein – selbst das nördlicher gelegene Belgien hat mit 277 Kilowattstunden die Nase vorn. 

SES-Projektleiter Felix Nipkow (40) sieht die Probleme in der Politik: «Diese hat die Solarenergie jahrelang blockiert.» Aus seiner Sicht ist das nicht gerechtfertigt: «Mittlerweile ist Solarenergie die billigste Art, Strom zu produzieren.»

Deshalb findet er es nicht sinnvoll, dass das System der sogenannten Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) ausläuft und für die neuen einmaligen Vergütungen lange Wartefristen gelten: «Das ist für Investoren frustrierend. Viele überlegen es sich anders.»

Dabei wäre der Zeitpunkt für neue Solaranlagen laut Nipkow gerade besonders günstig: «Die Preise fielen in den letzten zehn Jahren um das Zehnfache. Davon könnte die Schweiz profitieren. Dazu braucht es aber ein marktnahes System, das Solaranlagen effizient fördert.»

Nach der Kernschmelze im japanischen AKW Fukushima im März 2011 kündigte Bern den nationalen Atomausstieg an. Sechs Jahre später war es so weit. Das neue Energiegesetz wurde vom Volk beschlossen. Seit Anfang 2018 sind die Regeln in Kraft. Nun zeigt aber der europäische Vergleich: Andere Länder sind deutlich schneller bei der Förderung ökologischer Energien. Gerade bei der Solarstromproduktion dümpelt die Schweiz auf den mittleren Rängen vor sich hin (siehe Grafik).

Die Zahlen beziehen sich auf eine aktuelle Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). Zum Vergleich: Pro Kopf produziert die Schweiz jährlich 190 Kilowattstunden Solarstrom, in Deutschland sind es 483, in Italien 416 Kilowattstunden. Dieser Vorsprung liegt nicht am Sonnenschein – selbst das nördlicher gelegene Belgien hat mit 277 Kilowattstunden die Nase vorn. 

SES-Projektleiter Felix Nipkow (40) sieht die Probleme in der Politik: «Diese hat die Solarenergie jahrelang blockiert.» Aus seiner Sicht ist das nicht gerechtfertigt: «Mittlerweile ist Solarenergie die billigste Art, Strom zu produzieren.»

Deshalb findet er es nicht sinnvoll, dass das System der sogenannten Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) ausläuft und für die neuen einmaligen Vergütungen lange Wartefristen gelten: «Das ist für Investoren frustrierend. Viele überlegen es sich anders.»

Dabei wäre der Zeitpunkt für neue Solaranlagen laut Nipkow gerade besonders günstig: «Die Preise fielen in den letzten zehn Jahren um das Zehnfache. Davon könnte die Schweiz profitieren. Dazu braucht es aber ein marktnahes System, das Solaranlagen effizient fördert.»

Besonders schlecht sieht es für Anlagen aus, die nach dem Juni 2012 für die KEV angemeldet wurden. Darunter fallen die Solarpanels von Stutz: «Mir nützt die einmalige Vergütung nichts. Das Drittel an die Baukosten funktioniert nur bei günstigen Anlagen.» Er betont: «Selbst wenn ich irgendwann das Geld erhalte, mache ich Verlust. Die Bank verzichtet nicht auf Amortisation und Zins.»

Stutz schiebt Schuld auf Konzernlobbying

Hinzu kommt, dass selbst für die einmalige Vergütung wieder eine lange Warteliste existiert. Aktuell hoffen 17'297 kleine und 4300 grosse Anlagen auf Geld. Das stösst Stutz sauer auf: «Im KEV-Fonds ist genügend drin. Trotzdem werden Solaranlagen blockiert.» Für ihn ist klar: «Das verdanken wir dem Lobbying grosser Energiekonzerne.»

Anderer Meinung ist man beim Bundesamt für Energie (BFE). «Mit der Energiestrategie 2050 stehen zwar mehr Mittel zur Verfügung, diese sind aber begrenzt», sagt Sprecherin Sabine Hirsbrunner zu BLICK. Und: «Sie reichen nicht, um alle Anlagen mit der KEV zu fördern.»

Warteliste keine Garantie

Laut BFE war ein Platz auf der KEV-Warteliste nie eine Garantie dafür, dass man die Beiträge auch erhält: «Es durften immer nur jene Personen damit rechnen, die einen positiven Entscheid erhalten haben. Das haben wir transparent kommuniziert.»

So funktioniert eine Solaranlage

Solaranlagen gelten als besonders ökologisch, denn sie verursachen keine Abgasemissionen. Die Anlage wandelt die Strahlungsenergie von Licht in nutzbaren Strom um. Sonnenlicht besteht aus winzigen Energieträgern, den Photonen. Treffen diese auf das Silizium, aus dem die meisten modernen Solaranlagen bestehen, werden negativ geladene Elektronen freigesetzt. Es entsteht Gleichstrom, der im Richter zu Wechselstrom umgewandelt wird. So lässt sich der Strom ins öffentliche Netz einspeisen. 

Energiefeindliche Herstellung der Panels

Solaranlagen stehen dennoch in der Kritik, weil bei der Herstellung viel Energie benötigt wird – die sogenannte graue Energie. Bei neuen Anlagen ist dieser Anteil aber stark gesunken. Mittlerweile sind die Anlagen so konzipiert, dass sich die Panels bereits nach rund eineinhalb Jahren energetisch amortisieren. 

Solaranlagen gelten als besonders ökologisch, denn sie verursachen keine Abgasemissionen. Die Anlage wandelt die Strahlungsenergie von Licht in nutzbaren Strom um. Sonnenlicht besteht aus winzigen Energieträgern, den Photonen. Treffen diese auf das Silizium, aus dem die meisten modernen Solaranlagen bestehen, werden negativ geladene Elektronen freigesetzt. Es entsteht Gleichstrom, der im Richter zu Wechselstrom umgewandelt wird. So lässt sich der Strom ins öffentliche Netz einspeisen. 

Energiefeindliche Herstellung der Panels

Solaranlagen stehen dennoch in der Kritik, weil bei der Herstellung viel Energie benötigt wird – die sogenannte graue Energie. Bei neuen Anlagen ist dieser Anteil aber stark gesunken. Mittlerweile sind die Anlagen so konzipiert, dass sich die Panels bereits nach rund eineinhalb Jahren energetisch amortisieren. 

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