Alles spricht gegen ihn. Die Vorstrafe. Seine DNA-Spur am Tatort. Belastungsmaterial, das bei Hausdurchsuchungen gesammelt wurde. Doch Rolf S.* (76) bleibt dabei: «Ich bin nicht der Hydranten-Killer und nicht der Migros-Erpresser!»
Der Bauer aus Horgen ZH will weder zwischen 2011 und 2015 die sechs Hydranten in Zürich manipuliert und in die Luft gejagt haben, noch habe er etwas mit der Erpressung der Migros Ostschweiz vom 22. August bis 1. September 2016 zu tun. Auch das Schliessfach im Bahnhof Zürich-Enge habe er am 1. Mai 2016 nicht gesprengt. Genauso wenig sei er es gewesen, der seinem Nachbarn Mitte Mai 2013 nach einem Streit Klebstoff in die Schlösser von dessen Büros gespritzt habe.
Er sei immer das Opfer und nicht der Täter, sagt Rolf S. BLICK in der Verhandlungspause. Der sogenannte Hydranten-Killer und Migros-Erpresser sei ganz jemand anderes. Indizien hin, Indizien her – und seien diese noch so erdrückend.
Angeklagter: «Jemand hat meine DNA am Tatort platziert»
Gelassen sitzt der Senior im grauen Anzug mit Schlips und Pulli auch auf der Anklagebank. Weit zurückgelehnt im Stuhl. Er spricht langsam und deutlich. Jedes Wort sitzt und betont seine Unschuld. Der Richter des Bundesstrafgerichts in Bellinzona TI beisst mit Fragen, nochmals Fragen und weiteren Nachfragen auf Granit.
Ein Beispiel. Im Schliessfach sei eine Schnur mit der DNA des Angeklagten gefunden worden. Was Rolf S. dazu sage, will der Richter wissen. «Die hat jemand absichtlich dort platziert, um die Polizei auf die falsche Fährte zu führen», antwortet der Bauer. Genauso sei es mit der DNA-Spur auf dem Adressen-Etikett des Erpresser-Schreibens an Herbert Bolliger, damals Präsident der Migros-Generaldirektion, an den die Forderung nach 210'000 Euro (rund 237'000 Franken) über die interne Post zugestellt wurde.
Drohung, vergiftete Ware in Geschäften auszulegen
Die Drohung lautete damals: Lösegeld oder ich lege in verschiedenen Geschäften vergiftete oder verdorbene Ware aus. Der Brief endete mit dem Satz in arabischer Schrift: «Irak Spezial Total Allah». Ein Mitarbeiter der Migros sollte auf dem Autobahn-Rastplatz St. Margrethen SG aus einem Mülleimer weitere Handlungsanweisungen herausziehen. Zudem sollte die Migros im «St. Galler Tagblatt» ein Inserat mit dem Text «MM sucht Frau, offen für alles, 666» aufgeben. Er lese das Tagblatt gar nicht, sagt Rolf S. im Gerichtssaal und er habe gar nicht gewusst, wer dieser Herbert Bolliger überhaupt sei.
Für Anklage ist der Fall eindeutig
Für den Bundesanwalt Johannes Rinnthaler hingegen gibt es keine Zweifel: Rolf S. hat die Hydranten und das SBB-Schliessfach gesprengt. Er hat die Migros erpresst und die Büro-Schlösser seines verhassten Nachbarn verklebt. In seinem Plädoyer weist Johannes Rinnthaler auf einen Dauerstreit mit der Gemeinde Horgen hin, der seit dem Jahr 2000 anhält. Bereits 2012 sei Rolf S. wegen Sprengstoff-Anschlägen auf 13 Hydranten im Ort zu zehn Monaten bedingt verurteilt worden.
Für den Bundesanwalt hat Rolf S. nur ein Motiv: Rache gegen die Mächtigen. Erst gegen die Gemeinde, dann gegen die Migros und die SBB. Er fordert ein Strafmass von 42 Monaten unbedingt, der die auf Bewährung ausgesetzten zehn Monate des Zürcher Obergerichts hinzuzufügen wären. Die Verteidigung hingegen fordert die Einstellung des Verfahrens. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Das Urteil wird nicht vor dem 18. Dezember erwartet.
* Name geändert
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