Zehn Tage nach dem Terroranschlag in Barcelona konzentrieren sich die Ermittlungen der spanischen Polizei auf Abdelbaki Es Satty (†45). Der Imam soll im Geheimen eine Gruppe von jungen Radikalen indoktriniert haben: elf Marokkaner, in Spanien aufgewachsen, bereit zu töten.
Fanatische Prediger, die junge Secondos mit ihrem Hass vergiften, sind auch in der Schweiz aktiv. Oft reisen die Islamisten aus der Türkei, dem Kosovo, Bosnien oder Mazedonien an. Sie pflegen enge Kontakte zu hiesigen Moscheebetreibern und befeuern die Feindschaft gegen Andersgläubige. Ergebnis: Ein Teil der Muslime schottet sich ab. In Hinterzimmern von Basel bis Brig, von Genf bis ins Appenzellische entsteht eine Parallelwelt, die von den Behörden nur schwer zu kontrollieren ist.
Türkei steuert und finanziert fast 50 ultrakonservative Imame
Das dichteste Netz von Scharfmachern hat die Türkei gespannt. Über die türkisch-islamische Stiftung Diyanet steuert und finanziert das Religionsministerium in Ankara knapp 50 ultrakonservative Imame in der ganzen Schweiz. Unklar ist, wie viel Geld der Stiftung zur Verfügung steht. Recep Tayyip Erdogans Mission hingegen ist klar. Bereits 1998 zitierte der heutige Präsident ein Gedicht: «Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.»
Zu Soldaten sollen schon die Kleinsten werden. In Ferienlagern vermitteln ihnen Abgesandte aus der Türkei islamistische Propaganda und die Idee eines neuen osmanischen Grossreichs.
Neben türkischen Imamen üben in der Schweiz vor allem Prediger vom Balkan Einfluss aus. Auch sie haben die Jüngsten im Visier: In einer bosnischen Koranschule in Oberentfelden AG lernen schon Sechsjährige den Koran auswendig.
Die Bosnien-Connection
Aus Bosnien reisen auch immer wieder militante Prediger an. Prominentester Gast: Bilal Bosnic. Wie Youtube-Videos dokumentieren, referierte er wiederholt in einer Moschee in Wallisellen ZH. In seinen Reden ruft der Mann mit dem schmalen Gesicht und dem langen Bart zur Zerstörung der USA auf und singt Lieder wie: «Mit Sprengstoff an unserer Brust ebnen wir den Weg ins Paradies.»
Heute sitzt Bosnic im Gefängnis. Grund: Er hat öffentlich zu terroristischen Aktivitäten aufgerufen und Kämpfer für den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak rekrutiert.
Ebenfalls in der Walliseller Moschee nahm der Kosovare Idriz Bilibani alias Abu Usama an Seminaren teil. In Vorträgen hetzte er gegen die «Feinde Allahs» und riet seinen Anhängern in der Schweiz, nur noch mit gläubigen Muslimen zu verkehren.
Die Auftritte der beiden Islamisten sind keine Einzelfälle. Auch viele albanische Moscheen sind eng mit Salafisten vom Balkan verknüpft. In den letzten Jahren traten mehrere Dutzend radikale Prediger in der Schweiz auf – besonders häufig in Zürich-Altstetten, Regensdorf ZH und Aarburg AG.
«Bei uns nicht willkommen»
Die Besuche wurden meist von Mitgliedern der Union Albanischer Imame eingefädelt. Deren Präsident Nehat Ismaili jedoch bestreitet die Nähe zu Radikalen. Er sagt: «Personen, die des Extremismus verdächtigt werden, sind bei uns nicht willkommen.»
Entgegen allen Beteuerungen hat Ismaili wiederholt in Saudi-Arabien ausgebildete Salafisten in die Schweiz eingeladen, zuletzt den Kosovaren Shefqet Krasniqi. Wegen seiner Radikalität war er als Imam der Grossen Moschee von Pristina entlassen worden. Im September 2014 wurde er im Kosovo verhaftet. Die Justiz warf ihm Gefährdung der Verfassungsordnung, Aufruhr und religiöse Hasspredigten vor.
Für die Islamkritikerin Saïda Keller-Messahli (60) ist klar: «Die Schweiz ist eine Drehscheibe radikaler Imame.» Am 5. September erscheint ihr neues Buch über islamistische Netzwerke. Darin beschreibt sie, wie Wanderprediger aus ganz Europa ins Land kommen, um Hass zu schüren. Sie warnt: «Die riesige Mehrheit der moderaten Muslime hat viel zu verlieren.» Das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in sie werde durch die Islamisten völlig zerstört.
Keller-Messahli: «Sie mobilisieren feindselige Gefühle»
Keller-Messahli geht noch weiter. Sie ist überzeugt, dass die ausländischen Prediger und ihre Gastgeber den Boden für Gewalt legen. «Auch wenn diese nicht direkt zu Gewalt aufrufen, mobilisieren sie bei ihren Zuhörern Gefühle der Feindseligkeit, was letztendlich in dschihadistischen Aktionen enden kann.»
Die Behörden, so die Islamkritikerin, sollten endlich begreifen, dass Terror und Islam zusammenhängen. «Wir dürfen uns nicht davor drücken, hart durchzugreifen», sagt sie.
Hart durchzugreifen, haben die spanischen Behörden versäumt. Es Satty, der Terror-Imam von Barcelona, war der dortigen Polizei längst bekannt. Nach einer Gefängnisstrafe wegen Drogenhandels hätte er 2015 nach Marokko ausgewiesen werden sollen.
Dann stoppte ein Richter die Abschiebung. Er befand, dass der Imam keine «ausreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung» darstelle. Ein tödlicher Fehler.
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