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Grundrechte in Gefahr
Uno kritisiert Anti-Terror-Gesetz der Schweiz

Fünf UN-Sonderberichterstatter mischen sich in die Debatte um die vom Bundesrat geplanten Massnahmen gegen Gefährder ein. Sie befürchten, dass diese die Menschenrechte verletzen.
Publiziert: 30.05.2020 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2020 um 09:11 Uhr
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Der Bundesrat will schärfere Instrumente für den Kampf gegen potenzielle Terroristen schaffen.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Eberhard

Der Bundesrat will schärfere Instrumente im Umgang mit potenziellen Terroristen – und nimmt dafür erhebliche Eingriffe in Grund- und Menschenrechte in Kauf.

In einem Gesetzentwurf schlägt er dem Parlament vor, dass die ­Polizei im Kampf gegen Islamisten, Links- und Rechtsextreme massiv mehr Möglichkeiten erhält. So ­sollen schon Minderjährige unter Hausarrest gestellt werden dürfen – und zwar bei blossem Verdacht.

Präventiv inhaftiert

Die geplanten Massnahmen stossen auf Kritik bis hinein ins bürgerliche Lager. Der Ständerat hat das Gesetzespaket trotzdem bereits durchgewinkt; Mitte Juni entscheidet der Nationalrat. Brisant: Die nationalrät­liche Sicherheitskommission will das ­Anti-Terror-Gesetz sogar noch verschärfen. Neu sollen sogenannte Gefährder präventiv inhaftiert werden können. Personen also, die keine Straftat begangen haben, denen der Nachrichtendienst des Bundes sie aber zutraut. Beweise dafür braucht es nicht.

Kurz vor der Debatte im Nationalrat mischen sich nun die Vereinten Na­tionen ein. In einem 16-seitigen Brief, der seit Mitte Woche in ­Karin Keller-Sutters Justizdepartement auf dem Tisch liegt, geht die Uno mit der Schweiz hart ins ­Gericht – und fordert den Bund zu einer Stellungnahme auf.

Uno-Topleute unterschrieben den Brief

Unterzeichnet ist das Schreiben gleich von fünf Uno-Topleuten, darunter Ahmed Shaheed, UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit, Fionnuala Ní ­Aoláin, Sonderberichterstatterin für den Schutz der Menschenrechte und Nils Melzer, Sonderberichterstatter für Folter.

Sie alle warnen vor dem geplanten Gesetz. So sei vieles schwammig und unpräzise formuliert; dies öffne willkürlichen Freiheitsent­zügen Tür und Tor. Die Sonder­berichterstatter warnen: «Wir befürchten, dass die Anwendung ­dieses Gesetzes zu erheblichen Verletzungen der Menschen- und Grundrechte führt.» In der heu­tigen Form seien die geplanten ­Anti-Terror-Massnahmen weder mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar noch mit der UN-Kinderrechtskon­ven­tion.

Amnesty befürchtet Gesinnungsjustiz

Das ist eine für Uno-Verhältnisse aussergewöhnlich scharf formulierte Kritik. Und Wasser auf die Mühlen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty Interna­tional. Diese warnen seit Monaten vor Gesinnungsjustiz und einem massiven Schaden für den Rechtsstaat.

Dass die Kritik nicht unbegründet ist, zeigte vor kurzem ein Gutachten, das die Kantone zusammen mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement in Auftrag geben hatten. Ausgerechnet jenes Departement also, das den Gesetzesentwurf schliesslich ausgearbeitet hat.

Gutachten warnt vor Verletzung der Menschenrechte

In der Expertise warnt Rechtsprofessor Andreas Donatsch vor einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Demnach genüge es nicht, dass eine Verdächtiger als gefährlich eingestuft werde, um den Betreffenden einzusperren oder Hausarrest zu verhängen, da auch dieser eine Form des präventiven Freiheitsentzugs sei.

Der Aargauer Nationalrat Beat Flach (GLP) kämpft im Parlament an vorderster Front gegen die geplanten Massnahmen. Er sagt: «Das Gesetz verstösst wohl gegen die verfassungsmässigen Grundrechte.» Ein liberaler Rechtsstaat könne Menschen mit verrückten Meinungen nicht einfach präventiv einsperren. Auch dann nicht, wenn sie demokratiefeindlich seien.

Die Luzerner Nationalrätin Ida Glanzmann (CVP) hält die Kritik für übertrieben: «Die Gesetze sind gut austariert.» Niemand werde für extreme Meinungen eingesperrt. Wolle die Schweiz Terrorismus effektiv bekämpfen, brauche es dieses Gesetz. Und das möglichst bald.

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