Kirchenskandal im Kanton Graubünden: Bischof Vitus Huonder zeigt den Priester von Sedrun an. Dieser soll eine Frau belästigt haben. Erst seit März 2017 arbeitete der Priester als Pfarradministrator in Sedrun in der Gemeinde Tujetsch. Jetzt sitzt der Kirchenmann in U-Haft.
Der Bischof habe «nach einem Hinweis auf eine mutmasslich strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität einer erwachsenen Person» gehandelt, schreibt das Bistum auf seiner Homepage.
Erwachsene Frau sexuell belästigt
BLICK weiss: Beim Priester handelt es sich um den deutsch-nigerianischen Doppelbürger Nneka P.*, der seit März 2017 in Sedrun GR angesiedelt ist. Davor war er in Paderborn (Deutschland). In Bonn hat er Theologie studiert.
Der Priester soll eine erwachsene Frau sexuell belästigt haben. Sie habe den Vorfall dem Bischof gemeldet.
P. befindet sich seit letzter Woche in Untersuchungshaft, wie Bruno Ulmi Stuppani, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Graubünden, auf Anfrage erklärte. Bei der Anzeige des Bischofs von Chur geht es um «Vorwürfe aus dem Sexualstrafbereich». Für den Verhafteten gilt die Unschuldsvermutung.
Eine langjährige, enge Vertraute aus Nnekas Gebetskreis in Deutschland sagt unter Tränen zu BLICK: «Ich bin schockiert, ich bin sprachlos. Das geht mir ans Herz. Ich kenne ihn gut. Wir haben in Deutschland intensiv zusammen gearbeitet. Und auch jetzt, wo er in der Schweiz ist, pflegen wir eine enge Zusammenarbeit. Er ist ein wunderbarer katholischer Priester. Ich schätze ihn sehr. Ich kann kein schlechtes Wort über ihn sagen. Ich bin überzeugt, die Vorwürfe gegen ihn sind falsch. Jemand möchte aus irgendeinem Grund seinen Ruf zerstören. Für mich ist es unvorstellbar, dass er jemand sexuell belästigt haben soll. Diese Anschuldigung ist meiner Meinung nach ein Angriff auf die Priester und die katholische Kirche.»
«Keine negativen Erfahrungen mit ihm»
In Sedrun sind die Gläubigen verunsichert. Ein Kirchengänger sagt zu BLICK: «Wir erfuhren in der Kirche an der Pfingst-Messe, dass unser Pfarrer nicht mehr für uns da sein darf. Wir kamen uns wie im falschen Film vor. Das kam total überraschend.» Statt Nneka P. hielt der Pater von Disentis die Predigt. «Wir fragten uns, ist unser Pfarrer etwa in den Ferien?» Am Ende las der Ersatz-Pater eine kurze Mitteilung vom Bischof vor. Es hiess aber nur, es gäbe ein Problem mit dem Pfarrer. Und er sei per sofort freigestellt. Man habe einfach die Anweisung von oben bekommen, den Mann zu entlassen. «Der Pfarrer war kompetent und beliebt. Er hatte keine Feinde im Dorf», sagt der Kirchengänger. «Es gibt keine negativen Erfahrungen mit ihm. Er ist eher liberal in der Gesinnung. Und ein offener Diskussionspartner in Sachen Theologie.» Die Leitung der Kirchgemeinde hatte bisher keine Ahnung, warum der Administrator der Pfarrei verhaftet wurde.
«Das war wie ein Schlag vor den Kopf»
Eine andere Dorfbewohnerin meint jedoch: «Er ist ein komischer Typ. Man verstand ihn kaum, wenn er predigte, da er immer wieder auf Nigerianisch sprach. Für uns Menschen aus Sedrun ist es eine traurige Sache. Vor allem die alten Leute vertrauten dem Pfarrer. Jetzt wurden sie vom Pfarrer hintergangen. Sedrun muss sich schämen – sofern die Anschuldigungen wahr sind.»
Die Leitung der Kirchgemeinde hatte bisher keine Ahnung, warum der Administrator der Pfarrei verhaftet wurde. BLICK weiss, dass die einzige Frau im Leben des Pfarrers eine Deutsche mit einem Kind ist. Sie habe ihn gelegentlich im Pfarrhaus besucht. Ob sie ihn angezeigt hatte, weiss man im Dorf nicht.
Die Verhaftung des Priesters kam für die Kirchgemeinde offenbar überraschend, wie Arthur Caduff, Präsident der Pfarrei Tujetsch**, zur Zeitung «Südostschweiz» sagte. «Das war wie ein Schlag vor den Kopf. Wir wissen gar nichts», wird Caduff von der Zeitung zitiert. (nl/mcb/man)
* Name geändert
**Tujetsch ist eine politische Gemeinde, zu der elf Fraktionen gehören. Darunter das Dorf Sedrun.