S. G.* (44) aus Aeschiried BE hat Probleme. Gesundheitliche – er ist hörbehindert und leidet seit Jahren an schwerer Diabetes. Und finanzielle: kein Job, kein geregeltes Einkommen und Schulden, die er für Musikinstrumente aufgenommen hat und dringend zurückzahlen muss.
G.s einzige Hoffnung: seine Trompete. Trotz Hörbehinderung ist der Berner ein leidenschaftlicher Musiker. Tritt an Hochzeiten auf, macht bei Wettbewerben mit und ist dabei sehr erfolgreich. Doch zum Leben reicht die Musik nicht.
«Niemand gäbe mir einen Kredit»
Seine finanzielle Situation hat sich vergangenen Herbst dramatisch zugespitzt. Ein Gläubiger verlangte von ihm die sofortige Rückzahlung seiner Schulden. Drohte mit der Betreibung. «Doch von wo sollte ich das Geld nehmen? Ich bin arbeitslos und verschuldet – keine Bank gibt mir je einen Kredit», sagt er. Und hat recht.
In seiner Verzweiflung googelt G. darum im Internet nach Hilfe und stösst am Ende auf die verhängnisvolle Kombination «Kredit trotz Betreibung». Und findet unzählige Firmen, die Hilfe anbieten. Sie heissen Finanz Agentur AG, Kreditor AG, Harow AG – die Liste liesse sich fast unendlich verlängern. Sie alle versprechen: Hier gibt es Geld, trotz negativer Bonität.
«Plötzlich hatte ich wieder Hoffnung», sagt er. Und füllt online bei der Finanz Agentur AG einen Antrag aus. Keine 48 Stunden später kommt bereits die frohe Botschaft: «Ihr Antrag auf Finanzsanierung wurde geprüft und vom durchführenden Institut verbindlich genehmigt.» Es sind Worte, die ihm einen Stein vom Herzen fallen lassen.
Einziger Wermutstropfen: «Wir erlauben uns, hiermit die vereinbarte Servicegebühr für die garantierte Vermittlung der genehmigten Finanzsanierung in Rechnung zu stellen.» Kostenpunkt: 2200 Franken. Erst danach werde der Vertrag aktiviert.
Tausende Franken Vorleistung
Der Musiker leiht sich dieses Geld von einem Bekannten und überweist es der Internetfirma. Doch die zahlt den Kreditbetrag nicht aus. Stattdessen meldet sich eine neue Firma. Denn die Finanz Agentur AG hat den Kreditantrag lediglich an die Centurio AG vermittelt. Und die bestätigt in einem Brief, den Kredit «ganz verbindlich» auszahlen zu können. Doch dafür sei erst eine Sicherheitszahlung in Höhe von 3900 Franken nötig.
G. leiht sich also nochmals Geld. Nur, um dann in einem weiteren Schreiben darüber informiert zu werden, dass er mit der Ratenzahlung à 800 Franken beginnen solle. Der Kredit werde dann umgehend freigegeben. Er zahlt zwei Monatsraten ein – «bis es dann auch mir endlich dämmerte: Ich werde abgezockt». Den Kredit hat er nämlich nie bekommen. Dafür rund 8000 Franken verloren.
Heute weiss er: «Ich war dumm und hätte kritischer sein müssen. Doch in meiner Verzweiflung und ausweglosen Situation gaben mir die Angebote im Internet viel Hoffnung.»
Die Betrüger kennen jeden Kniff
Die Masche ist in der Schweiz weitverbreitet. Und die Kredithaie kennen jeden Kniff. Einerseits die Homepages, die aufwendig gebaut sind und sehr professionell aussehen. Andererseits die Wortwahl: Nie bieten sie einen Kredit an – sondern immer nur eine «Schuldensanierung».
Und sie sorgen dafür, dass potenzielle Opfer bei ihrer Internetrecherche nicht misstrauisch werden. Etwa mit gefälschten Konsumentenschutzseiten. Eine davon: schuldenforum.ch. Betrieben wird sie von Eugen Bareis (68), einem Deutschen, der selber mehrere Finanzfirmen hat. Nebst Tipps, wie man Schulden in den Griff kriegt («Sparen!»), werden auf schuldenforum.ch Firmen empfohlen, bei denen man trotz Verschuldung Kredit aufnehmen kann.
Bei der Finanzmarktaufsicht Finma kennt man das Problem mit den Kredithaien. Sie warnt vor solchen «Scheinlösungen», sagt Mediensprecher Vinzenz Mathys zu BLICK: «Die versprochenen Kredite für die Abtragung der Schulden werden nie ausbezahlt.»
In einer Warnliste macht die Finma auf die Falle aufmerksam. Auch die Centurio AG, die S. G. über den Tisch gezogen hat, ist darauf vermerkt. Doch mehr kann die Finma nicht tun. Meistens gibt es keine aufsichtsrechtlichen Berührungspunkte, da die Gesellschaften selbst eben keine Kredite vergeben und damit nicht in die Zuständigkeit der Finma fallen. Und den Tatbestand des Vorschussbetrugs müssten Strafbehörden verfolgen.
Erschüttert über Skrupellosigkeit
Der Musiker muss nun mit zwei Dingen fertig werden. Da ist sein finanzielles Chaos, das nun noch grösser geworden ist und ihm den Schlaf raubt. «Und zudem die bittere Erfahrung, dass es so skrupellose Menschen gibt, die sogar jemanden mit Geldproblemen ganz bewusst übers Ohr hauen.» Jetzt überlegt er gar, seine Trompeten zu verkaufen, um wenigstens das geliehene Geld für die Internetabzocker zurückzahlen zu können. «Ein Schritt, der mir unvorstellbar wehtut.»
Das Angebot tönt verlockend: Mit einem einzigen Kredit viele Gläubiger gleichzeitig ruhigstellen. Bloss: Damit werden die Schulden nur noch höher! Die Schuldenberatung der Caritas Schweiz warnt darum. «Bei akuten Geldproblemen sollten neue Schulden vermieden werden. Darum sollte man auch keinen Kredit aufnehmen, um alte Schulden zu begleichen», so Martin Abele, Leiter der Fachstelle Schuldenberatung. Die Kreditvergabe an Personen mit negativer Bonität ist zudem verboten.
Eine seriöse Schuldensanierung braucht vor allem Zeit – und sie tut weh. «Wichtig ist, dass Verschuldete nicht zu lange warten und sich Hilfe bei Schuldenberatungsstellen holen», sagt Abele weiter. Die sollten aber zwingend zum Dachverband der Schuldenberatungsstellen gehören. Zu finden sind sie unter www.schulden.ch. Dort erarbeite man dann einen Sanierungsplan – «der im Normalfall auf einen Zeitraum von 36 Monate ausgelegt ist».
Das Angebot tönt verlockend: Mit einem einzigen Kredit viele Gläubiger gleichzeitig ruhigstellen. Bloss: Damit werden die Schulden nur noch höher! Die Schuldenberatung der Caritas Schweiz warnt darum. «Bei akuten Geldproblemen sollten neue Schulden vermieden werden. Darum sollte man auch keinen Kredit aufnehmen, um alte Schulden zu begleichen», so Martin Abele, Leiter der Fachstelle Schuldenberatung. Die Kreditvergabe an Personen mit negativer Bonität ist zudem verboten.
Eine seriöse Schuldensanierung braucht vor allem Zeit – und sie tut weh. «Wichtig ist, dass Verschuldete nicht zu lange warten und sich Hilfe bei Schuldenberatungsstellen holen», sagt Abele weiter. Die sollten aber zwingend zum Dachverband der Schuldenberatungsstellen gehören. Zu finden sind sie unter www.schulden.ch. Dort erarbeite man dann einen Sanierungsplan – «der im Normalfall auf einen Zeitraum von 36 Monate ausgelegt ist».