Gerichts-Psychiater zum Drama in Pfäffikon ZH
Wie wird ein Kind zum Vatermörder?

Tragisches Ende einer Vater-Sohn-Beziehung in Pfäffikon ZH: B.L. (†67) liegt tot in seiner Wohnung – umgebracht von seinem eigenen Sohn. «Hier kämpften zwei Männer um ihre Position», sagt der forensische Psychiater Thomas Knecht.
Publiziert: 02.04.2015 um 15:05 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 08:40 Uhr
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Stephan L. (19) wohnte allein mit seinem Vater in der Wohnung.
Von Alexa Scherrer

Am Dienstag tötet der 19-jährige S.L. in Pfäffikon ZH seinen Vater (†67). Wie und warum ist unklar. Doch der Lehrling stellt sich, ruft von sich aus bei der Polizei an. «Der Vater hatte Probleme mit seinem Sohn. Er war immer sehr streng mit ihm», sagt eine Nachbarin.

Doch welche Verzweiflung und welcher Hass müssen den jungen Mann zu dieser Tat getrieben haben? Blick.ch hat mit Thomas Knecht, Forensiker im Psychiatrischen Zentrum Appenzell Ausserrhoden, darüber gesprochen.

Was muss in einem Sohn vorgehen, der seinen eigenen Vater tötet?
Thomas Knecht:
Das, was ich vom Fall weiss, spricht eher gegen eine schwerwiegende pathologische und psychotische Ursache. Hier kämpften zwei Männer um ihre Positionen. Es scheint sich um einen Konflikt zu handeln, der aus einer Abhängigkeits-Situation mit grossem Macht-Gefälle entstanden ist. Der Sohn ist noch nicht selbstständig und deshalb abhängig von seinem Vater, auch wirtschaftlich. Der Konflikt um Freiräume und um die Modalitäten des Zusammenlebens war asymmetrisch: der Vater hält als einziger Elternteil alle Fäden in der Hand, der Sohn ist in einer schwachen Verhandlungsposition.

Psychisch könnte der Sohn also völlig gesund sein?
Natürlich muss bei den Fragen nach Motiv und Umsetzung auch eine psychische Erkrankung berücksichtigt werden. Aber im konkreten Fall muss nichts vorliegen, das krass abnormal ist. Die Tat war wohl nicht kaltblütig geplant. Dafür spricht auch die Tatsache, dass er sich selber gestellt hat. Das ist die natürliche Reaktion nachdem eine Situation derart eskaliert ist. Man kommt zur Besinnung und zeigt Reue.

Woher kommt diese Rivalität zwischen Vater und Sohn?
Dieser Machtkampf ist nicht selten. Innerhalb eines aktuellen Konflikts kann der Vater als Hindernis wahrgenommen werden. Durch unsere kulturellen Umstände bleiben Kinder immer länger zu Hause und somit in der Abhängigkeit der Eltern. Die Eltern-Kind-Rollen bleiben zementiert, aber die eigene Ich-Stärke und der Reife-Zustand des Nachwuchses passt nicht mehr dazu. Dass im Umkehrschluss ein Vater seinen Sohn – also seinen Stammhalter – tötet, ist allerdings exotisch.

Gibt es einen Unterschied, ob ein Sohn seinen Vater oder seine Mutter tötet?
Tötet ein Mann seine Mutter, steht nicht ein Macht-Kampf im Vordergrund, sondern eine unerträgliche emotionale Abhängigkeit. Wird die Mutter getötet, ist die Pathologie grösser, es handelt sich vielleicht sogar um wahnhafte Motive.

Die Mutter von S.L. ist gestorben. Hatte das einen Einfluss?
Gut möglich, dass der Tod der Mutter einen leicht verschärfenden Einfluss hatte. Es war keine Drittperson da, die vermitteln oder trösten konnte. Die Flexibilität ist immer grösser, wenn noch jemand anderes Lösungsvorschläge bringen kann.

Welche Rolle spielt das Alter des Sohnes?
Weltweit belegen Statistiken, dass die Gewaltbereitschaft bei Männern um das 18. Lebensjahr am grössten ist. Das Testosteron erreicht dann einen Höchststand. Das Frontalhirn, das für die Impulskontrolle verantwortlich ist, reift allerdings bis 25 nach. In dieser Zeitspanne ist also viel Power und viel Impulsivität vorhanden – und wenig Selbstbeherrschung- und steuerung.

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