GDK-Präsident Lukas Engelberger (45)
«Müssen uns offenhalten, schärfere Massnahmen anzuordnen»

Der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (45) begrüsst den Eingriff des Bundes. Die Situation habe sich verschärft.
Publiziert: 18.10.2020 um 00:04 Uhr
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Lukas Engelberger ist der oberste Gesundheitsdirektor der Schweiz.
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Sven Ziegler

Lukas Engelberger, Sie haben am Donnerstag den Wunsch geäussert, dass der Bund einheitliche Massnahmen einführt. Weshalb?
Lukas Engelberger:
Die Situation hat sich verschärft, die Frage nach regionalen Differenzierungen stellt sich nicht mehr wie vor ein paar ­Wochen. Bei der Sitzung des GDK-Vorstands am Freitag wurde klar, dass der Wunsch nach einheit­lichen Massnahmen stärker geworden ist. Wir haben ein gesamtschweize­risches Problem. Jetzt braucht es schnell einheitliche Massnahmen.

Warum haben die Kantone nicht einfach selbst einheitliche Massnahmen erlassen?
Die Gesundheitsdirektorenkonferenz kann Empfehlungen er­lassen, am Ende muss allerdings jeder ­Kanton selbst entscheiden. Jeder Gesundheitsdirektor ist Teil seines Regierungsrats, dort werden mögliche Massnahmen diskutiert. Das dauert einige Zeit, und diese Zeit haben wir momentan nicht. Der Bundesrat hat gesamtschweizerisch mehr Macht und kann schneller Massnahmen erlassen. Die Landesregierung hat eine stärkere Strahlkraft, auch was die Kommunikation mit der Bevölkerung angeht. Jetzt braucht es eine starke Kommunikation.

Sind Sie froh, dass der Bund wieder übernimmt?
Ich finde es richtig, dass der Bund wieder verstärkt in die Verantwortung kommt. Wir befanden uns ­lange in einer Situation, in der die Kantone selber entscheiden konnten. Jetzt hat sich das geändert. Ich begrüsse es, dass der Bundesrat jetzt reagieren will.

In den umliegenden Ländern wurden drastische Massnahmen ergriffen, beispielsweise wurden Ausgangssperren erlassen. Sind solche Massnahmen in der Schweiz auch eine Option?
Wir müssen uns offenhalten, je nachdem auch noch schärfere Massnahmen anzuordnen. In der Schweiz haben wir aber eine andere politische Kultur, wir suchen den Mittelweg. Das ist sicher risikobehafteter als andere, drastischere Strategien. Bislang hat unser Weg aber relativ gut funktioniert.

Heute Sonntag werden die Mass­nahmen verschärft. Grossveranstaltungen finden aber weiterhin statt. Ist das der richtige Ansatz?
Grosse Veranstaltungen sind nicht per se gefährliche Veranstaltungen. Allerdings könnte der Moment kommen, wo das Risiko nicht mehr tragbar ist. Beispielsweise könnte das Contact Tracing überfordert werden. Dann müssen die Kantone eingreifen und Grossveranstaltungen untersagen.

Wie besorgt sind Sie über die anstehende Weihnachtszeit? Können Weihnachtsfeste in diesem Jahr überhaupt stattfinden?
Wir schauen besorgt auf die ­Weihnachtsfeste. In Zeiten einer Pandemie sind wir verhältnis­mässig allerdings noch weit weg davon. Wir haben Zeit, die Situa­tion zu entschärfen, damit sie um Weihnachten herum wieder besser aussieht. Im Dezember werden wir kurzfristig entscheiden, was möglich ist. Aus meiner Sicht gibt es ­allerdings ein Minimum an Festi­vitäten, welche wir der Bevölkerung nicht wegnehmen dürfen.

Kann man noch klar von ­Hotspots oder Superspreadern sprechen?
Momentan ist die ganze Schweiz ein Hotspot, wir haben nicht mehr nur einzelne Nester. In diesem Punkt müssen wir die bisherige Strategie kritisch hinterfragen. Wir haben lange damit gerechnet, dass sich das Virus lokal eingrenzen lässt. Allerdings ist unsere Mobil­i­tät in den vergangenen Wochen so stark gestiegen, dass wir es kaum mehr schaffen, das Virus regional einzudämmen.

Was zieht man daraus für Lehren?
Eine mögliche Lehre ist, gesamtschweizerisch früher ­ strengere ­Regeln festzulegen. Allerdings ist es für eine Manöverkritik noch etwas zu früh. Ich denke, dass wir erst in ­einigen Wochen sehen werden, an welchen Punkten wir uns für ein zweites Mal verbessern ­können.

Glauben Sie, dass die Massnahmen reichen?
Die Massnahmen, die jetzt im ­Gespräch sind, reichen meiner ­Ansicht nach momentan. Auf kan­tonaler Ebene braucht es je nach Region weiterführende Massnahmen. Das Contact Tracing aufrechtzuerhalten, ist eine herausfordernde Aufgabe. Zudem werden wieder vermehrt Kontrollen der verschärften Schutzkonzepte stattfinden, auch das ist ein organisatorischer Aufwand. Ob die neuen Regelungen langfristig reichen, wird sich zeigen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

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