Neun von zehn Beizen schreiben rote Zahlen
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Trotz Wiedereröffnung:Neun von zehn Beizen schreiben rote Zahlen

Für die meisten Wirte lohnt sich die Öffnung nicht
Neun von zehn Beizen schreiben rote Zahlen

Restaurants und Gaststätten dürfen wieder öffnen. Doch für die meisten lohnt sich das nicht. Dies zeigt eine grosse Umfrage in der Branche.
Publiziert: 23.05.2020 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2020 um 10:48 Uhr
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Ein Grossteil der Schweizer Gastrobetriebe hat wieder geöffnet.
Foto: keystone-sda.ch
Simon Marti

Seit bald zwei Wochen sind ­Cafés und Restaurants wieder geöffnet – allmählich kehrt ein Stück Normalität ein. Zumindest aus Sicht der Gäste.

Die Gastwirte aber operieren weiterhin im Krisenmodus. Und in den roten Zahlen: Gastrosuisse, der Arbeitgeberverband des Schweizer Gastgewerbes, kontaktierte in den vergangenen Tagen seine Mitglieder und wollte wissen, wie sie sich durchschlagen.

Die Untersuchung, an der sich mehr als 3000 Unternehmen beteiligten, liegt SonntagsBlick vor. Ihr ­Ergebnis: Es steht schlecht um die Branche.

Durchgeführt wurde die Umfrage vom 19. bis 21. Mai. Darin geben die Wirte Auskunft über ihre Er­fahrungen in der Woche nach dem 11. Mai, dem Montag der Wiedereröffnung.

Nicht alle öffnen ihre Türen

Auf den ersten Blick präsentiert sich eine Branche, die zügig ans Werk geht: 87 Prozent der befragten Restaurants und Hotels empfangen wieder Kundschaft. Knapp vier Prozent gaben an, erst dann starten zu wollen, wenn der Bund die Schutzmassnahmen komplett aufhebt. Neun Prozent fassen eine Wiedereröffnung noch im Mai oder Juni ins Auge.

Demnach werden in der Schweiz wieder fleissig Stangen gezapft, Cafés crème serviert und Menüs aufgetischt. Doch die Wirte zahlen dafür eine erstaunlich hohe Zeche: Praktisch flächendeckend resultieren tiefere Umsätze. Beinahe neun von zehn Betrieben (87,3 Prozent) geben an, dass sie derzeit Ver­luste schreiben, nicht einmal 13 Prozent gehen von einem ­Gewinn aus – oder auch nur der ­Deckung ihrer Kosten.

Nicht mal Hälfte des Umsatzes erzielt

Von einem Ausgleich für die Einbussen im Lockdown kann keine Rede sein – was zwei Monate lang an Einnahmen fehlte, wird derzeit nicht kompensiert. Im Schnitt erzielten die Beizen in der untersuchten Woche bis 18. Mai gerade 40,6 Prozent ihres üb­lichen Umsatzes. Auf dem Land ­allerdings fallen die Ergebnisse tendenziell besser aus als in den Städten.

Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (58) fordert deshalb eine zügige Lockerung der Schutz­bestimmungen für das Gastgewerbe. «Die Abstandsregel zwischen den Tischen setzt uns zu enge Grenzen», kritisiert er. «Wir haben grundsätzlich Verständnis für die Massnahmen, die uns der Bund auferlegt. Aber in der Praxis zeigt sich, dass es schier unmöglich ist, unter diesen Auflagen rentabel zu wirtschaften», so Platzer.

Überprüfung der Regeln

Die maximal erlaubte Zahl an Gästen pro Tisch ist auf vier Per­sonen beschränkt, ausgenommen sind Familien mit Kindern. Zwischen den Gruppen ist ein Mindestabstand von zwei Metern vor­geschrieben. Die Aufnahme der Kontaktdaten aller Gäste aber ist – anders als ursprünglich vor­gesehen – nicht Pflicht. Die Sondierung zeigt auch, dass die Kantone diese Regeln durchsetzen: 24 Prozent der Gaststätten wurden im Befragungszeitraum überprüft.

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Weil angesichts der geltenden Abstandsregel weniger Besucher verköstigt werden können, zeitigten die Schutzmass­nahmen einen entsprechenden Rückgang der Kapazität: Über 70 Prozent der Wirte erklären, dass die Anzahl angebotener Sitzplätze um ein bis zwei Drittel tiefer liegt als vor der Corona-Pandemie. Knapp zwei Fünftel aller Gastrobetriebe wissen denn auch nicht, ob sie bei gleich bleibenden Auflagen im Juni noch Gäste bedienen werden.

Restaurant wieder geschlossen

Albin von Euw (43) etwa, Wirt im Restaurant Gemeindehaus in Beringen SH, bilanzierte am Samstag auf blick.ch: «Wir haben nur 28 Prozent vom ­Umsatz von 2019 erwirtschaftet.» Nach einer Woche schloss er sein Restaurant vorläufig ­wieder bis zum 3. August.

Selbst bei rasch fallenden Einschränkungen rechnet Gastrosuisse-Präsident Platzer damit, dass bis zu einem Fünftel aller Schweizer Beizen die Krise nicht überleben. Dass die Branche rund eine Viertelmillion Arbeitnehmer beschäftigt, lässt auf dramatische Folgen für den Arbeitsmarkt schliessen.

Auch deshalb hoffen Platzer und Co. auf eine rasche Anpassung der Massnahmen, wenn sich Vertreter der Branche und des Bundesrats am heutigen Sonntag zum zweiten Tourismusgipfel treffen: Dem Vernehmen nach könnte der Bundesrat nächste Woche die Beschränkung von vier Gästen pro Tisch diskutieren. Aus Sicht der Wirte keinen Tag zu früh.

Insgesamt 3172 Betriebe nahmen an der Befragung des Branchenverbandes Gastrosuisse teil. Diese fand zwischen 19. und 21. Mai online statt und bezog sich auf die Woche zwischen 11. und 18. Mai. Es zeigt sich, dass eine Mehrheit der Restaurants die Preise nicht erhöht. Zugleich schreibt ein Grossteil Verluste.

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