ETH-Studenten unterwegs nach Australien
Die Klugen reisen im Zuge

Nie wieder fliegen hatten sich Giulia Fontana (26) und Lorenz Keysser (22) geschworen. Doch dann wurden sie auf eine Hochzeit eingeladen – nach Sydney. Die grosse Herausforderung: Sind 16'573 Kilometer Luftlinie auch anders zu bezwingen?
Publiziert: 12.07.2018 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2018 um 11:04 Uhr
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Erinnerungsfoto in Moskau: Die beiden ETH-Studenten Giulia Fontana und Lorenz Keysser machen einen Zwischenstopp in der russischen Hauptstadt auf ihrem Weg nach Down Under.
Foto: Zvg
Fabienne Kinzelmann

Die Leitung knackt etwas. Dann steht die Telefonverbindung von Zürich nach Ulaanbaatar. Dort, in der Hauptstadt der Mongolei, sind Giulia Fontana (26) und Lorenz Keysser (22) gerade von einer Stadttour zurück. Die beiden ETH-Studenten schwärmen: «Die Stadt ist schon sehr technologisiert, aber wenn man rausfährt, erlebt man eine ganz andere Kultur.» Ferien macht das Paar nicht. Sie sind auf der Durchreise. Die beiden wollen nach Australien – per Zug.

Wenn Giulia und Lorenz wie geplant Ende Juli an ihrem Reiseziel ankommen, haben sie rund 200 Stunden im Zug und 15 Tage auf einem Frachter verbracht – 16'573 Kilometer Luftlinie von Zürich nach Sydney. Sie sind auf dem fünften Kontinent zu einer Hochzeit eingeladen.

Lange für die Reise gespart

Die beiden Studenten haben für den Trip lange gespart: Rund 4000 Franken kostet er. Zugtickets, die Überfahrt mit dem Frachter, die Hostels, Verpflegung, Reiseversicherung. Dazu Visa für Weissrussland, Russland, die Mongolei, China und Australien.

Nach der Hochzeitsfeier wollen sie unten bleiben. Knapp ein Jahr in Australien arbeiten, so sich die Rückreise verdienen. Wieder im Zug, nicht mit dem Flieger. 

Slow Travelling nennt sich ihr Reise-Stil: langsames Reisen. Reisen über Land und Wasser, keinesfalls per Luft. Ein Luxus, den sich leisten kann, wer nur in Europa Ferien macht – oder sich wie Giulia und Lorenz die Zeit nehmen kann, weil er keine Miete zahlen oder die Familie versorgen muss.

Als Trauzeugin nach Australien

«Wir wissen, dass das ein Privileg ist», so Giulia. Vor zwei Jahren nahm sich die Zürcherin vor, nicht mehr zu fliegen – um die Umwelt zu schützen. Sie weiss: Ein einziger Ferienflug kann das Klima laut WWF stärker aufheizen als ein Jahr lang Auto fahren und das Haus mit Erdöl heizen zusammen.

Ein hehres Ziel. Doch dann wurde Giulia ausgerechnet von ihrer besten Freundin – einer Australierin, die in Zürich lebt und arbeitet – zur Hochzeit nach Sydney eingeladen. Als Trauzeugin. Absagen: unmöglich. Schon im Herbst plante Giulia darum mit ihrem Freund Lorenz, wie sie den weit entfernten Kontinent über Land und Wasser erreichen können. 

Am 16. Juni ging die Reise los. Fünf Tage verbrachten sie in Moskau, bevor es mit der transsibirischen Eisenbahn an den Baikalsee ging. Vier Tage waren sie auf Schienen – dritte Klasse. Ein Klo gab es, aber kein fliessendes Wasser. Dafür Panorama auf Weite, Sümpfe, Birkenwälder. 

Weit im Osten

Auf dem Weg nach Irkutsk, einer Universitätsstadt am Baikalsee, realisierte das Paar zum ersten Mal: Es geht, wir schaffen es bis nach Australien. Am ersten Juli-Wochenende setzten sich die beiden wieder in den Zug, 24 Stunden reisten sie mit der transmongolischen Eisenbahn von Russland nach Ulaanbaatar, sahen in der Steppenlandschaft Pferdeherden über Hügel ziehen. Weit im Osten. Aber noch ist nicht einmal die Hälfte der Reise geschafft. Letztes Ziel auf dem Festland: China und die Hauptstadt Peking.

Von der chinesischen Küste soll es in 15 Tagen mit einem Frachtschiff nach Australien gehen. Ein Frachter ist zwar nicht besonders klimafreundlich, aber der CO2-Ausstoss pro Kopf deutlich geringer als bei einer Flugreise. «Ein Transportschiff fährt im Gegensatz zum Flugzeug ja nicht wegen uns, wodurch wir die Nachfrage kaum beeinflussen», so Giulia.

Nachteil: Frachter richten sich nicht nach Touristen. Die erste Buchung wurde im April einfach gestrichen. Noch ist nicht sicher, ob das Schiff am 15. Juli pünktlich in Qingdao auslaufen wird. Ein Zeit-Puffer ist eingeplant. Denn: Die Hochzeit, auf der sie als Gäste erwartet werden, ist erst Anfang September. Im Gepäck hat das Paar bis dahin das gute Gefühl: «So etwas macht man nur einmal im Leben.»

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