Es war skrupelloser Mord!
20 Jahre Knast für Killer-Schwager

Nach vier Verhandlungstagen fällt das Urteil: Informatiker Michele E. (43) tötete kaltblütig seine Schwägerin Nadia A. (+35). Er muss für lange Zeit hinter Gitter.
Publiziert: 18.05.2018 um 19:06 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:10 Uhr
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In diesem Waldstück hinter der italienischen Grenze wurde am 16. Oktober 2016 die Leiche von Nadia A. gefunden.
Foto: Ti-Press/Francesca Agosta
Myrte Müller

Eiskaltes Verbrechen? Oder Psycho-Drama? Die Gewalttat vom 14. Oktober 2016 in Stabio TI hat zwei Gesichter. Die Fakten sind klar: Michele E. (43) besucht um 19.04 Uhr seine Schwägerin (+35) in ihrem Elternhaus in Stabio TI. Die Lehrerin ist allein. Eine Viertelstunde später ist Nadia A. tot.

Michele E. hat ihr mit einer leeren Bierflasche auf den Kopf geschlagen. Er wickelt seinen grauen Wollschal um ihren Hals und zieht zu – minutenlang. Er steckt den Körper seines Opfers in zwei Mülltüten, verschnürt ihn. Dann fährt er die Leiche im Kofferraum über die italienische Grenze und wirft sie in einem Waldstück aus seinem VW Golf (BLICK berichtete). Das Motiv? Es bleibt ein Rätsel – auch nach vier Tagen Prozess in Lugano TI.

Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich gefordert

Für den Angeklagten Michele E. (43), seine Verteidiger und dem psychiatrischen Gutachter führte ein psychischer Ausnahmezustand zur Tragödie. Für die Staatsanwaltschaft hingegen tötete der Tessiner Informatiker skrupel- und herzlos.

Die Verteidigung fordert 15 Jahre Haft. Die Staatsanwältin will lebenslänglich. Heute, um 17.40 Uhr, verkündet Richter Amos Pagnamenta das Urteil: 20 Jahre Knast für den Killer-Schwager! 

Angeklagter zeigt keine Emotionen

Der Informatiker nimmt den Urteilsspruch mit hängenden Schultern entgegen. Der Blick ist gesenkt. Dennoch wirkt die Reaktion eher emotionslos. «Es tut mir sehr leid, was ich Nadia angetan habe und dass ich ihr alles nahm», hatte Michele E. im Schlusswort gesagt.

Nadia hatte mit der Familie gestritten. Sie wollte das Eigenheim kaufen, in dem sie mit ihrer Mutter lebte. Doch die Mutter wollte das Haus Nadias Schwester und Schwager Michele E. geben. Auch am Abend des 14. Oktober ging es um das Haus. Michele E. habe es gar nicht haben wollen, erklärte er vor Gericht. Er habe Nadia geliebt wie eine kleine Schwester, habe im Familienstreit doch immer nur schlichten wollen. «Als Nadia mich so laut beschimpfte, wollte ich nur, dass sie still ist», sagte Michele E. in der Verhandlung. Warum er sie tötete, konnte Michele E. nicht anders erklären.

Der psychiatrische Gutachter Carlo Calanchini und die Verteidiger Maria Galliani und Luca Marcellini versuchen es. Michele habe Nadia auf einen Podest gestellt, sie als engelsgleich empfunden, weich und zart. Am Abend des 14. Oktobers aber habe Nadia A. ein anderes Gesicht gezeigt. Das sei nicht die Nadia gewesen, die Michele E. so liebte. Für den Schwager sei eine Welt zusammengebrochen, die Tat dann im Affekt geschehen.

«Michele E. hat ohne jede Skrupel getötet» 

Staatsanwältin Pamela Pedretti jedoch hat eine andere Theorie. Ja, Michele E. habe Nadia geliebt. Aber wohl nicht so unschuldig. Er habe sadomasochistische Pornos geschaut und Mikrokameras in seinem Badezimmer eingebaut, in dem hin und wieder auch Nadia duschte. Das Fitness-Armband FitBit, das Michele E. am Tatabend am Handgelenk trug, habe angezeigt, wie cool er den Mord beging. Der Pulsschlag sei unverändert geblieben.

Ebenso cool blieb er nach der Tat. Er verschickte Messages von Nadia Handy, gaukelte allen vor, dass sie noch lebte. Noch am gleichen Abend traf er Ehefrau, Tochter, Schwiegermutter im Restaurant, ass in Seelenruhe. Gefühlskälte, die «Schauer über den Rücken» treibe, so die Staatsanwältin.

Der Richter erklärt das Urteil: «Michele E. hat ohne jede Skrupel getötet und aus niederen Motiven. Der Angeklagte hat grosse Verachtung für das Leben anderer gezeigt.»

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