Sie sahen oder erlebten Folter und Vergewaltigungen, sie sind in der Wüste fast verdurstet und steckten monatelang in Lagern oder Gefängnissen fest, sie sassen in überfüllten Booten oder sahen gar zu, wie andere ertranken: Viele Flüchtlinge, die aus Eritrea in die Schweiz kommmen, leiden an dissoziativen Störungen. Es sind Retraumatisierungen von der Flucht und sie können die Betroffenen in tranceartige Zustände versetzen. Dann zucken sie, reden wirr, schreien und schlagen um sich.
Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, haben genau aus diesem Grund die Teufelsaustreibungen unter Eritreern stark zugenommen. Die Landsleute der Betroffenen glauben, die psychisch Kranken müssten von Dämonen befreit werden. Deshalb schlagen sie mit Händen, aber auch mit Gürteln auf sie ein.
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«Mehrere Eritreer und Eritreerinnen sind aus diesem Grund angezeigt worden, und zwar wegen einfacher oder schwerer Körperverletzung», sagt Fana Asefaw zur NZZ am Sonntag. Sie ist Kinder- und Jugendpsychiaterin und arbeitet als Leitende Ärztin bei der Klinik Clienia Littenheid in Winterthur. Die Fälle von Teufelsaustreibungen sind seit ein paar Monaten angestiegen, gleichzeitig werden die dissoziativen Störungen bei eritreeischen Flüchtlingen immer öfters diagnostiziert. «Zurzeit behandeln wir jeden Monat sechs bis sieben Eritreerinnen und Eritreer aus diesem Grund», sagt Fana Asefaw.
Auslöser der Re-Traumata seien oft die hohen psychosozialen Belastungen. Dazu zählten auch die Wegweisungen, die gegen Bürger des ostafrikanischen Landes ausgesprochen würden. Fana Asefaw:«Es scheint, dass die mit diesen Wegweisungen verbundene Unsicherheit, etwa die Zukunftsängste oder die Unterbringung in Notunterkünften, zur Entwicklung und Verstärkung der dissoziativen Störungen beiträgt.»