Entscheid von Europäischem Gerichtshof sorgt für Debatten
Schweiz darf kosovarischen Vergewaltiger nicht ausschaffen

Ein Kosovare (55), der 2003 eine Frau vergewaltigte, sollte ausgeschafft werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist diesen Entscheid jetzt aber zurück – die Schweizer Behörden sollen nochmal über die Bücher. Das Urteil spaltet die hiesige Politik.
Publiziert: 10.04.2019 um 15:25 Uhr
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Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass ein kosovarischer Straftäter und IV-Rentner die Schweiz nach 20 Jahren verlassen soll. (Symbolbild)
Foto: Keystone

2003 vergewaltigte der Kosovare (55) zweimal eine Frau auf brutalste Art und Weise: Er verschaffte sich Zutritt zu ihrer Wohnung und fixierte sie am Bett. Das Opfer hatte keine Chance, sich zu befreien oder sich zu wehren.

Eigentlich sollte der Straftäter und IV-Rentner in sein Heimatland ausgeschafft werden – der Kosovare stellte sich gegen den Entscheid und zog den Fall bis zum europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Mit Erfolg: Dieser entschied, dass der Vergewaltiger vorerst nicht ausgeschafft werden darf – die Schweiz muss den Fall noch einmal prüfen. 

«Schweizer Behörden müssen nochmal über die Bücher»

Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht verletze nämlich Artikel acht der europäischen Menschenrechtskonvention: Der IV-Rentner lebe mit seinen erwachsenen Kindern in der Schweiz, sei von ihnen abhängig. Eine Ausschaffung würde entsprechend gegen das Recht auf Familien- und Privatleben verstossen. Staats- und Völkerrechtlerin Fanny de Weck sagt: «Die Schweizer Behörden müssen nochmal über die Bücher.»

Wie die Schweiz mit dem Entscheid umgehen wird, ist noch unklar. Ingrid Ryser, Sprecherin des Bundesamts für Justiz sagt: «Wir werden das Urteil analysieren und prüfen, ob die Schweiz den Fall weiterziehen soll.»

CVP-Nationalrat Fabio Regazzi sagte gegenüber «20 Minuten»: «Wenn sich Leute nicht an unsere Regeln halten, müssen sie in Kauf nehmen, dass sie ausgeschafft werden können.»

«Typisch» fremde Richter

Ähnlich sieht es Zürcher SVP-Kantonsrat René Truninger. Der EGMR-Entscheid sei ein Paradebeispiel für fremde Richter. Truninger teilt das Urteil aus Strassburg auf Twitter, zahlreiche Reaktionen folgen: «Wenn ausschaffen nicht geht, versucht es doch mal mit abschieben», heisst es beispielsweise.

Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan stellt klar: «Das Urteil bezieht sich auf die Arbeit unserer Richter. Sie haben schlicht nicht sorgfältig gearbeitet.» Es sei wichtig, dass die Schweizer Behörden den EGMR-Entscheid zur Kenntnis nehmen und ihre Arbeit in einem nächsten Schritt sorgfältig machen.

FDP-Ständerat Andrea Caroni findet es ebenfalls legitim, dass der Fall zur Prüfung zurückgegeben wurde. Er befürchtet aber, dass sich solche Fälle häufen könnten. Der Grund: Das «pfefferscharfe» Umsetzungsgesetz der Ausschaffungsinitiative erschwere eine umfassende Abwägung aller Aspekte, wie es der EGMR verlangt. (bra)

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