Einsprache-Terror wegen Bauprojekt
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Nachbarn verhindern Vorhaben:Einsprache-Terror wegen Bauprojekt

Einsprachen werden zum Volkssport
So dreist werden Bauherren erpresst

Wer heute grössere Überbauungen plant, kann sich auf das Baugesetz nicht verlassen. Das sagt Patrick Müller, seit 25 Jahren in der Branche tätig. Bei Überbauungen werde man in der Bewilligungsphase regelmässig erpresst. Wer nicht zahle, werde mit Einsprachen eingedeckt.
Publiziert: 18.02.2019 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2019 um 09:12 Uhr
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Patrick Müller ist seit 25 Jahren in der Baubranche tätig. Gerade in den letzten zehn Jahren sei Bauen zu einem teuren Spiessrutenlauf verkommen.
Foto: Philippe Rossier
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Flavio Paolo RazzinoNachrichtenchef

Wer in der Schweiz bauen will, macht das in der Theorie wie folgt: Er schaut sich bei der Planung seines Gebäudes neben der Beschaffenheit des Grundstücks zuerst den örtlichen Zonenplan und die Bauordnung an. Dann sollte der Bauherr die rechtlichen Grundlagen für sein Projekt so gut kennen, dass es vom Staat bewilligt wird.

Nur: In der Praxis ist das viel komplizierter. Oder, wie es Architekt und Projektentwickler Patrick Müller (48) aus Kriens LU sagt: «Bauunternehmer sind in der Schweiz fast komplett den Nachbarn ausgeliefert, Baugesetz hin oder her.» In den letzten zehn Jahren sei Bauen zu einem teuren Spiessrutenlauf verkommen. Einsprachen seien zum Volkssport geworden – Erpressungen inklusive.

Die dreisten Forderungen der Einsprecher

Müller nennt ein Beispiel: Seit zwei Jahren versucht er, in einem exklusiven Quartier auf der Horwer Halbinsel sieben Mehrfamililenhäuser zu erstellen. Doch schon bei der Auflage des Gestaltungsplans, eine Stufe vor der Baueingabe, hagelte es aus der Nachbarschaft Einsprachen. Zudem legten auch Natur- und Landschaftsschutzverbände Beschwerde ein.

Und das, obwohl Müller sehr zurückhaltend geplant hatte: Weder verlangt er Ausnahmebewilligungen für die Höhe seiner Bauten, noch Änderungen an der Bauordnung oder am Zonenplan. Beides ist bei Gestaltungsplänen gang und gäbe.

Einige Nachbarn im Villenviertel möchten von Müller aber gleichwohl Zugeständnisse und gute Deals erzwingen. «Sie wünschen sich niedrigere Gebäude, möchten auswählen, wie viele Pflanzen auf dem Areal zu stehen kommen oder fordern weniger Parkplätze. Aber auch dreiste Forderungen wie Gratisparklätze für sich selber, die Sanierung von privaten Strassen oder am eigenen Haus werden immer häufiger gestellt», sagt Müller.

Ein Trend, den auch der Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz kennt. «Wir stellen fest, dass Bauunternehmer immer wieder mit dreisten Forderungen konfrontiert werden», sagt Markus Meier, Direktor des HEV.

Heute würden Nachbarn selbst dann Einsprache erheben, wenn ein Projekt den gesetzlichen Vorgaben entspreche. «Ohne Jurist kommt man heute kaum mehr zu einer Baubewilligung», sagt Meier. Eine bedenkliche Entwicklung. «Gerade mit Blick auf die viel gerühmte Rechtssicherheit in der Schweiz», sagt er.

Erpressern droht die Verurteilung

Dreiste Nachbarn verlangen von Bauunternehmern Geld, damit sie ihre Einsprache zurückziehen. Das kann auch in die Hosen gehen. So verurteilte 2013 das Zürcher Obergericht einen Einsprecher zu einer Busse von 840'000 Franken, weil er einen Bauunternehmer erpresst hatte.

Seine Forderung: Entweder saniert er mir mein Haus für 300'000 Franken, oder ich ziehe meine Einsprache durch alle Instanzen weiter. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil 2014.

Einem Einsprecher Erpressung nachzuweisen, ist aber schwierig. Denn die Zahlung eines Betrags zur gütlichen Einigung zwischen zwei Parteien ist gestattet. Flavio Razzino

Dreiste Nachbarn verlangen von Bauunternehmern Geld, damit sie ihre Einsprache zurückziehen. Das kann auch in die Hosen gehen. So verurteilte 2013 das Zürcher Obergericht einen Einsprecher zu einer Busse von 840'000 Franken, weil er einen Bauunternehmer erpresst hatte.

Seine Forderung: Entweder saniert er mir mein Haus für 300'000 Franken, oder ich ziehe meine Einsprache durch alle Instanzen weiter. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil 2014.

Einem Einsprecher Erpressung nachzuweisen, ist aber schwierig. Denn die Zahlung eines Betrags zur gütlichen Einigung zwischen zwei Parteien ist gestattet. Flavio Razzino

«Breitbandeinsprachen» ohne Aussicht auf Erfolg

Die meisten dieser Einsprachen hätten keine Chancen vor Gericht. Weil sie Punkte beanstandeten, die gar nicht einklagbar wären: Aussicht, Schattenwurf, Angst vor Wertminderung der eigenen Liegenschaft.

So auch bei Müllers Projekt in Horw. «Die Anwälte der Nachbarn machen das darum ganz einfach: Sie verfassen sogenannte ‹Breitbandeinsprachen›. Kritisieren also das Projekt von der Fassade bis zur Dachgestaltung. Die Anwälte verdienen gut daran, auch wenn allen klar ist, dass die Einsprache vor einem Gericht kaum Erfolg haben wird», sagt Müller. Das Ziel sei ein anderes: den Bau so lange verzögern, bis dem Bauherrn das Geld ausgeht.

Es gibt aber auch Nachbarn, die mit ihrer Einsprache einfach eines wollen: abkassieren! HEV-Direktor Meier: «Wir kennen viele solcher Fälle, bei denen Bauunternehmer ganz unverblümt erpresst wurden.» 

Architekt Müller hat das am eigenen Leib erfahren. So habe ein Nachbar bei einem anderen Projekt gedroht: «Entweder ich zahle 100'000 Franken – oder dann hagle es Einsprachen, die bis Bundesgericht weitergezogen würden.» Erpressungen dieser Art seien in Bewilligungsverfahren heute leider Alltag.

Schaden: Über eine halbe Million Franken

Das Schlimmste: Als Bauunternehmer sei man gezwungen, das böse Spiel mitzumachen. «Einsprachen können ein Bauprojekt um Jahre verzögern und verschlingen Unmengen an Prozesskosten.»

In Horw hat Müller darum Änderungen am Projekt vorgenommen. Nur so konnte er sich mit den Einsprechern gütlich einigen. Kostenpunkt: rund eine halbe Million Franken. Unter anderem musste er ein Streifen Land eines Nachbarn kaufen und dafür 300'000 Franken hinblättern. Nötig wäre das nicht gewesen, aber nur so zog der nette Nachbar seine Einsprache zurück.

Und plötzlich meldet sich ein neuer Nachbar

Bauen kann Müller trotzdem nicht. Denn als er endlich sein Baugesuch einreichen konnte, kam plötzlich ein anderer Nachbar. Einer, der beim Gestaltungsplan noch gar keine Einwände gehabt hatte. Dessen Anwalt hat nun aber eine mehrseitige Einsprache verfasst. «Sie ist irreführend, weil praktisch alle Kritikpunkte den bereits rechtskräftigen Gestaltungsplan betreffen, bei dem er sich aber nicht gemeldet hatte», sagt Müller. 

Der Horwer Gemeinderat hat die Einsprachen zwar alle abgewiesen. Für den Nachbarn aber kein Grund, es dabei zu belassen. Vielmehr zieht er diesen Entscheid nun ans Verwaltungsgericht weiter. Für Müller bedeutet das: noch mehr Prozesskosten und eine Verzögerung von ein bis zwei Jahren. Oder aber, er muss einen nächsten, teuren Deal eingehen. Baugesetz hin oder her.

Bau-Kauderwelsch kurz erklärt

Zonenplan

Der Zonenplan legt fest, wo in einer Gemeinde welche Nutzung der Grundstücke erlaubt ist. Hier Gewerbe und Industrie, da Wohnen, dort öffentliche Anlagen. In klassischen Wohnzonen dürfen beispielsweise keine Gewerbeobjekte gebaut werden. Es gibt aber auch Mischformen, klassischerweise die Kernzone, wo sowohl mässig störendes Gewerbe und Wohnen erlaubt sein können. Im Zonenplan wird bereits geklärt, wo beispielsweise in Wohnzonen dreigeschossig (W3) oder nur zweigeschossig (W2) gebaut werden kann. Vorgaben zu Aussehen und Form der Gebäude macht der Zonenplan aber nicht.

Bauordnung

In der Bauordnung erfahren Planer, was auf einem einzelnen Grundstück erlaubt oder verboten ist. Müssen Bauprojekte Giebeldächer haben – oder sind Flachdächer vorgeschrieben? Wie hoch dürfen die Gebäude maximal werden? Gibt es Vorschriften zum Schutz des Ortsbildes?

Gestaltungsplan

Gerade bei grösseren Überbauungen kann ein Gestaltungsplan erforderlich werden. Damit versucht man, die Qualität einer Überbauung zu verbessern. Im Gestaltungsplan wird – viel genauer als beim Zonenpan – festgelgt, wie mehrere geplante Liegenschaften auf einem Grundstück angeordnet werden sollen. Auch die Freiflächen, die Zufahrten und die Parkplätze werden hier definiert. Zudem die Volumen der geplanten Gebäude. Gegen den Quartierplan kann man bis vor Bundesgericht prozessieren. 

Baugesuch

Wer bauen will, muss ein Baugesuch einreichen, das von den Behörden bewilligt werden muss. Im Baugesuch wird detailliert erklärt, wie ein Grundstück überbaut werden soll. Von der Farbe der Fassade bis zur Tiefe eines Balkons: Im Baugesuch legt man sich bis aufs letzte Detail fest. Gegen das Baugesuch kann nur bis vor das kantonale Verwaltungsgericht prozessiert werden.

Zonenplan

Der Zonenplan legt fest, wo in einer Gemeinde welche Nutzung der Grundstücke erlaubt ist. Hier Gewerbe und Industrie, da Wohnen, dort öffentliche Anlagen. In klassischen Wohnzonen dürfen beispielsweise keine Gewerbeobjekte gebaut werden. Es gibt aber auch Mischformen, klassischerweise die Kernzone, wo sowohl mässig störendes Gewerbe und Wohnen erlaubt sein können. Im Zonenplan wird bereits geklärt, wo beispielsweise in Wohnzonen dreigeschossig (W3) oder nur zweigeschossig (W2) gebaut werden kann. Vorgaben zu Aussehen und Form der Gebäude macht der Zonenplan aber nicht.

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