Ab diesem Wochenende werden Polizei und SBB wieder Blut schwitzen! Die Super League startet in die Rückrunde. Und gleich zu Beginn werden die beiden berüchtigtsten Fan-Gruppen wieder quer durch die Schweiz fahren. Die Zürcher reisen morgen im Extrazug nach St. Gallen, die Basler nach Zürich.
Wofür die FCZ-Ultras solche Zugfahrten missbrauchen, haben sie zum Beispiel im letzten April bewiesen. Die Chaoten ziehen beim Bahnhof Pratteln BL die Notbremse. Stürmen aus den Zugwaggons und auf die rivalisierenden Fans des FC Basel los. Böller und Pyros werden gezündet. Rauch steigt auf. Entfesselte Gewalt. Orchestriertes Chaos.
Die Polizei versucht, die totale Konfrontation zu verhindern. Drängt die Ultras mit Mühe zurück in den Extrazug. Es gibt keine Verletzten, aber auch keine Verhaftungen. Passanten filmen die Szenerie entgeistert.
Es ist einer von vielen Vorfällen nach einem Fussballspiel, ausgehend von einem Extrazug der SBB. Dem perfekten Ort für Chaoten, um sich auf die Schlacht vorzubereiten. Ungestört. Unkontrolliert. Im rechtsfreien Raum auf Schienen.
Die Polizei und die SBB schauen dem Treiben machtlos zu. Immerhin geschieht das Ganze nicht in Regelzügen, sagt man sich. Mit den Extrazügen sollen die normalen Pendler vor dem Mob geschützt werden.
Im «Hoogan», der Hooligan-Datenbank des Bundes, sind derzeit 1592 Menschen registriert. Beim allergrössten Teil handelt es sich um Hooligans aus dem Fussball-Umfeld, nämlich 1153 Personen. Rund zwei Drittel der erfassten Personen sind zwischen 19 und 29 Jahre alt. Deutlich wird aus diesen Zahlen zudem: Hooliganismus ist fast ausschliesslich ein Männerproblem. Lediglich 18 Frauen sind registriert.
Einmal erfasste Hooligans bleiben bis zu drei Jahre nach Ablauf der letzten Massnahme in der Datenbank eingetragen. Bei den getroffenen Massnahmen handelte es sich um 661 Stadionverbote, 437 Rayonverbote und zwölf Meldeauflagen. Am häufigsten geahndet wurde mit 429 Fällen Landfriedensbruch, vor Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz (330 Fälle), Vermummungsverbot (232 Fälle) und Gewalt und Drohung gegen Beamte (201 Fälle).
Im Informationssystem Hoogan werden Daten über Personen aufgenommen, die sich an Sportveranstaltungen im In- und Ausland gewalttätig verhalten haben und gegen die eine Massnahme verhängt wurde. Flavio Razzino
Im «Hoogan», der Hooligan-Datenbank des Bundes, sind derzeit 1592 Menschen registriert. Beim allergrössten Teil handelt es sich um Hooligans aus dem Fussball-Umfeld, nämlich 1153 Personen. Rund zwei Drittel der erfassten Personen sind zwischen 19 und 29 Jahre alt. Deutlich wird aus diesen Zahlen zudem: Hooliganismus ist fast ausschliesslich ein Männerproblem. Lediglich 18 Frauen sind registriert.
Einmal erfasste Hooligans bleiben bis zu drei Jahre nach Ablauf der letzten Massnahme in der Datenbank eingetragen. Bei den getroffenen Massnahmen handelte es sich um 661 Stadionverbote, 437 Rayonverbote und zwölf Meldeauflagen. Am häufigsten geahndet wurde mit 429 Fällen Landfriedensbruch, vor Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz (330 Fälle), Vermummungsverbot (232 Fälle) und Gewalt und Drohung gegen Beamte (201 Fälle).
Im Informationssystem Hoogan werden Daten über Personen aufgenommen, die sich an Sportveranstaltungen im In- und Ausland gewalttätig verhalten haben und gegen die eine Massnahme verhängt wurde. Flavio Razzino
Früher Bierbauch, heute Kampfmaschine
Was daraus entsteht, sind neue Probleme. Das sagt der ehemalige Ultra Miro K.*. Kurz geschorenes Haar, Bierbauch, Stiernacken.
Im BLICK packt er erstmals aus, was in Extrazügen wirklich abgeht. Für Nicht-Ultras sind die Zustände, die er beschreibt, erschreckend. Für die Chaoten selbst: normal.
K. ist erst 2017 aus der Szene ausgestiegen. Er sagt von sich, dass er noch zur alten Generation von Ultras gehört habe. «Wir haben in Extrazügen Party gemacht, viel getrunken und waren bei Auswärtsspielen häufig schon vor Anpfiff besoffen», sagt er.
Doch die Ultra-Szene hat sich verändert. «Heute sind Ultras durchtrainierte Kampfmaschinen. Definieren sich über Muskeln und Kraft, Ausdauer und Leistung», so K. Alkohol spielt kaum eine Rolle mehr. Prügeln statt Party.
Gesünder lebt die neue Generation Ultras aber nicht. Harte Drogen ersetzen den Alkohol. Kokain und Amphetamine statt Bier und Wodka. Konsumiert wird in den Extrazügen. Hemmungslos. Ungestört. «Auf den Tischen, auf dem Boden, in den WCs: überall werden Drogen konsumiert, das versteckt dort niemand mehr», sagt K. Kombiniert werden die Drogen mit schmerzhemmenden, rezeptpflichtigen Medikamenten.
Auch Minderjährige kommen ungehindert an die Ware. «Die Jugendlichen lernen schnell: Wer überall mitmacht, steigt schneller auf. Verdient sich den Respekt», sagt Miro K. Der Gruppenzwang sei enorm.
Eine offene Drogenszene in Extrazügen? «Es wird nicht nur konsumiert, es werden auch Drogen verkauft», sagt K.
«Kontrollen sind unmöglich»
Und die Polizei kann gegen das Treiben im Zug nichts ausrichten, wie Markus Jungo gegenüber BLICK einräumen muss. Er ist Leiter der polizeilichen Koordinationsplattform Sport, der sich alle Kantonspolizeien angeschlossen haben. «Wir sind ohnmächtig! Kontrollen in Extrazügen sind unmöglich», sagt er. Es klingt verzweifelt.
Kaum ein Polizeikorps in der Schweiz sei gross genug, um einen Extrazug zu kontrollieren. «Das Eskalationspotenzial ist gewaltig! Wir bräuchten extrem viele Polizisten, um in so einem Zug Herr der Lage zu bleiben», sagt Jungo. Nur wenn sich Kantonspolizeien zusammenschliessen würden, wäre das möglich. Doch das sei viel zu teuer.
Die Polizei lässt die Extrazüge als rollende Anarchien gewähren. Drogenkonsum, Drogenhandel, Gewalt und Vandalen zum Trotz. «Vor dem Gesetz sind alle gleich, ausser du hockst in einem Extrazug. Denn im Fanzug sind die Ultras das Gesetz», sagt Ex-Ultra Miro K.
Alleine 2017 listet die Polizei 106 gravierende Vorfälle mit Hooligans und Ultras auf. Zig Tausende Franken Sachschäden, zig Verletzte.
Kommt hinzu: Die Extrazüge sind auch eine Gefahr für Unbeteiligte. «Wir stellen vermehrt fest, dass Ultras selbstgebaute oder illegal importierte Sprengkörper vom Zug aus in Unterführungen und Bahnhöfe schmeissen – es gab schon Verletzte», sagt Jungo. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Schlimmeres passiert. «Das kann Tote geben!»
Jugendliche, die in Extrazügen von Fussballfans ungehindert Drogen kaufen und konsumieren können? Die Drogenpräventionsstelle «Sucht Schweiz» wundert das nicht.
«Überall, wo viele junge Männer in einem emotionalen Kontext zusammenkommen, sind leider auch Alkohol und Drogen präsent», sagt Mediensprecher Markus Meury zu BLICK. Dem Problem sei kaum mit der Polizei beizukommen, viel eher müsste die Prävention früher ansetzen – in der Schule, in der Jugend- und Fanarbeit. «Hier muss das Engagement verstärkt werden, um Jugendliche zu sensibilisieren», sagt Meury weiter.
Das Problem des Drogenkonsums in der Ultra- und Hooliganszene sei indes bekannt. «Es werden vor allem Kokain und Amphetamine konsumiert», so Meury. Eine Studie aus Deutschland spricht zudem von Medikamentenmissbrauch – damit die Ultras und Hooligans bei Schlägereien weniger Schmerzen empfinden. Flavio Razzino
Jugendliche, die in Extrazügen von Fussballfans ungehindert Drogen kaufen und konsumieren können? Die Drogenpräventionsstelle «Sucht Schweiz» wundert das nicht.
«Überall, wo viele junge Männer in einem emotionalen Kontext zusammenkommen, sind leider auch Alkohol und Drogen präsent», sagt Mediensprecher Markus Meury zu BLICK. Dem Problem sei kaum mit der Polizei beizukommen, viel eher müsste die Prävention früher ansetzen – in der Schule, in der Jugend- und Fanarbeit. «Hier muss das Engagement verstärkt werden, um Jugendliche zu sensibilisieren», sagt Meury weiter.
Das Problem des Drogenkonsums in der Ultra- und Hooliganszene sei indes bekannt. «Es werden vor allem Kokain und Amphetamine konsumiert», so Meury. Eine Studie aus Deutschland spricht zudem von Medikamentenmissbrauch – damit die Ultras und Hooligans bei Schlägereien weniger Schmerzen empfinden. Flavio Razzino
Natürlich will die Polizei die Kontrolle auf den Schienen wieder zurückerobern. «Wir arbeiten darum an Massnahmen, damit Extrazüge keine rechtsfreien Räume mehr sind», so Jungo. Doch dafür bräuchte es nicht nur Strategien – sondern auch mehr Geld. Und darüber haben letztlich Politiker zu entscheiden, nicht die Polizei.
* Name geändert