Diebstahl, Einbruch, Geldwäsche
Russenmafia trickste die Schweizer Behörden aus

Mit einem kriminellen Netzwerk waren die sogenannten Diebe im Gesetz, eine russische Verbrecher-Organisation, in der Schweiz tätig. Ihr Mitglied Timur G. blieb diese Woche einer Verhandlung in Bellinzona fern. Er ist untergetaucht.
Publiziert: 12.11.2017 um 10:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:10 Uhr
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In der russisch-orthodoxen Kirche in Zürich wurde die Beute übergeben.
Foto: Keystone
Cyrill Pinto

Als es die Jugendanwaltschaft Aargau vor knapp zehn Jahren mit Timur G.* zu tun bekam, glaubte sie, er sei ein Kleinkrimineller. Zweimal erhielt er nur geringe Strafen.

Offenbar war die Behörde auf eine der vielen Tarnidentitäten des Georgiers hereingefallen. Er nannte sich Temuri G., geboren am 2. September 1991, damals also erst 17 Jahre alt. Wie die Ermittler des Bundes später herausfanden, war er da bereits 30 Jahre alt – und Teil eines kriminellen Netzwerks, das die Schweiz in vier Regionen unterteilt und hoch professionell arbeitet.

Auf Diebstahl und Einbrüche spezialisiert

Aus einer Wohnung bei St. Gallen operierend, hatten sich G. und seine Kollegen auf Diebstahl und Einbrüche spezialisiert. Gesteuert wurde die Gruppe von einem Schweizer Landeschef, der wiederum nach Spanien rapportierte. Dort sassen die Westeuropa-Bosse der sogenannten Diebe im Gesetz, der Russenmafia.

Am Donnerstag hätte sich Timur G. vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten müssen. Die Anklage lautet auf Beteiligung an einer kriminellen Organisation, Geldwäsche, Diebstahl und andere Delikte. Doch G. tauchte nicht auf. Im September hatte er zum letzten Mal Kontakt mit seinem Anwalt. Er könne sich eine Reise in die Schweiz nicht leisten. Wo er sich derzeit aufhält, weiss nicht einmal sein Rechtsvertreter.

Bei seinen Diebestouren durch die Schweiz machte Timur G. viel Geld: Sorgfältig listet die Anklage zahlreiche Deliktsbeträge auf. Mal stahl die Gruppe Bargeld aus einer Wohnung in Dulliken SO, mal brach sie in einen Supermarkt im Baselbiet ein und holte Waren im Wert von 8500 Franken heraus. Die Gruppe nahm alles mit, was sie bekam: Parfum, Elektronikartikel, Uhren. Ihre Beute mussten die «Diebe im Gesetz» ihrem Boss übergeben, David G.*

Treffen in der russisch-orthodoxen Kirche

Jeweils am Monatsende trafen sie sich dazu in der russisch-orthodoxen Kirche in Zürich und besprachen zugleich die nächsten Ein­sätze. David G. reiste dafür jeweils aus der Westschweiz an, wo er eine eigene Diebesbande steuerte.

Auch die Gruppen aus dem Tessin und der Zentralschweiz lieferten ihren sogenannten Obschak ab – jeweils mehrere Tausend Franken, die via Geldtransfer über Frankreich und Spanien nach Ge­orgien übermittelt wurden.

Wie die Ermittler herausfanden, dient das Geld den Bossen zur Finanzierung ihres luxuriösen Lebensstils, aber auch zur Unterstützung von in Haft sitzenden Bandenmitgliedern und deren Familien.

Falls Timur G. irgendwann einmal in der Schweiz angehalten wird, drohen ihm höchstens zwei bis drei Jahre Haft, wie der Ankläger sagt. Den professionellen «Dieb im Gesetz» dürfte dieses Risiko wohl kaum beeindrucken.

*Namen der Redaktion bekannt

Kalabrier, Russen und Serben

Unter den Mafia-Organisationen, die in der Schweiz aktiv sind, ist die ’Ndrangheta am stärksten vertreten. Dies geht aus dem jüngsten Bericht zur inneren ­Sicherheit des Bundesamts für Polizei (Fedpol) über die organisierte Kriminalität hervor. Ihre Mitglieder stehen mit hochrangigen Vertretern in Kalabrien in Kontakt. Doch auch die Russenmafia ist in der Schweiz aktiv: Die sogenannten «Diebe im Gesetz» sind straff organisiert und in der Schweiz auf Diebestour. Selbst in Haft werden sie von ihren Komplizen draussen unterstützt. Organisierte Gruppen aus Serbien und Litauen haben sich auf Juwelenraub spezialisiert. Regelmässig verüben sie in der Schweiz spektakuläre Raubüberfälle, zuletzt an der Zürcher Bahnhofstrasse.

Unter den Mafia-Organisationen, die in der Schweiz aktiv sind, ist die ’Ndrangheta am stärksten vertreten. Dies geht aus dem jüngsten Bericht zur inneren ­Sicherheit des Bundesamts für Polizei (Fedpol) über die organisierte Kriminalität hervor. Ihre Mitglieder stehen mit hochrangigen Vertretern in Kalabrien in Kontakt. Doch auch die Russenmafia ist in der Schweiz aktiv: Die sogenannten «Diebe im Gesetz» sind straff organisiert und in der Schweiz auf Diebestour. Selbst in Haft werden sie von ihren Komplizen draussen unterstützt. Organisierte Gruppen aus Serbien und Litauen haben sich auf Juwelenraub spezialisiert. Regelmässig verüben sie in der Schweiz spektakuläre Raubüberfälle, zuletzt an der Zürcher Bahnhofstrasse.

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