Die schockierenden Bilder
So wütet Carlos im Knast

Der Boden übersät mit zerschlagenem Geschirr. Die Wände verschmiert mit Essen. Die Zelle ein einziges Chaos. So sieht es im Massnahmenzentrum Uitikon (MZU) aus, nachdem Carlos darin gewütet hat.
Publiziert: 16.02.2014 um 00:21 Uhr
|
Aktualisiert: 09.10.2018 um 00:00 Uhr
Von Deborah Lacourrège

Erst Ende letzter Woche war der 18-jährige Messerstecher dorthin gebracht worden. Jetzt ist er wieder im rich­tigen Knast: im Gefängnis Limmattal in Dietikon ZH. Benjamin Tommer, Sprecher der Zürcher Justizdirektion, bestätigt denn auch: «Der Grund für die Verlegung sind wiederholte, massive Sachbeschädigungen.»

Schon mindestens dreimal hat Carlos im MZU randaliert.

- 9. Januar 2014. Carlos verweigert im Zentrum, das sich auf die Resozialisierung von jungen Straftätern konzentriert, die Zusammenarbeit mit den Betreuern. Er verbringt deshalb die meiste Zeit in der Disziplinarzelle. Diese setzt er unter Wasser. Selbst das als «vandalensicher» geltende Waschbecken nimmt der Jugendliche auseinander.

- 23. Januar 2014. Carlos flutet seine Wohnzelle im MZU. Ganze 17 Zentimeter hoch steht das Wasser! Der Schaden ist massiv, wie die Bilder zeigen, die SonntagBlick vorliegen. Danach muss Carlos für eine Weile ins Bezirksgefängnis Zürich. Die Begründung: Umbauarbeiten.

- 10. Februar 2014: Carlos ist zurück im MZU – und rastet total aus. Er schmeisst mit allem um sich, was in der Zelle so rumliegt, auch Essen. Da­rauf wird er in das Gefängnis Limmattal verlegt.

Mindestens 20 Tage muss er bleiben. So lange dauert die Arreststrafe, die er wegen Sachbeschädigung aufgebrummt bekommen hat. Ob er sich dort besser benimmt, ist unklar. «Wir geben aus Persönlichkeitsschutzgründen keine Auskunft», sagt Tommer.

Spätestens Ende Februar müsste Carlos eigentlich wieder aus dem Knast sein. Dann läuft die Frist ab, die das Zürcher Obergericht als verhält­nismässig erachtet hat. Ende August letzten Jahres hatte die Jugendstaatsanwaltschaft Carlos ins Gefängnis gesteckt. «Zu seinem sowie zum Schutz seines Umfeldes», wie es damals offi­ziell hiess. Nur kurze Zeit zuvor war das «Sondersetting» für den jugendlichen Messerstecher publik geworden – 29000 Franken im Monat inklusive Thaibox-Trainung. Die Luxus­behandlung sorgte für Empörung im ganzen Land.

Carlos wollte seine Unterbringung im Gefängnis nicht ak­zeptieren und legte Rekurs ein. Das Obergericht hielt  die Mass­nahme der Jungendstaatsanwaltschaft für verhältnismässig, sofern sie nicht länger als sechs Monate dauere.

Diese Zeit ist Ende Februar vorbei. Was danach geschieht, ist unklar: «Wir überlegen noch, wie es mit ihm weitergehen soll. Ein Entscheid ist nicht gefallen», sagt Tommer.

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«Wie ein Schalter, der kippt»

Carlos nahm seine Zelle wiederholt auseinander. Was geht in einem Jugend­lichen vor, der so ausrastet?
Thomas Richter*:
Ich kenne Carlos nicht persönlich und kann die Fragen darum nur allgemein beantworten. Prinzi­piell gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist das Gefühl der Ohnmacht: Der Jugendliche sieht sich mit dem Rücken zur Wand und keinen anderen Ausweg. Die andere ist, dass die Jugendlichen schon in ihrer Kindheit gelernt haben, dass Gewalt und Ausrasten zum Erfolg führen. Wieso sollten sie dies plötzlich ändern, wenn es bisher funktioniert hat?

Weshalb kann Carlos sich nicht einfach ruhig verhalten und seine Zeit absitzen?
Personen, bei denen es schnell zu Wutausbrüchen kommt, denken oft nicht über den Moment hinaus. Sie fühlen sich jetzt provoziert und «müssen» jetzt handeln. Sie denken nicht an die Zukunft – oder mögliche Konsequenzen ihres Handelns. Es ist wie ein Schalter, der kippt. Darüber haben sie wenig bewusste Kontrolle.

Mit welchen therapeutischen Ansätzen lässt sich jemand beruhigen, der solche Aggressionen verspürt?
Zuerst muss der Jugendliche selbst etwas ändern wollen. Mit Zwang von aussen ist allein nicht viel zu bewegen. Der
Jugendliche muss wieder Verantwortung für sein Handeln übernehmen und die Schuld nicht bei anderen suchen. In einem intensiven Training muss er lernen, sich bei Provokationen noch vor dem Aus­rasten zu bremsen.

* Thomas Richter (37) ist Leiter des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention
Thomas Richter (37) ist Leiter des Schweizerischen Institutes für Gewaltprävention.
Thomas Richter (37) ist Leiter des Schweizerischen Institutes für Gewaltprävention.

Carlos nahm seine Zelle wiederholt auseinander. Was geht in einem Jugend­lichen vor, der so ausrastet?
Thomas Richter*:
Ich kenne Carlos nicht persönlich und kann die Fragen darum nur allgemein beantworten. Prinzi­piell gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist das Gefühl der Ohnmacht: Der Jugendliche sieht sich mit dem Rücken zur Wand und keinen anderen Ausweg. Die andere ist, dass die Jugendlichen schon in ihrer Kindheit gelernt haben, dass Gewalt und Ausrasten zum Erfolg führen. Wieso sollten sie dies plötzlich ändern, wenn es bisher funktioniert hat?

Weshalb kann Carlos sich nicht einfach ruhig verhalten und seine Zeit absitzen?
Personen, bei denen es schnell zu Wutausbrüchen kommt, denken oft nicht über den Moment hinaus. Sie fühlen sich jetzt provoziert und «müssen» jetzt handeln. Sie denken nicht an die Zukunft – oder mögliche Konsequenzen ihres Handelns. Es ist wie ein Schalter, der kippt. Darüber haben sie wenig bewusste Kontrolle.

Mit welchen therapeutischen Ansätzen lässt sich jemand beruhigen, der solche Aggressionen verspürt?
Zuerst muss der Jugendliche selbst etwas ändern wollen. Mit Zwang von aussen ist allein nicht viel zu bewegen. Der
Jugendliche muss wieder Verantwortung für sein Handeln übernehmen und die Schuld nicht bei anderen suchen. In einem intensiven Training muss er lernen, sich bei Provokationen noch vor dem Aus­rasten zu bremsen.

* Thomas Richter (37) ist Leiter des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention
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