Am Anfang stand vor allem Gott auf dem Stundenplan. Die allgemeine Schulpflicht führten einzelne Orte der Eidgenossenschaft zwar schon im 17. und 18. Jahrhundert ein. Finanziert wurden die Schulen von der Kirche. Dementsprechend war der Unterricht ausgerichtet. «Die Lehrbücher waren stark religiös geprägt», erklärt Dr. Christina Rothen, wissenschaftliche Mitarbeiterin für historische Bildung am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Zürich. Die Qualität des Unterrichts dagegen war meist miserabel.
Aus Gottesschulen werden Volksschulen
Dann kam Philipp Albert Stapfer (1766–1840). Der Schweizer Politiker wurde im Jahr 1789 Bildungsminister in der neugegründeten Helvetischen Republik und schrieb das erste Volksschulgesetz. Die Gottesschule sollte zur Volksschule werden. Sein Einfluss ist noch über 200 Jahre später spürbar. «Philipp Albert Stapfer schuf die Vorlage für das heutige Schulsystem», sagt Christina Rothen. Stapfers Hauptziele waren: einheitliche Lernstandards und eine verbesserte Lehrerausbildung. Französischunterricht? Ebenfalls Stapfers Idee. Er wollte, dass jeder Deutschschweizer Primarschüler Français büffelt. Es blieb bei der Vision. Die Helvetische Republik wurde bereits 1803 wieder zerschlagen und der Schulpionier Stapfer geriet in Vergessenheit.
Stapfers Volksschule allerdings erhielt im neuen Bundesstaat von 1848 weiteren Schub. Die Totalrevision der Bundesverfassung 1874 ermöglichte schweizweit allen Kindern eine obligatorische Schulbildung – die «Schule für alle» war geboren. Und nun kam der Auftritt von Schulvater Heinrich Pestalozzi (1746–1827). Mit pädagogischen Schriften und neuen Bildungsinstituten reformierte er die Bildungspolitik im ausgehenden 18. Jahrhundert. Doch unter Historikern ist sein Einfluss umstritten. «Der Einfluss von Heinrich Pestalozzi auf die Entwicklung der Volksschule ist ein hartnäckiger Mythos», sagt Christina Rothen. Pestalozzi gilt eher als ein Vordenker der Reformpädagogik.
Diese neuen pädagogischen Bewegungen erhielten Anfang 20. Jahrhundert Zulauf in der Gestalt von Waldorf- und Rudolf-Steiner-Schulen. Grund für den Boom waren die schlimmen Zustände in den öffentlichen Schulen. «Die Volksschulen hatten damals Klassen mit teils hundert Kindern», sagt Historikerin Rothen. Den Lehrern reichte das Gehalt oft nicht zum Leben. Sie mussten einer Nebenbeschäftigung nachgehen. Die Beziehung zwischen Schüler und Lehrer war streng und hierarchisch. Die Reformpädagogen plädierten für kleinere Klassen, bessere Lehrergehälter und einen freundlicheren Umgang mit den Schülern.
Privat- und Volksschulen beeinflussen sich gegenseitig
So ging es im 20. Jahrhundert oft hin und her. Privatschulen und Volksschulen beeinflussten sich gegenseitig. «Die Volksschule entwickelte sich stets anhand gesellschaftlicher Bedürfnisse», erklärt Christina Rothen.
Bis zur Verwirklichung von Philipp Albert Stapfers Idee von Französisch auf den unteren Schulstufen dauerte es noch bis in die 1970er-Jahre. Seine Vision von Bildung für alle dagegen hält die Schweiz seit dem 19. Jahrhundert zusammen.