«Ich habe nur geweint»
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Nach Bluttat von Basel:«Ich habe nur geweint»

Die dunklen Schatten der Killerin von Mergim L. (†7)
Das Phantom von Basel

Die Wahnsinnstat von Basel hat die Schweiz erschüttert. Am letzten Donnerstag erstach Angela N.* (75) den kleinen Mergim L. (†7). Ihr Motiv: unklar. Ihr Leben: ein Rätsel.
Publiziert: 30.03.2019 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2019 um 17:15 Uhr
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Mergim L. (†7) wurde am 21. März 2019 auf seinem Schulweg in Basel von der psychisch kranken Angela N. erstochen.
Foto: Facebook
Céline Trachsel, Michael Sahli, Nicolas Lurati, Beat Michel

Mehr als eine Woche ist nach der Wahnsinnstat von Basel vergangen. Der kleine Mergim (†7) wurde auf seinem Schulweg getötet. Aus dem Nichts. Unvermittelt. Mit einem Stich in den Hals. Die Täterin: eine Rentnerin aus Basel. Doch was trieb Angela N.* (75) zum Messerangriff? Was trübte ihren Geist, wie dunkel ist ihre Seele? Klar ist: Die Seniorin führte seit Jahrzehnten ein Schattendasein. Ohne aktuelle Anschrift, ohne Kinder oder Geschwister. Freunde? Nicht vorhanden.

BLICK zeichnet das Leben des Phantoms von Basel nach. Schnell wird klar: Angela N. eckte schon ihr ganzes Leben lang an. «Ich habe nie etwas Gutes über sie gehört», sagt die Tochter eines Cousins der Rentnerin zu BLICK. Die Luzernerin erinnert sich: «In der Familie war sie als streitsüchtig bekannt, es ging um Geld. Sei galt als egozentrisch und arrogant.» 

Eine alte Nachbarin erinnert sich mit Schrecken

Um Menschen zu finden, die sich an Angela N. erinnern, muss man Jahrzehnte zurückspulen. Bekannt ist: Ab 1978 lebte sie in Allschwil BL in einer Genossenschaftswohnung. Bea B.* (70) wohnte 14 Jahre Tür an Tür mit der späteren Killerin. Die Nachbarin holt aus: «Eine fürchterliche Person.» Oft habe es Streit gegeben. «Die Polizei kam dauernd, es gab auch Hausdurchsuchungen. Ihr Partner hatte was mit Drogen zu tun.» Zudem habe Angela N. alle Anwohner schikaniert: «Die Kinder sind im Treppenhaus an ihrer Tür vorbeigeschlichen, damit sie sie nicht bemerkt.»

Die Ex-Nachbarin weiter: «Sie war Sekretärin bei einer angesehenen Firma. Doch sie verlor den Job, weil sie sich schlecht aufführte.» Am Ende wurde dem finsteren Paar wegen Zahlungsverzug die Wohnung gekündigt. 1992 tritt Angela N. wieder in Erscheinung, gibt beim Landrat eine Petition wegen einer angeblichen «Justizkorruptionsaffäre» ein. Der Inhalt: vertraulich. War die Killerin eine Querulantin? «Ich weiss es nicht», sagt Bea B. Aber: «Sie war sonderbar, nur eine massive Störung schien sie damals noch nicht zu haben.»

Morgen Trauerfeier

Auch mehr als eine Woche nach der Tat nimmt die Bestürzung und Anteilnahme am Tod des kleinen Mergim (†7) kein Ende. Morgen findet daher in Basel eine weitere Trauerfeier statt. Wie seine Familie bekannt gab, wird von 9 bis 17 Uhr im Gotthelf-Schulhaus (Gotthelfplatz 1, Basel) dem kleinen Buben gedacht.

Auch mehr als eine Woche nach der Tat nimmt die Bestürzung und Anteilnahme am Tod des kleinen Mergim (†7) kein Ende. Morgen findet daher in Basel eine weitere Trauerfeier statt. Wie seine Familie bekannt gab, wird von 9 bis 17 Uhr im Gotthelf-Schulhaus (Gotthelfplatz 1, Basel) dem kleinen Buben gedacht.

Nur eine Freundin – man ging zusammen gerne wandern

Bea B. verweist an Paul K.* (79), der in Basel mit Angela N. arbeitete. Er erinnert sich noch gut an seine alte Kollegin: «Sie legte allen Steine in den Weg.» Über ihren damaligen Lebenspartner weiss er nur, dass er als «arbeitsscheu und trinkfest» galt. In der Firma hatte Angela N. nur eine einzige Freundin. «Mit ihr war sie noch jahrelang befreundet. Sie gingen oft wandern.» Diese Freundin ist wohl die einzige Person, die Einblicke in das düstere Seelenleben von Angela N. geben könnte. Doch die Dame möchte sich nicht äussern.

Als Angela N. mit ihrem Partner in den 90er-Jahren von Allschwil nach Basel zog, änderte sich zwar die Adresse, nicht aber das Konfliktpotenzial. Die Polizei ist laut ihrem Ex-Vermieter oft zu Gast. Nach dem Tod ihres Partners lebte Angela N. noch zurückgezogener. «Sie hatte nie Besuch und ging nur zum Spazieren raus.» Dennoch: N. habe die Miete immer bezahlt, obwohl sie zur gleichen Zeit einen Schuldenberg von über 100'000 Franken anhäufte. 2008 bekam sie einen Vormund.

Nach BLICK-Informationen wurde Angela N. 2005 straffällig. Es folgte ein stationärer Aufenthalt in der Forensischen Klinik. Diese kümmert sich um Personen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. «Das genaue Delikt ist mir nicht bekannt. Aber für einen längeren Aufenthalt muss man Schlimmeres verbrochen haben», sagt eine Fachperson zu BLICK.

Aufenthalte in der Psychiatrie

Später landet Angela N. weitere Male in der Psychiatrie. «Dass das nie öffentlich kommuniziert wurde, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Als würde man etwas vertuschen wollen», heisst es vom Insider weiter. Und: «Die Frau war den Fachpersonen bestens bekannt. Sie hat eine Persönlichkeitsstörung im F60-Bereich.» F60 steht für paranoide, schizoide oder dissoziale Störungen. Ergo: «Die Frau hätte nach der Klinik nicht mehr alleine leben dürfen, sondern in ein begleitetes Wohnen einquartiert werden sollen.» Die Behörden hätten nach Ansicht der Fachperson versagt: «Es scheint, als hätte der Vormund sie zu wenig begleitet. Die Frau wurde offenbar einfach sich selber überlassen.»

So konnte Angela N. am letzten Donnerstag zu ihrer Wahnsinnstat schreiten. Allein. Warum der kleine Mergim sterben musste, wird wohl für immer ihr dunkles Geheimnis bleiben. 

* Name geändert

Das sagen Behörden und Mediziner

Marc Graf, Direktor der Uni-Klinik für Forensische Psychiatrie in Basel, bejaht, dass die Tat hätte verhindert werden können. «Klar könnten solche Straftaten vermieden werden. Aber zu welchem Preis?» Graf gibt zu bedenken: Tausende Personen, nicht nur Hunderte, müssten in der ganzen Schweiz wegen ihrer psychischen Krankheit eingesperrt werden, um einen solchen Vorfall vielleicht verhindern zu können.

Der Klinik-Chef führt aus: «Eine Zwangsmassnahme anzuordnen, ist immer eine Frage der Verhältnismässigkeit. Zum Glück muss ich diese Entscheidungen nicht selber fällen, denn das ist eine extrem schwierige Aufgabe der Behörden.» Denn würde zu stark in die Freiheitsrechte einer Person eingegriffen, gäbe es einen Aufschrei. Geschehe das Gegenteil, würden die zuständigen Behörden ebenso scharf kritisiert. Und selbst wenn man helfen möchte und könnte, würden sich die Betroffenen oft nicht helfen lassen wollen, weiss Graf. «Sich auf Hilfe einzulassen, ist für psychisch kranke Personen ein schwieriges Thema.»

Der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) war die Täterin laut Medienberichten bekannt. Das für den Erwachsenenschutz zuständige Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) nimmt zu den Vorwürfen, dass die Täterin nach ihren Aufenthalten in der Psychiatrischen Klinik nicht genügend betreut würde, gegenüber BLICK Stellung. Schriftlich heisst es: «Bei potenziell fremdgefährlichen Personen werden forensisch-psychiatrische Gefährlichkeits- und Risikogutachten erstellt. Sie dienen als Grundlage für behördliches Handeln.»

Einzig: Eine solche Tat, bei der eine 75-jährige Frau ein ihr unbekanntes Kind auf seinem Schulweg tötet, sei laut WSU «unter keinen Umständen voraussehbar und somit nicht verhinderbar». Der Vorwurf, mit einem begleiteten Wohnen hätte der Tod des Buben verhindert werden können, sei daher falsch. «Denn Personen im begleiteten Wohnen dürfen sich frei bewegen und ihre Wohnung verlassen.» Man hält fest: «Eine solche Tat konnte nicht verhindert werden, ansonsten müsste jede psychiatrisch auffällige Person zur Sicherheit dauerhaft stationär untergebracht werden.» 

Das WSU betont zudem, dass das ganze Departement erschüttert sei «über das unvorstellbar schreckliche Verbrechen an dem siebenjährigen Kind», und spricht den Eltern und ihren Angehörigen ihr tief empfundenes Beileid aus.   Céline Trachsel

Marc Graf, Direktor der Uni-Klinik für Forensische Psychiatrie in Basel, bejaht, dass die Tat hätte verhindert werden können. «Klar könnten solche Straftaten vermieden werden. Aber zu welchem Preis?» Graf gibt zu bedenken: Tausende Personen, nicht nur Hunderte, müssten in der ganzen Schweiz wegen ihrer psychischen Krankheit eingesperrt werden, um einen solchen Vorfall vielleicht verhindern zu können.

Der Klinik-Chef führt aus: «Eine Zwangsmassnahme anzuordnen, ist immer eine Frage der Verhältnismässigkeit. Zum Glück muss ich diese Entscheidungen nicht selber fällen, denn das ist eine extrem schwierige Aufgabe der Behörden.» Denn würde zu stark in die Freiheitsrechte einer Person eingegriffen, gäbe es einen Aufschrei. Geschehe das Gegenteil, würden die zuständigen Behörden ebenso scharf kritisiert. Und selbst wenn man helfen möchte und könnte, würden sich die Betroffenen oft nicht helfen lassen wollen, weiss Graf. «Sich auf Hilfe einzulassen, ist für psychisch kranke Personen ein schwieriges Thema.»

Der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) war die Täterin laut Medienberichten bekannt. Das für den Erwachsenenschutz zuständige Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) nimmt zu den Vorwürfen, dass die Täterin nach ihren Aufenthalten in der Psychiatrischen Klinik nicht genügend betreut würde, gegenüber BLICK Stellung. Schriftlich heisst es: «Bei potenziell fremdgefährlichen Personen werden forensisch-psychiatrische Gefährlichkeits- und Risikogutachten erstellt. Sie dienen als Grundlage für behördliches Handeln.»

Einzig: Eine solche Tat, bei der eine 75-jährige Frau ein ihr unbekanntes Kind auf seinem Schulweg tötet, sei laut WSU «unter keinen Umständen voraussehbar und somit nicht verhinderbar». Der Vorwurf, mit einem begleiteten Wohnen hätte der Tod des Buben verhindert werden können, sei daher falsch. «Denn Personen im begleiteten Wohnen dürfen sich frei bewegen und ihre Wohnung verlassen.» Man hält fest: «Eine solche Tat konnte nicht verhindert werden, ansonsten müsste jede psychiatrisch auffällige Person zur Sicherheit dauerhaft stationär untergebracht werden.» 

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