Ein Raunen ging durch die Lehrerzimmer: Die Klassenchats sollen aus den Schulzimmern verbannt werden, schrieb die «SonntagsZeitung». Weil der Messenger-Dienst Whatsapp aufgrund des neuen EU-Datenschutzgesetzes (DSGVO) das Mindestalter auf 16 Jahre erhöht hat, sei er jetzt «illegal».
Das stimmt nicht. Der Rechtsanwalt und Digital-Spezialist Martin Steiger sagt zu BLICK: «Illegal würde heissen, dass die Benutzung von Whatsapp in der Schweiz strafbar ist. Dafür gibt es keine Gesetzesgrundlage.» Zudem bestehe kein direkter Zusammenhang mit dem neuen EU-Gesetz.
In seinem Blog führt Steiger aus: «Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gelten als nicht handlungsfähig und können grundsätzlich keine rechtlichen Verpflichtungen wie jene zur Nutzung von Whatsapp eingehen.» Wer bei der Altersangabe schummelt, handle ebenfalls nicht gesetzeswidrig.
Recht vor Einfachheit
Der Dienst könnte höchstens Minderjährige ausschliessen, weil sie gegen die Nutzerbestimmungen verstossen. Das ist aber sehr unwahrscheinlich. Auch das bisherige Mindestalter von 13 Jahren wurde von Whatsapp nie kontrolliert.
Dem neuen EU-Gesetz zufolge gilt das allgemeine neue Mindestalter von 16 Jahren – ausser bei der Zustimmung der Eltern. Diese kann laut Martin Steiger auch stillschweigend erfolgen. «Wenn eine Schülerin oder ein Schüler Whatsapp nutzt, darf eine Lehrperson aus meiner Sicht davon ausgehen, dass eine allenfalls notwendige Zustimmung der Eltern vorliegt», schreibt er.
Dennoch macht sich Verunsicherung breit. «Es gibt einen kulturellen Wandel», sagt Lehrer und Digital-Experte Philippe Wampfler zu BLICK. «An Schweizer Schulen pflegte man bisher einen pragmatischen Umgang mit dem Datenschutz.» Man habe das gemacht, was gut funktioniert und sich bewährt habe. «Zunehmend gibt man aber rechtlichen Überlegungen Vorrang», sagt Wampfler. Damit nähere man sich Gegebenheiten in Deutschland an, wo das schon länger der Fall sei.
«In Deutschland verboten»
Die Debatte ist seit längerem im Gang. Der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich, Bruno Baeriswyl, taxiert die Nutzung von Whatsapp durch Lehrpersonen gemäss Schweizer Recht als unzulässig. In seinem Datenschutz-Leitfaden begründet er das damit, dass Whatsapp alle Kontakte eines Smartphones an Facebook weiterleitet. Eigentlich müssten alle Beteiligten, also alle Kontakte in allen Handys, ihr Einverständnis dafür geben. Das sei nicht möglich.
Auch der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz rät aus Datenschutzgründen von einer Kommunikation über Whatsapp ab. Und verweist im Leitfaden aufs Nachbarland: «In Deutschland ist sie gar nicht zulässig.»