Der ehemalige Kriminelle, Thaiboxer und Buchautor Zidov Akuma über den Fall Carlos
«Er muss mal richtig untendurch»

Der Zürcher Zidov war einer wie Carlos. Doch er hat den Ausstieg geschafft – mit Thaiboxen. Allein, ohne Geld vom Staat. Über den Fall Carlos kann er nur den Kopf schütteln.
Publiziert: 08.09.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:31 Uhr
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Foto: Nicolas Y. Aebi
Von Christian Maurer

Krass», sagt Zidov. Er meint die Luxusbehandlung von Carlos (18), dem Schläger und Messerstecher, dem der Staat für 29000 Franken pro Monat ein Flohnerleben mit Thaibox-Training finanzierte. «Eine absolute Frechheit, wie der sich benimmt», findet er.

Eigentlich wollte Zidov zum Fall Carlos nichts sagen, aber nun hat ihn der Zorn befallen. Denn Thai­boxen sei eine Charakterschule und könne helfen, Junge aus der Kriminalität zu holen, ist er überzeugt – aber eben nicht alle. Carlos gehört für ihn derzeit definitiv nicht dazu. «Der hat noch nichts begriffen», ereifert er sich. «Thaiboxen hat viel mit Respekt, Disziplin und Demut zu tun – das alles hat Carlos überhaupt nicht.» Solange Carlos nicht von sich aus verstehe, dass er etwas ändern muss, sei das Geld für ihn verbrannt. «Carlos sollte mal so richtig Sch... fressen müssen, ganz untendurch, ohne Geld, sechs Stunden Training am Tag und nur Reis zum Essen.» Zidov würde es mit Carlos versuchen, als Vorbild. Man solle ihn ruhig zu ihm nach Nordthailand schicken, 500 Dollar pro Monat für ein Mehrbettzimmer, Training, Reis, so Zidovs Angebot.

Er weiss, wovon er spricht. Er musste als junger Schläger bei Jugendanwalt Hansueli Gürber antreten, der Carlos’ Luxusbehandlung organisierte und mit dessen Sohn er zur Schule ging. «Herr Gürber ist nett», erinnert er sich. «Er will helfen und gibt einem eine zweite Chance», die Zidov damals allerdings auch nicht gepackt hat. «Mir hat er kein Geld in den A... gesteckt, sondern Sozialstunden aufgebrummt. Ich bin bestraft worden und ich habe die Strafen angenommen.» Heute ist er stolz darauf, dass er sich aus eigener Kraft aus dem Milieu befreit hat: Im Gefängnis trainierte er Thaiboxen und ging nach der Freilassung vor rund zehn Jahren mit 1000 Franken nach Nordthailand, wo er unter prekären Bedingungen zu einem international bekannten Thaiboxer wurde.

 «Ich passe nicht in dieses System»

Um die Jahrtausendwende war Dominik Zidov, geboren 1981 in Zürich, einer der brutalsten und gefürchtetsten Kleinkriminellen der Stadt. Heute nennt er sich Zidov Akuma, lebt auf der thailändischen Ferieninsel Koh Samui und erzählt in seinem Buch «Bad Boy»*, wie er aus dem Milieu ausstieg und in Asien als Thaiboxer Karriere machte.

Zidovs Laufbahn als Krimineller begann vor rund 20 Jahren in der Zürcher Vorortsgemeinde Adliswil. Hier flog er mit 13 von der Schule – «wegen einer Lappalie», wie er bis heute meint. Das waren Schlägereien ohne Ende, Kiffen, Drogenhandel und «Ausnehmen». Zidov erklärts so: «Wenn mir die Jacke von einem Typ gefallen hat, habe ich sie mir geholt.» Später kamen Autodiebstahl, Raubüberfälle und Geldfälscherei dazu. «Wir haben viel Scheisse gemacht.» Das brachte ihn immer wieder in die «Kaserne», das Zürcher Untersuchungsgefängnis.

An der Langstrasse gab er den grossen Macker, der sich mit Fäusten und einer Bande treu Ergebener Respekt verschaffte. «Ich wollte nie arbeiten. Ich passe nicht in dieses System.» Darin gleicht er Carlos.

Aber wahrscheinlich war Zidov einen Tick intelligenter. Und vor allem lernfähiger. Der Bruch kam mit 22, als ihm wegen Falschgelds und zahlreicher bedingter Vorstrafen erstmals ein paar Jahre Knast blühten. Noch im Polizeikasten­wagen unterwegs zur Kaserne habe er beschlossen, keine Verbrechen mehr zu begehen, sondern nach Thailand auszuwandern – und Thaiboxer zu werden.

Mit der Gewalt habe er gebrochen. «Früher, wenn mir im Club einer im Weg stand, hab ich ihm eine reingehauen. Heute, wenn mich einer anrempelt, bin ich es, der sich entschuldigt.»

* Zidov Akuma: «Bad Boy. Mein unglaub­licher Weg vom Gangster zum Kampfsport-idol». Orell Füssli, 224 Seiten, Fr. 25.90

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