Die Briten greifen durch: Weil Shamima Begum 2015 als 15-jährige Schülerin nach Syrien in den Dschihad reiste, soll ihr das Bürgerrecht entzogen werden. Nur ihr kleiner Sohn, der am Wochenende in einem Camp in Syrien zur Welt kam, soll Brite sein. Begum sowie ihre aus Bangladesch stammende und in England lebende Familie sind entsetzt. Sie wollen gegen den Entscheid vorgehen.
Der Entzug des Passes könnte nun auch Schweizer Dschihadisten mit Doppelbürgerschaft blühen. Das Bürgerrechtsgesetz sieht in Artikel 48 die Möglichkeit einer Ausbürgerung vor, wenn das «Verhalten den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist». Betreffen würde das, wie der Bundesrat einmal festhielt, «Anhänger extremistischer Gruppierungen, die im Ausland Gräueltaten begangen haben oder an ihnen beteiligt waren». In einer neuen Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz wird weiter präzisiert, dass zum Delikt-Katalog Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie schwere Verletzungen der Genfer Konventionen gehörten. Das sind alles Tatbestände, die auf den IS zutreffen!
Amherd forderte Ausbürgerung schon früher
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) untersucht tatsächlich einen Fall, bei dem der Entzug des Bürgerrechts geprüft wird, sowie einige wenige Fälle, bei denen die Eröffnung eines Entzugsverfahrens zur Diskussion steht. Details gibt das SEM keine bekannt.
Ausbürgerungen sind auch Thema im Sicherheitsausschuss des Bundesrats, der darüber berät, wie die Schweiz mit Dschihadisten umgehen soll. Zu diesem Gremium gehören drei Hardliner: Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP), Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP). Amherd hatte im Nationalrat schon 2014 als Mitunterzeichnerin einer Motion die «Aberkennung des Schweizer Bürgerrechts bei Dschihadisten mit Doppelbürgerschaft» gefordert.
Druck im Parlament steigt
Die Forderung wurde damals vom Ständerat versenkt, bekommt nun aber wieder Auftrieb. SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (SVP, SG) zu BLICK: «Die Rechtsgrundlagen sind vorhanden, jetzt muss das Gesetz endlich schnell und knallhart umgesetzt werden.» Er werde daher Druck im Parlament ausüben.
Vertreter anderer Fraktionen, die auf eine Mail-Anfrage von BLICK reagierten, stimmen mit ein. Bei FDP, CVP und BDP heisst es unisono, dass man – jeweils auf die einzelnen Fälle bezogen – einen Bürgerrechtsentzug prüfen soll, wenn es das Instrument schon gebe.
Nur bei der SP ist man anderer Meinung und hält den Entzug der Staatsangehörigkeit für keine wirksame Lösung. Ihr Vorschlag: «Die aus Sicherheitsgrund beste Lösung besteht darin, die Schweizer Staatsangehörigkeit zu erhalten und unter militärischer oder polizeilicher Aufsicht zurückzugeben, damit sie beurteilt und in unseren Gefängnissen wirklich unschädlich gemacht werden können.»
18 mögliche Fälle
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat seit 2001 insgesamt 93 Dschihadreisende auf dem Radar. Wie der NDB gegenüber BLICK mitteilt, sind davon 31 Schweizer. 18 haben eine doppelte Staatsbürgerschaft und müssen mit dem Entzug des roten Passes rechnen.
Zwar haben die Schweizer Behörden mit einem Verfahren gegen den ehemaligen Polizeichef von Guatemala, Erwin Sperisen, schon einmal einen Bürgerrechtsentzug geprüft. Eine Ausbürgerung gab es aber bisher noch nie. Es wäre gemäss SEM eine Premiere.