Das Drama begann, als Margarethe Zbinden* im Alter von 40 Jahren über den Zibelemärit in Bern bummelte. Plötzlich überfiel sie ein solcher Durst, dass sie «Brunnentröge austrinken» wollte. Es waren die Anfänge eines Diabetes mellitus vom Typ 2, im Volksmund Altersdiabetes genannt. Heute sitzt die 70-Jährige im Rollstuhl.
Jetzt ist sie wegen Nierenversagens in einem Behandlungsraum des Berner Inselspitals an ein Gerät zur Blutwäsche angeschlossen.
Ihr linker Fuss ist dick eingebunden. Heute Morgen erhielt sie die Hiobsbotschaft: Sie wird ihn verlieren – Spätfolge eines «leider lange nicht gut eingestellten Diabetes», wie Professor Christoph Stettler erklärt, Direktor der Diabetesklinik am Inselspital. Er ist dabei, ein Diabetes-Forschungszentrum in Bern aufzubauen. Schon heute gehört «die Insel» zu den weltweit führenden Kliniken auf diesem Gebiet. Gerade laufe ein besonders «heisses Projekt», wie Stettler sagt: der Test einer «künstlichen Bauchspeicheldrüse». Setzt sie sich durch, könnte sie bald das Leben für Hunderttausende Zuckerkranke in der Schweiz entscheidend verbessern – und weltweit für Millionen.
Ein Chip unter der Bauchhaut misst permanent den Zuckergehalt des Blutes
Margarethe Zbinden nimmt seit 14 Tagen an der Studie teil. «Davor hätte ich im einen Moment auf den Gurten steigen und Bäume ausreissen können – im nächsten konnte ich meine Beine nur noch hinter mir herschleppen. Diese Hochs und Tiefs habe ich nun nicht mehr.»
Ein Chip unter ihrer Bauchhaut misst permanent den Zuckergehalt ihres Blutes und sendet die Daten an einen Tablet-Computer. Dort rechnet ein Programm aus, wie viel Insulin sie gerade braucht und steuert eine Pumpe, die ihr die benötigte Dosis injiziert.
Der Rechner tut, was eine gesunde Bauchspeicheldrüse tun würde – er ist zwar nicht ganz so schnell, dafür ist die Dosierung viel zuverlässiger, als sie aufgrund von manuellen Messungen durch das Spitalpersonal möglich wäre. Und: «Ich kann sechs, sieben Stunden weggehen, ohne Angst vor einem Einbruch haben zu müssen», sagt Margarethe Zbinden. Angst, der Technik ausgeliefert zu sein, habe sie keine – der Test wird von einem Forschungsteam eng begleitet.
Für eine optimale Einstellung der Blutzuckerwerte von Diabetikern fehlt oft das Personal
«Die Diabetesbehandlung kommt in der Spitalpflege oft zu kurz», erklärt Stettler. Für eine optimale Einstellung der Blutzuckerwerte von Diabetikern fehlt oft das Personal. Dies sei ein grosses Problem. Stettler: «15 bis 20 Prozent aller Patienten in Spitälern leiden an einem Typ-2-Diabetes. Wäre ihrZucker besser eingestellt, wäre ihr generelles Befinden besser, die Behandlungszeit würde sich verkürzen.» Stettler ist überzeugt, dass das System für den regulären Einsatz im Spital bereit ist. Auch für die Anwendung zu Hause – Firmen schreckten bis jetzt allerdings noch vor ungeklärten Haftungsfragen zurück.
Morgen ist der letzte Tag von Margarethe Zbindens Versuch. Nach der schlimmen Nachricht heute Morgen hatte sie zunächst überlegt, ob sie wirklich einen SonntagsBlick-Reporter treffen wolle. Sie entschied sich dafür: «Ich möchte darüber reden. Für mich kommt es wohl zu spät, aber ich bin sicher, dass die künstliche Bauchspeicheldrüse noch vielen Diabetikern sehr helfen wird.»
Hier hat Christoph Stettler immerhin eine tröstliche Nachricht: «Dass es für Sie zu spät kommt, da wäre ich nicht so sicher! Ich glaube daran, dass sie schon bald im Einsatz sein wird!» l* Name geändert
Für einmal machte Nestlé letzte Woche positive Schlagzeilen. Die NZZ lobte den Lebensmittelgiganten für sein Engagement gegen den Zucker: Schrittweise hatte Nestlé den Zuckergehalt in seinen Nesquik-Produkten gesenkt. Nun warb er bei den Mitgliedern des Hello Family Clubs in einem Brief: «Entdecken Sie das neue Nesquik mit 30 Prozent weniger Zucker!» Das klingt gut, nur: Gesünder ist das Produkt damit nicht geworden, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage mitteilt. Denn der Zucker wurde durch Maltodextrin ersetzt, einem Zuckeraustauschstoff, der – wie Zucker – aus rasch verfügbaren Kohlenhydraten besteht. Nestlé hält fest, dass Maltodextrin den Blutzuckerspiegel weniger stark steigen lasse und weniger süss schmecke als Zucker. Doch wegen der Ähnlichkeit wird bei Maltodextrin wie auch Saccharose, Laktose oder Fructose oft von Zucker unter anderen Namen gesprochen.
Nesquik ist lange nicht das einzige Beispiel: Viele Hersteller von Müesli und Joghurts arbeiten mit demselben Trick. Kalorienfrei sind dagegen synthetische Süssstoffe wie Cyclamat, Aspartam oder Saccharin, die oft in Light-Produkten verwendet werden. Sie stehen aber im Verdacht, Kreislauf-Erkrankungen zu fördern, wenn sie in grossen Mengen konsumiert werden.
Grosse Mengen Fruchtzucker belasten die Leber
Beliebt als natürliche Süssstoffe sind Melasse, Birnendicksaft, Ahornsirup, Birkenzucker und Honig. David Fäh, Ernährungsexperte von der Berner Fachhochschule, sagt: «Sie klingen natürlicher, unterscheiden sich aber nicht grundsätzlich von Zucker.» Sehr natürlich kommen auch Fruchtsäfte daher. Doch Fruchtnektar, Apfelsaft und Traubensaft enthalten gemäss Fäh sogar zehn bis 50 Prozent mehr Zucker als Cola und Co. Grosse Mengen Fruchtzucker belasten die Leber stärker als Haushaltszucker – dafür wirkt er weniger stark auf den Blutzuckerspiegel. Entscheidend ist laut Fäh die Qualität des Safts: Während selbst gepresster Orangensaft viele Vitamine und weitere gesunde Bestandteile enthält, besteht Capri-Sonne gerade mal zu rund sieben Prozent aus Orangenkonzentrat – enthält aber pro Beutel 6,5 Stück Würfelzucker.
Auch Stevia, verwendet im leicht kalorienreduzierten Coca-Cola Life, ist ein natürlicher Süssstoff. Es ist rund 300-mal süsser als Zucker und muss deshalb sehr vorsichtig dosiert werden.
Das BAG empfiehlt grundsätzlich, auf Zuckerersatzstoffe zu verzichten, auf künstliche wie natürliche. Ziel müsse sein, «die Zufuhr von Zucker allgemein zu senken und die Reduktion nicht durch andere süssende Zutaten zu kompensieren». Florian Blumer
Für einmal machte Nestlé letzte Woche positive Schlagzeilen. Die NZZ lobte den Lebensmittelgiganten für sein Engagement gegen den Zucker: Schrittweise hatte Nestlé den Zuckergehalt in seinen Nesquik-Produkten gesenkt. Nun warb er bei den Mitgliedern des Hello Family Clubs in einem Brief: «Entdecken Sie das neue Nesquik mit 30 Prozent weniger Zucker!» Das klingt gut, nur: Gesünder ist das Produkt damit nicht geworden, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage mitteilt. Denn der Zucker wurde durch Maltodextrin ersetzt, einem Zuckeraustauschstoff, der – wie Zucker – aus rasch verfügbaren Kohlenhydraten besteht. Nestlé hält fest, dass Maltodextrin den Blutzuckerspiegel weniger stark steigen lasse und weniger süss schmecke als Zucker. Doch wegen der Ähnlichkeit wird bei Maltodextrin wie auch Saccharose, Laktose oder Fructose oft von Zucker unter anderen Namen gesprochen.
Nesquik ist lange nicht das einzige Beispiel: Viele Hersteller von Müesli und Joghurts arbeiten mit demselben Trick. Kalorienfrei sind dagegen synthetische Süssstoffe wie Cyclamat, Aspartam oder Saccharin, die oft in Light-Produkten verwendet werden. Sie stehen aber im Verdacht, Kreislauf-Erkrankungen zu fördern, wenn sie in grossen Mengen konsumiert werden.
Grosse Mengen Fruchtzucker belasten die Leber
Beliebt als natürliche Süssstoffe sind Melasse, Birnendicksaft, Ahornsirup, Birkenzucker und Honig. David Fäh, Ernährungsexperte von der Berner Fachhochschule, sagt: «Sie klingen natürlicher, unterscheiden sich aber nicht grundsätzlich von Zucker.» Sehr natürlich kommen auch Fruchtsäfte daher. Doch Fruchtnektar, Apfelsaft und Traubensaft enthalten gemäss Fäh sogar zehn bis 50 Prozent mehr Zucker als Cola und Co. Grosse Mengen Fruchtzucker belasten die Leber stärker als Haushaltszucker – dafür wirkt er weniger stark auf den Blutzuckerspiegel. Entscheidend ist laut Fäh die Qualität des Safts: Während selbst gepresster Orangensaft viele Vitamine und weitere gesunde Bestandteile enthält, besteht Capri-Sonne gerade mal zu rund sieben Prozent aus Orangenkonzentrat – enthält aber pro Beutel 6,5 Stück Würfelzucker.
Auch Stevia, verwendet im leicht kalorienreduzierten Coca-Cola Life, ist ein natürlicher Süssstoff. Es ist rund 300-mal süsser als Zucker und muss deshalb sehr vorsichtig dosiert werden.
Das BAG empfiehlt grundsätzlich, auf Zuckerersatzstoffe zu verzichten, auf künstliche wie natürliche. Ziel müsse sein, «die Zufuhr von Zucker allgemein zu senken und die Reduktion nicht durch andere süssende Zutaten zu kompensieren». Florian Blumer
«Einmal mehr habe ich mit meiner Ehefrau Erika hervorragend diniert: Filet mit Kartoffelstock zum Hauptgang, Coupe Dänemark mit viel heisser Schokolade zum Dessert.
Am nächsten Morgen erlebte ich dann meinen persönlichen Kulturschock. Die Waage zeigte 135 Kilogramm. Bei einer Grösse von 1,78 Metern eine Zumutung für mich und meine Gesundheit. Also beschloss ich, innert 100 Tagen auf unter 100 Kilo abzuspecken. Genauso radikal wie ich bei meinen Börsenprognosen bin, war ich es auch bei meinem selbst zusammengestellten Programm.
Das hiess, absoluter Zuckerverzicht. Nicht einmal Fruchtzucker nahm ich zu mir, keinen Alkohol und auch keine Butter. Forciert habe ich mein Programm durch tägliches Power-Walking und auf dem Hometrainer.
Alles habe ich stur durchgehalten. Und die 99,9 Kilo in 100 Tagen erreicht. Doch ich wollte noch tiefer gehen mit meinem Gewicht. Das wurde gefährlich. Als ich 96 Kilo erreichte, war ich komplett unterzuckert. Ich litt unter Entzugserscheinungen, die ich böse zu spüren bekam. Als ich Auto fuhr, bekam ich Schwindelanfälle. Zum Glück war ich nicht weit von zu Hause weg und konnte zurückfahren. Rückblickend war es verantwortungslos von mir.
Dann suchte ich den Arzt auf, der mir so richtig die Leviten las. Mit einem ausgewogenen Ernährungsplan, auch wieder einem Glas Wein zum Essen und meinem Erdbeerjoghurt zum Frühstück liege ich stabil bei 100 Kilo und fühle mich fit und gesund. Für mich war vor allem der Zuckerverzicht sehr ungesund.» lAufgezeichnet von Flavia Schlittler
«Einmal mehr habe ich mit meiner Ehefrau Erika hervorragend diniert: Filet mit Kartoffelstock zum Hauptgang, Coupe Dänemark mit viel heisser Schokolade zum Dessert.
Am nächsten Morgen erlebte ich dann meinen persönlichen Kulturschock. Die Waage zeigte 135 Kilogramm. Bei einer Grösse von 1,78 Metern eine Zumutung für mich und meine Gesundheit. Also beschloss ich, innert 100 Tagen auf unter 100 Kilo abzuspecken. Genauso radikal wie ich bei meinen Börsenprognosen bin, war ich es auch bei meinem selbst zusammengestellten Programm.
Das hiess, absoluter Zuckerverzicht. Nicht einmal Fruchtzucker nahm ich zu mir, keinen Alkohol und auch keine Butter. Forciert habe ich mein Programm durch tägliches Power-Walking und auf dem Hometrainer.
Alles habe ich stur durchgehalten. Und die 99,9 Kilo in 100 Tagen erreicht. Doch ich wollte noch tiefer gehen mit meinem Gewicht. Das wurde gefährlich. Als ich 96 Kilo erreichte, war ich komplett unterzuckert. Ich litt unter Entzugserscheinungen, die ich böse zu spüren bekam. Als ich Auto fuhr, bekam ich Schwindelanfälle. Zum Glück war ich nicht weit von zu Hause weg und konnte zurückfahren. Rückblickend war es verantwortungslos von mir.
Dann suchte ich den Arzt auf, der mir so richtig die Leviten las. Mit einem ausgewogenen Ernährungsplan, auch wieder einem Glas Wein zum Essen und meinem Erdbeerjoghurt zum Frühstück liege ich stabil bei 100 Kilo und fühle mich fit und gesund. Für mich war vor allem der Zuckerverzicht sehr ungesund.» lAufgezeichnet von Flavia Schlittler