Er sollte die aufgeheizte Stimmung nach der Masseneinwanderungs-Initiative 2014 beruhigen - und gleichzeitig die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU retten: der Inländervorrang, der im Juli 2018 in Kraft getreten ist. Seither müssen Firmen bei Jobs mit hoher Arbeitslosenquote (siehe Box) frei werdende Stellen zwingend den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden.
Zudem müssen sie während einer fünftägigen Wartefrist den RAV Zeit geben, Arbeitssuchende aus der Schweiz an die Arbeitgeber zu vermitteln. Erst nach dieser Frist dürfen Firmen diese Jobs öffentlich ausschreiben.
Mit der Einführung des Inländervorrangs wurde auch das Onlineportal job-room.ch ausgebaut. Seither können sich Arbeitssuchende dort registrieren, um selber nach meldepflichtigen Stellen zu suchen. Arbeitgeber können über das Tool Arbeitssuchende direkt kontaktieren.
Die Idee dahinter: Dank der Wartefrist haben Arbeitslose aus der Schweiz einen Informationsvorsprung gegenüber Arbeitssuchenden aus dem Ausland.
Grosser Frust bei Arbeitgebern
Was auf dem Papier gut klingt, sorgt bei Arbeitgebern im Alltag für reichlich Frust. Denn ein wichtiger Punkt bei der Umsetzung des Inländervorrangs ist, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) tatkräftig mithelfen bei der Vermittlung von Arbeitssuchenden. Nur: Das geschieht in vielen Kantonen der Schweiz nicht, wie BLICK-Recherchen zeigen.
So zum Beispiel in der Ostschweiz. Personalvermittler Renato K.*, der
in St. Gallen ein Personalbüro betreibt, bestätigt: «Die RAV im Kanton
St. Gallen, aber auch im Thurgau führen den Inländervorrang ad absurdum.» Denn: «Bis auf einen oder zwei Fälle ist es mir noch nie passiert, dass das RAV innerhalb der Frist auch tatsächlich Stellensuchende vorgeschlagen hat.» Er frage sich daher, was diese Wartefrist nützen solle. Gerade auf dem Bau oder in der Küche werde Personal häufig schnell benötigt - die Wartefrist treffe die Wirtschaft darum empfindlich.
Auch Heinz Sieber, Inhaber des Catering-Unternehmens Mehrlust in Diepoldsau SG, ist mit der Leistung der RAV unzufrieden: «Es kommt immer wieder vor, dass ich kurzfristig einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin brauche - das ist in der Gastronomie leider so. Da Stellen in der Gastronomie meldepflichtig sind, muss ich aber häufig fünf Tage warten, bis ich öffentlich nach Mitarbeitern suchen kann. In dieser Wartezeit kommt vom RAV aber in den wenigsten Fällen etwas.»
Der Inländervorrang gilt seit Juli 2018. Firmen, die Stellen ausschreiben für Branchen, in welcher eine Arbeitslosenquote von über acht Prozent herrscht, sind seither verpflichtet, die Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Die haben fünf Tage Zeit, den Firmen geeignete Stellensuchende vorzuschlagen. Die Firmen können Vorschläge der RAV aber ohne Begründung ablehnen - sie sind nicht verpflichtet, inländische Arbeitssuchende anzustellen.
Eine Meldepflicht besteht bei frei werdenden Stellen unter anderem für Küchenpersonal, Bauhauptgewerbe, Produktionsjobs - aber auch für Schauspieler und PR-Fachleute. Insgesamt gibt es aktuell für 19 Berufsarten eine Meldepflicht.
Der Vorsprung von fünf Tagen soll Schweizer Arbeitssuchenden einen Vorteil gegenüber Arbeitssuchenden aus dem Ausland verschaffen. Etwa bei Stellen, die schnell besetzt werden müssen. Vor allem in der Produktion, in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft kann das der Fall sein.
Ab Januar 2020 werden weitere Berufsarten hinzukommen. Dann nämlich gilt die Meldepflicht bereits ab einer Quote von fünf Prozent. (fr)
Der Inländervorrang gilt seit Juli 2018. Firmen, die Stellen ausschreiben für Branchen, in welcher eine Arbeitslosenquote von über acht Prozent herrscht, sind seither verpflichtet, die Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Die haben fünf Tage Zeit, den Firmen geeignete Stellensuchende vorzuschlagen. Die Firmen können Vorschläge der RAV aber ohne Begründung ablehnen - sie sind nicht verpflichtet, inländische Arbeitssuchende anzustellen.
Eine Meldepflicht besteht bei frei werdenden Stellen unter anderem für Küchenpersonal, Bauhauptgewerbe, Produktionsjobs - aber auch für Schauspieler und PR-Fachleute. Insgesamt gibt es aktuell für 19 Berufsarten eine Meldepflicht.
Der Vorsprung von fünf Tagen soll Schweizer Arbeitssuchenden einen Vorteil gegenüber Arbeitssuchenden aus dem Ausland verschaffen. Etwa bei Stellen, die schnell besetzt werden müssen. Vor allem in der Produktion, in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft kann das der Fall sein.
Ab Januar 2020 werden weitere Berufsarten hinzukommen. Dann nämlich gilt die Meldepflicht bereits ab einer Quote von fünf Prozent. (fr)
BLICK-Test zeigt: Keine Reaktion des RAVs auf Stellenmeldungen
Tatsächlich? BLICK hat zusammen mit Personalvermittler Renato K. den Test gemacht. Da K. auf ein gutes Einvernehmen mit den RAV angewiesen ist, möchte er anonym bleiben. Der Personaldienstleister schrieb für den Test eine 100-Prozent-Stelle als Produktionsmitarbeiter beim RAV aus. Die Anforderungen an diese Stelle hielt er besonders tief: abgeschlossene Schulausbildung, idealerweise eine Ausbildung im Bereich Lebensmittel, Deutsch in Wort und Schrift, keine Nachtarbeit, Arbeitsort ist St. Gallen.
Laut Datenbank des RAVs kämen für diese Stelle aktuell 482 Stellensuchende in Frage. «Ich müsste nun also vom RAV ziemlich viele Dossiers erhalten», sagt Renato K.
Tatsächlich bekommt er innerhalb der fünf Tage Wartefrist aber kein einziges Dossier zugeschickt. Dasselbe Ergebnis bei der Ausschreibung einer Stelle als Produktionsmitarbeiter in Wängi TG. Auch hier kommen keine Dossiers vom RAV. Kandidaten gäbe es genug: Für diese Stelle kämen laut Daten von job-room.ch rund 450 Arbeitssuchende in Frage.
RAV wären zur Mithilfe verpflichtet
Damit der Inländervorrang überhaupt erst einen Sinn ergibt, braucht es alle drei Parteien. Die Arbeitssuchenden, die Arbeitgeber - und die RAV. «Das zuständige RAV übermittelt dem meldenden Arbeitgeber innert drei Arbeitstagen Angaben zu Stellensuchenden mit passendem Dossier oder meldet zurück, dass keine solchen Dossiers vorhanden sind», schreibt der Bund klar vor.
Für K. ist aber nur klar: Während Arbeitgeber unter Androhung von hohen Bussen sich an die Pflichten halten, glänzt das RAV mit Nichtstun. «Natürlich suche ich als Arbeitgeber auch selber nach Arbeitslosen, die ich für eine offene Stelle anschreiben könnte. Doch die RAV haben die wesentlich besseren Daten zur Verfügung und stehen mit Arbeitssuchenden in engerem Kontakt. Sie müssten uns hier doch mindestens unterstützen - sonst ist die Wartefrist für die Katz!»
Die Nachfrage beim Amt für Wirtschaft des Kantons St. Gallen zeigt aber: Hier gibt es eine ganz andere Auffassung darüber, was Vermittlungsarbeit bedeutet. «Unseres Erachtens besteht aufgrund der Eigenverantwortung eine prinzipielle Holschuld bei Stellensuchenden», sagt Amtssprecher Adrian Schumacher zu BLICK.
Im Klartext: Arbeitslose müssen selber nach meldepflichtigen Stellen auf
job-room.ch suchen. Und da Arbeitgeber die Daten von Arbeitssuchenden ebenfalls über diese Onlineplattform abrufen können, hätten auch sie eine Holschuld. «Bei privaten Arbeitsvermittlern gehen wir davon aus, dass diese die Recherchearbeit grundsätzlich in Eigenregie leisten können.»
Seco widerspricht dem Kanton St. Gallen
So aber war das nicht gedacht, wie auch aus Antworten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) beim Bund zu lesen ist. «Die RAV übermitteln auch privaten Vermittlern passende Dossiers, wenn sie in der Funktion von Arbeitgebern offene Stellen melden», sagt Sprecherin Livia Willi. Warum etwa im Kanton St. Gallen das nicht umgesetzt wird, kann sie nicht kommentieren.
Renato K. und Heinz Sieber sind sich einig: «Wegen der Arbeitsverweigerung der RAV wird der Inländervorrang zur Farce.» Er bringe nichts, wenn nicht alle verantwortlichen Stellen Hand in Hand zusammenarbeiten würden, sagt Sieber. Und K. doppelt nach: «Für mich als Arbeitgeber ist der Inländervorrang nichts anderes als eine Schikane!»
* Name geändert.