«BLICK on Tour» mit Blocher, Rechsteiner und Minder
Der Streit-Gipfel zur Masseneinwanderung

Am Montag fand im Zürcher Volkshaus «BLICK on Tour» zur Masseneinwanderungs-Initiative statt. Befürworter und Gegner kreuzten bei Hannes Britschgi die klingen. Sehen Sie hier den Streit-Gipfel in voller Länge.
Publiziert: 31.01.2014 um 14:52 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:06 Uhr

BLICK: Warum diese Initiative?
Christoph Blocher:
Wenn die Einwanderung weitergeht wie heute, dann haben wir 2060 die 16-Millionen-Schweiz. Heute pflanzen wir jährlich eine Stadt wie Luzern in das Land ein. Um diese Zuwanderer zu betreuen, brauchen wir 500 Krankenschwestern, 600 Lehrer, 72 Schulhäuser. Das können wir auf Dauer nicht finanzieren.  Die Schweiz wird untergehen.
Paul Rechsteiner: Die SVP will nicht nur ein Kontingentierungssystem, nicht nur einen Inländer-, sondern einen Schweizer Vorrang. Das betrifft Asylsuchende, Chinesen, die zur Arbeit in die Schweiz kommen möchten, EU-Bürger und Menschen, die hier geboren, hier aufgewachsen sind, aber keinen roten Pass haben. Das ist unschweizerisch.

Wie viel Zuwanderung verträgt es?
Thomas Minder:
Das ist genau die richtige Frage. Ich will nicht leben wie eine Sardine in der Alubox. Wichtig in diesem Zusammenhang sind aber auch die Grenzgänger. Die haben sich seit 2000 auf 276 000 verdoppelt. Wenn Sie sehen, was im Tessin, in Genf passiert: Von ausserhalb der Grenze kommt Lohndruck, Verkehrsdruck, Druck am Arbeitsplatz in diese kleine Schweiz. Und Sie können die Schweiz nicht grösser machen.
Philip Mosimann: Wir brauchen die Einwanderer, damit der Wohlstand bleibt, und damit die Schweiz Schweiz bleibt. Wir holen Fachkräfte, die wir hier nicht finden. Die Arbeitslosenzahlen zeigen, dass wir mit der heutigen Regelung gut bedient sind. Wir haben auch eine ex­t­rem tiefe Jugendarbeitslosigkeit. Selbst die Chinesen haben es nicht geschafft, eine Mauer um ihr Land zu bauen. Das ist eine Abschottungs-Initiative.

Was ist denn schlimm an Kontingenten?
Mosimann:
Die Vorstellung schaudert mich. Das wäre ein Bürokratiemonster. Irgendein Beamter in Bern würde entscheiden, ob ich in Niederweningen für die Montage der Kommunalfahrzeuge eine Fachkraft im Fahrzeugbau anstellen kann, die ich in der Schweiz nicht finde. Er entscheidet über dessen Qualifikation, auch da­rüber, wann ich ihn bekomme und bis wann ich warten muss. Einen dynamischen Arbeitsmarkt über Kontingente steuern zu wollen, wird scheitern.
Minder: Ich könnte der Zuwanderung ja applaudieren. Alle, die hereinkommen, müssen Zähne putzen und Haare waschen, und wir stellen diese Produkte her. Der grosse Profiteur der Zuwanderung ist aber die Baubranche. 80 000 Zuwanderer benötigen ja rund 34 000 Wohnungen. Trotzdem gibt es im Bau 18 000 Arbeitslose. So viele wie nirgends sonst. Deshalb dürfen wir die Wirtschaft nicht über immer neue Einwanderung entscheiden lassen.

Die Initiative heisst: Steuerung der Zuwanderung von Ausländern. Was heisst das für die, die schon hier sind?
Blocher:
Herr Rechsteiner unterstellt uns ja, wir meinten da ausschliesslich Schweizer. Das ist Unsinn. Sie wissen genau: In der Verfassung hat der Begriff Schweizer verschiedene Bedeutungen. Das kann heissen: nur Schweizer Bürger mit Pass. «Jeder Schweizer ist vor dem Gesetz gleich» hat wieder eine andere Bedeutung. Rechsteiner wollte, dass wir Inländer nehmen. Können wir aber nicht. Wegen der Illegalen, die hier sind. Die Schweiz steuert die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern, heisst es im Initiativtext. Gemeint sind die, die ausserhalb der Schweiz sind. Die anderen sind Schweizer und Schweizerinnen. Das kann man in einem verfassungsmässigen Begriff so bezeichnen. Inländer ist übrigens kein verfassungsmässiger Begriff.
Rechsteiner: Massgebend ist nicht, was Herr Blocher hier auf dem Podium schwatzt, sondern, was in der Verfassung steht. Aber heute sagt er Schweizer und meint Inländer. Das ist immerhin eine Entwicklung.
Blocher: Nein, nicht Inländer. Das ist nicht wahr. Inländer, die illegal hier sind, sind nicht gemeint. Jene, die nicht hier arbeiten dürfen, die rausmüssen, sind nicht gemeint.

Die Gegner der Initiative sagen, bei einem Ja seien die bilateralen Verträge in Gefahr. Richtig?
Minder:
Als ich fragte, wie viel Geld wir nach Brüssel überwiesen haben, seit die Bilateralen I in Kraft sind, wusste das nicht einmal die SVP. Es sind neun Milliarden. Neun Milliarden! Einen guten Zahler wie den Schweizer stellt keiner vor die Tür. Die anderen fünf Verträge könnten wir einzeln durchgehen. Das Landverkehrs-, das Luftverkehrs-, das Landwirtschaftsabkommen, all das hat null und nichts mit der Personenfreizügigkeit zu tun. Das ist reine Angstmacherei. Bei einem Ja gehen wir neu verhandeln. Einen solchen Entscheid an der Urne kann keiner negieren. Und der Bundesrat hat ­einen gestärkten Rücken, weil er sagen kann, das Schweizer Volk habe so entschieden.
Mosimann: Der Basler sagt: Glauben Sie nicht dem Fährimann. Sie können Herrn Minder glauben, aber dem Fährimann zu glauben, würde ich Ihnen nicht empfehlen. Selbstverständlich steht in dem Paragrafen: Wir verhandeln. Aber es steht nicht, dass man ein besseres Ergebnis erzielen muss.
Blocher: Aber Herr Mosimann, jetzt muss ich Ihnen sagen: Wir verkaufen doch seit eh und je unsere Schweizer Produkte in der Europäischen Union. Wa­rum? Weil wir gute Produkte haben, und nicht, weil die Schweiz einen Vertrag hat. Wenn das zusammenfällt, dann haben Sie auch keine guten Produkte, das muss ich sagen!

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