Vier Monate lang lag die Leiche einer Alkoholikerin in der Ostschweiz. Ein Fall für Tatortreiniger André Guggenbichler (29). Er hat den Job, den fast niemand will. Nach Verbrechen oder Todesfällen wird er mit seinem Team gerufen, um die Wohnungen zu reinigen und wieder bewohnbar zu machen.
An diesem Nachmittag ist es die Wohnung der alkoholkranken Frau. Er und seine zwei Mitarbeiter schleppen eine grosse Kiste mit Spezialanzügen und Reinigungsmitteln aus dem Lift. Vor der Wohnung ziehen sich die drei jungen Männer um. Hinter der Türe erwartet sie eine Szene, die viele Menschen nicht aushalten würden. Man kann die Wohnung nur mit Gasmasken betreten, denn der Gestank ist unerträglich.
Die Leiche ist jeweils nicht mehr da
Überall liegen verdorbene Lebensmittel, Insekten haben sich ausgebreitet, es wimmelt von Maden in der Wohnung. Die Leiche ist schon weg – doch sie hat viele Spuren hinterlassen. Die arme Frau verstarb auf dem Sofa und fing dort an zu verwesen. «Die wichtigste Aufgabe ist die Desinfektion», erklärt André Guggenbichler. «Bei Leichen und verdorbenen Lebensmitteln sind praktisch immer massenhaft Bakterien vorhanden – manche sind richtig gefährlich.»
Die Wohnung der Verstorbenen ist sogar für den Routinier eine Herausforderung. Sein Mitarbeiter sagt: «Das war eine Messie-Frau mit einem Alkoholproblem. Das sind die schlimmsten Jobs.» Ein Körper produziert nach dem Tod Flüssigkeiten. Das vollgesogene Polster des Sofas entsorgt das Team sofort als Erstes. Die mit einem Overall, Gasmasken und Handschuhen geschützten Männer verpacken das Sofa für den Abtransport luftdicht mit zwei Schichten Plastikfolie.
«Ich rieche Sachen, die gar nicht da sind»
Danach kümmern sich die Männer um den Boden. Der ist stark verschmutzt, eine Spur führt von der Toilette zum Sofa. Auch der Rest der Wohnung ist verwahrlost. In der Mitte des Raumes stehen Dutzende leere Wodkaflaschen. In der Küche liegen verdorbene Lebensmittel. Alles verschwindet in grossen, blauen Plastiksäcken.
«Wenn wir fertig sind, kann man theoretisch wieder hier wohnen», sagt André Guggenbichler. «Wir stellen dem Besitzer ein Attest aus, dass alles fachgerecht desinfiziert ist. Wie weit wir die Wohnung wiederherstellen, ist eine Kostenfrage. Am Ende bestimmt jeweils der Besitzer.»
Der Unterschied, wie die Wohnung vor der Reinigung und danach aussieht, motiviert den Tatortreiniger am meisten. «Wenn wir arbeiten, sieht man gleich ein Ergebnis», sagt er. Früher war er Versicherungsberater. Das langweilte ihn. «Diese Arbeit ist viel interessanter!» Und sie geht ihm nie aus.
Die traurigen Schicksale der Verstorbenen gingen ihm bei der Arbeit nicht nahe. «Das darf man nicht an sich heranlassen», sagt Guggenbichler. Trotzdem: Wenn er nach Hause kommt, hat er ein Ritual, um die Arbeit zu vergessen: «Ich wechsle als Erstes die Kleider und stehe unter die Dusche.» Der Tatortreiniger tut dies aber nicht wegen des Drecks, sondern für seine Psyche. «Ich rieche manchmal noch Sachen, die gar nicht da sind. Erst danach beginnt für mich die Freizeit.»