Wie wäre es, wenn Schüler von Lehrern unterrichtet würden, zusätzlich aber noch von einem rüstigen Senior betreut? Die Pro Senectute Freiburg hat im Jahr 2009 genau das in mehreren Gemeinden ausprobiert und bemerkt: In den Schulen entsteht eine Win-win-Situation.
Lehrer werden seither von Senioren in Fächern wie Deutsch oder Französisch, aber auch im Werkunterricht entlastet. Die Schüler bekommen eine individuelle Betreuung. Und die rüstigen Senioren haben auch nach der Pension eine sinnstiftende Beschäftigung.
Senioren – ein «Sicherheitsrisiko»
Damit ist plötzlich Schluss. Denn die Erziehungsdirektion des Kantons Freiburg sieht Senioren an Schulen neuerdings als Sicherheitsrisiko und verbietet darum ihren regelmässigen Einsatz im Klassenzimmer. Das berichteten die «Freiburger Nachrichten».
Jean-Marc Gropp, Direktor von Pro Senectute Freiburg, hat 2009 das Projekt im Schulhaus Berntor in Murten initiiert und ist über diese Entscheidung schockiert. Letzte Woche musste er die Senioren darüber informieren, dass sie nach dem Sommer nicht mehr erwünscht seien.
Gesetz ist nicht das Problem
Es ist Staatsrat Jean-Pierre Siggen (CVP), der ihnen einen Strich durch die Rechnung macht. Für Fragen von Medien schickt er jedoch Andreas Maag vor, Vorsteher des Amtes für den obligatorischen deutschsprachigen Unterricht. Gegenüber Pro Senectute rechtfertigte er den Schritt mit dem kantonalen Schulgesetz. Das Projekt sei damit nicht vereinbar. Diese Aussage relativiert Maag nun aber im BLICK. «Das Schulgesetz macht das Projekt nicht unmöglich», räumt er ein.
Der wahre Grund: «Das Generationenprojekt sieht, anders als 2009 angekündigt, einen regelmässigen Einsatz von Senioren in der Schule vor – das bedarf aber unserer Bewilligung. Und wir sind zum Schluss gekommen: Zum Schutz der Kinder und des Rufes der Schulen im Kanton können wir das nicht weiter dulden», sagt Maag.
Senioren könnten plaudern
Kinder vor Senioren schützen? Tatsächlich meint Maag das ernst. «Immerhin erfahren die Senioren im Schulalltag vieles von den Kindern und deren Lebensumständen. Und es besteht das Risiko, dass sie das ausserhalb der Schule ausplaudern gehen. Zudem müssen wir Kinder auch vor möglichen Übergriffen von Senioren schützen.»
Das Projekt könnte auch den Eindruck vermitteln, dass es für das Unterrichten von Kindern keinerlei Ausbildung brauche, wenn da nun auch Senioren mitwirken können. «Die Senioren schaden so unserem Image», sagt Maag darum.
«Chef bleibt die Lehrperson»
Hören das Senioren wie Rita Testa (77) oder Robert Etzensberger (77), können sie nur den Kopf schütteln. «Ich bin kein Lehrerersatz, sondern bloss eine helfende Hand», sagt die pensionierte Treuhänderin Testa zu BLICK. Seit 2009 hilft sie in der Schule Murten im Unterricht mit. Genauso wie Etzensberger, gelernter Maschinenmonteur. «Ich helfe im Werkunterricht mit und schaue, dass den Schülern an den Maschinen nichts passiert – oder gebe Tipps, wenn die gewünscht sind.»
Für Testa ist klar: «Auch wenn wir mithelfen – der Chef im Klassenzimmer ist und bleibt die Lehrperson. Und über die Schweigepflicht sind wir von Anfang an informiert worden und wir nehmen sie ernst.»
Auch Jean-Marc Groppo von der Pro Senectute hält die Begründung des Kantons für schockierend. «Es gibt seit zehn Jahren nur positive Rückmeldungen aus den Schulen – und nie Probleme mit Senioren.»
«Absolut unverständlicher Entscheid»
Das bestätigt auch Isabelle Pfister (38). Sie ist Klassenlehrerin an der Primarschule in Murten und arbeitet mit Senior Robert Etzensberger im Werkunterricht zusammen. «Ich finde das Projekt wunderbar und die Schüler profitieren enorm von der Mitwirkung der Senioren. Was da der Kanton entschieden hat, ist für mich absolut unverständlich», sagt sie. Amtsvorsteher Andreas Maag zeigt sich ob der Kritik aber unbeeindruckt. «Wir stehen zu diesem Entscheid», sagt er.
Auch in anderen Kantonen sind Senioren zusammen mit Lehrern in Schulzimmern im Einsatz. Gegenüber BLICK bestätigen die Erziehungsdirektionen der Kantone Bern, Luzern, Zürich, St. Gallen und Basel-Stadt jedoch unisono, dass sie absolut keine rechtlichen Bedenken hätten. Nur Freiburg stellt seine Senioren vor die Tür!