Es ist Dienstagnachmittag auf dem Berner Waisenhausplatz. Wenige Meter daneben ist gerade ein unbewilligter Demonstrationszug für Flüchtlinge vorbeigezogen. Auf der Strasse sitzen Hunderte Personen, zumeist Jugendliche, vor dem Bundeshaus und protestieren für einen besseren Umweltschutz.
Dazwischen steht eine Gruppe Männer und Frauen, Bier trinkend, pöbelnd. Ihre Aggressionen richten sich gegen einige Polizisten, die ebenfalls vor Ort sind.
Die Gruppe versperrt einem Polizeiauto die Weiterfahrt, es beginnt eine Diskussion, die immer hitziger wird. Zwei Männer bewegen sich auf die Polizisten zu, simulieren einen Übergriff, lassen sich vor den Beamten zu Boden fallen.
«Alle ein Testosteron-Problem»
Einem der Polizisten platzt der Kragen, er geht auf einen älteren Mann mit Brille, Bart und Glatze zu. Er schubst ihn, der Mann fliegt zu Boden, hat Glück, nicht mit dem Kopf zuerst auf den Steinplatten aufzuschlagen. Andere Personen mischen sich ein.
Einer läuft mit seinem Kinderwagen in die Polizisten rein, scheint mit ausgestrecktem Arm schlichten zu wollen – da schlägt ein Polizist auf ihn ein. Der Kinderwagen fällt beinahe um. Die Szene wurde mehrfach gefilmt, mehrere Journalisten und Privatpersonen beobachteten den Vorfall. Die Szene sorgt auf sozialen Medien für Empörung.
«Fahrzeug blockiert»
Die Berner Kantonspolizei teilt gegenüber BLICK mit: «Es ist uns bewusst, dass solche Bilder einen grossen Eindruck hinterlassen. Sie zeigen allerdings lediglich eine Momentaufnahme. Gemäss der Schilderung unserer Mitarbeitenden wurden sie dringend zur Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen gerufen. Ihr Fahrzeug wurde danach von einer Personengruppe aktiv blockiert und an der Wegfahrt gehindert. Als die Mitarbeitenden ausstiegen, um dem Fahrzeug Platz zu verschaffen, kam es zu einem kurzen Handgemenge. Das Vorgehen wird aber intern besprochen. Den Direktbetroffenen steht es frei, eine Anzeige einzureichen.»
«Risiko von Verletzungen berücksichtigt»
Es ist nicht der einzige Vorfall an diesem Tag. An der Flüchtlings-Demo setzt die Polizei Reizgas, Wasserwerfer und Gummischrot ein, weil Regeln missachtet wurden.
Die Protestierenden wehren sich auf ihre Art. Veröffentlichen auf Social Media ein Video das zeigt, wie die Polizei aus kurzer Distanz auf sitzende Demonstranten mit dem Wasserwerfer losgeht. Dazu sagt die Polizei: «Die Personen wurden mehrmals aufgefordert, die Örtlichkeiten zu verlassen. Sie machten ein Manövrieren des Wasserwerfers unmöglich. Ein Wegtragen wäre in diesem Fall mit Blick auf die Grösse der Personengruppe in diesem Gebiet, die Angriffe mit Steinen und die zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte nicht möglich gewesen. Der Einsatz erfolgte gemäss den Richtlinien, welche auch das Risiko von Verletzungen berücksichtigt.» Ein Polizist sei im Verlaufe des Einsatzes von einem Stein getroffen und an der Hand verletzt worden. «Er wird gemäss dem behandelnden Arzt für rund eine Woche nicht im Aussendienst arbeiten können», sagt ein Polizeisprecher.
Diese Szenen an der Flüchtlings-Demo stehen in keinem Zusammenhang zu den Vorfällen auf dem Bundesplatz. Dort blieb es meist friedlich, die Aktivisten verhielten sich ruhig, die Polizei schaute zu. In der Nacht auf Mittwoch wurde der Bundesplatz geräumt. Mehr als Hundert Aktivisten kamen einer letzten Aufforderung der Polizei nach, mussten ihre Personalien angeben. Einige wenige harrten bis zuletzt aus, ketteten sich an Gegenstände. Verletzte gab es bei der Räumung keine, sagt die Kantonspolizei. (vof)