An einem Abend im Dezember piept das Handy von Noëmi B.* (23). Die arbeitslose Gärtnerin bekommt von einem kleinen Stellenvermittlungsbüro aus Thun BE einen Job angeboten – jedenfalls stellt sich Michael F.* (39) als Jobvermittler vor. Allerdings ist es nicht unbedingt die Traumstelle, die sich Noëmi B. vorgestellt hat.
«Er schrieb mir, dass ich toll aussehe und er mich gerne für Sado-Maso-Sex mit ihm bezahlen würde. 200 Franken die Stunde bot er mir an», schildert die 23-Jährige. Und sie schimpft: «Das ist doch an der obersten Grenze von pervers! Ich habe mit Sado-Maso nichts zu tun und sagte ihm dies auch deutlich.»
«Ich würde dir alles Leder bezahlen»
Obwohl Noëmi B. dem ihr bis dahin unbekannten Mann zurückschreibt, dass sie in einer glücklichen Beziehung sei und ihn mehrmals darum bittet, in Ruhe gelassen zu werden, hören die Nachrichten nicht auf. Michael F. schreibt zum Beispiel: «Bist du eher dominant oder devot?» Oder: «Du siehst aus wie eine Domina. Ich würde dir alles Leder bezahlen.»
Er hört nicht auf: «Der Typ schrieb mir den ganzen Abend lang bis tief in die Nacht zahlreiche solche Sprüche. Er wurde dabei immer fordernder», sagt sie. Michael F. sprach Noëmi B. immer wieder als Herrin an, bettelte darum, von ihr gefesselt zu werden oder ihr Lederhosen kaufen zu dürfen. Erst, als die junge Frau die anzüglichen Sex-Nachrichten konsequent ignoriert und nicht mehr zurückschreibt, kommen keine neuen mehr rein.
Tags darauf zeigt Noëmi B. den Mann bei der Polizei wegen sexueller Belästigung an. Den Chatverlauf hatte sie ausgedruckt – er füllte 16 Seiten. Zwei Monate später erhält sie die Bestätigung, dass Michael F. per Strafbefehl gebüsst wurde. Dieser liegt BLICK vor. 1200 Franken Busse muss der 39-Jährige bezahlen, hinzu kommen 300 Franken Gebühren. «Aber er bekommt keinen Strafregister-Eintrag», ärgert sie sich, «das ist nicht richtig.»
Täter fand ihre Handynummer auf arbeit.swiss
Noëmi B. war für Michael F. eine Wildfremde, als er sie zu belästigen begann. Doch er wusste, dass sie arbeitslos und dementsprechend wohl aufs Geld angewiesen war. Dies, weil die junge Frau der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) die Erlaubnis erteilte, ihre Daten zur Stellensuche auf das Internetportal arbeit.swiss vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu stellen. Dort können sich Jobvermittler registrieren lassen und dürfen danach die Kontakte der Arbeitssuchenden einsehen.
Noëmi B.: «Ich stimmte der Weitergabe meiner Daten schriftlich zu. Mit so einem Vorfall hat ja niemand rechnen können.» Dem RAV machen sie und ihr Freund, der den Chatverlauf kennt, deshalb keinen Vorwurf.
Neuen Job gefunden – ohne Lack und Leder
Den Fall haben die beiden dem RAV in Thun gemeldet. Die Medienstelle der Berner Volkswirtschaftsdirektion bestätigt, dass man Kenntnis von der Geschichte habe. Das Seco müsse nun prüfen, ob besagtes Stellenvermittlungsbüro vom Portal arbeit.swiss ausgeschlossen werden kann.
Gegenüber BLICK kommentierte Michael F. den Vorfall mit irrwitzigen Ausreden voller Widersprüche. Seine Zitate zog er anschliessend zurück. Noëmi B. ist immer noch aufgebracht. «Die Dreistigkeit des Typen ärgert mich immer noch sehr», sagt sie. Immerhin: Noëmi fand wieder einen Job als Gärtnerin – wo sie höchstens lederne Schuhe tragen wird.
* Name geändert