Das Zimmer ist keine zwölf Quadratmeter gross. Ein Doppelbett, ein Bürotisch und ein Büchergestell: Mehr passt nicht hinein. Hier, im Untergeschoss eines Berner Mehrfamilienhauses, versteckt sich Ferah U.*, die bekannteste Kopftuchträgerin der Schweiz. Nur die Polizei und die Vormundschaftsbehörde kennen die Adresse, und natürlich Naim Cherni (18), ihr Freund, der Generalsekretär des umstrittenen Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS). Die 17-Jährige lächelt ihn verliebt an: «Ich fühle mich sehr wohl, doch das Schönste ist, dass ich Naim täglich sehen kann.»
Wie kommt es, dass eine junge Frau ihren Alltag nach dem Islam ausrichtet, fünfmal täglich betet, ein Kopftuch trägt und den Koran liest? Und das mitten in der Schweiz? Geriet sie tatsächlich in die Fänge von IZRS-Chef Nicolas Blancho und seinen radikalen Islamisten, wie ihre Eltern glauben?
SonntagsBlick wollte es genauer wissen und besuchte Ferah am vergangenen Donnerstag. Die Reporterin schickte Naim auf einen Spaziergang. Von Frau zu Frau lässt es sich besser reden.
Ferahs Augen leuchten, wenn sie von ihrer grossen Liebe spricht. Sie erzählt, wie sie sich wegen Naim mit ihren Eltern, kurdischen Aleviten, täglich gestritten habe. Wie sie zum ersten Mal ein Kopftuch trug, es heimlich im Keller ihres Elternhauses umlegte. Und wie aus dem Flegel Naim ein religiöser Fundamentalist wurde.
Während sie vor zwei Jahren noch mit ihren Freundinnen in die Disco ging, blieb ihr damals 16-jähriger Freund plötzlich daheim. Er las lieber Bücher über den Islam. Ferah: «Ich verstand die Welt nicht mehr.» Doch die Verwandlung des ehemaligen Frauenhelden kam ihr nicht ungelegen: «Ich brauchte nicht mehr eifersüchtig zu sein», schmunzelt sie.
Sie wollte wissen, was es mit Naims neuer Liebe zur Religion auf sich hatte. Sie las heimlich Bücher über den Islam – und war fasziniert. «Ich merkte, Allah ist der einzige wahre Gott», sagt sie. Kurz darauf legte sie in der Moschee ein Glaubensbekenntnis ab – ohne Wissen ihrer Eltern. Und am 24. September 2009 heirateten die beiden nach islamischem Ritus. Als sie es ihrem Vater beichtete, «schlug er mir die Faust ins Gesicht». Seither fürchtet sich Ferah vor der eigenen Familie.
Die Geschichte erinnert an Romeo und Julia. Eine Familienfehde, ausgetragen auf dem Buckel von zwei verliebten Teenagern?
Ferah kann die Ängste und die Ablehnung ihrer Eltern verstehen. Schliesslich bewegt sie sich mit ihrem Freund unter radikalen Islamisten. Hat er sie indoktriniert? «Nein», sagt sie bestimmt. Aber: «Klar, ohne die Liebe zu Naim hätte ich nicht zum wahren Islam gefunden. Jetzt bin ich eine überzeugte Muslimin.»
Im Sommer will Ferah ihre KV-Lehre bei der Berner Tiefbaudirektion beginnen. Mit Kopftuch. Aber ohne den schwarzen Umhang. «Ich kann mich anpassen.»
*Name der Redaktion bekannt