Nicht nur die Politik hat Nachwuchsprobleme
Bei der Feuerwehr brennts

Wie die Gemeinden finden auch die Feuerwehren immer weniger junge Erwachsene. Seit der Jahrtausendwende verringerte sich der Bestand um einen Drittel! Milizler wie Martin Jucker (45) sind deshalb dringend gesucht. Der Familienvater opfert zwei Tage pro Woche für die Feuerwehr.
Publiziert: 25.04.2018 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:35 Uhr
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Auch die Feuerwehren klagen über Nachwuchsprobleme.
Foto: KAPO SG
Nicola Imfeld

Sieben von zehn Gemeinden haben Mühe, junge Erwachsene für den Gemeinderat zu finden. Nur jeder 18. Gemeinderat ist unter 35 Jahre alt, wie BLICK gestern publik machte. Doch nicht nur der Lokalpolitik geht der Nachwuchs aus. Auch bei der Feuerwehr brennt der Baum. Urs Bächtold, Direktor des schweizerischen Feuerwehrverbands sagt: «Die Rekrutierung wird immer schwieriger. Junge Leute zu motivieren, ist nicht einfach.»

Das Nachwuchsproblem bei der Feuerwehr lässt sich mit Zahlen belegen: Im Jahr 2000 leisteten noch 133'000 Bürger freiwilligen Feuerwehrdienst, 2017 waren es nur noch knapp 85'000. Das ist ein Drittel weniger! Urs Bächtold weiss: «Unsere Feuerwehr ist auf die Unterstützung von Milizlern angewiesen!»

Jungen Erwachsenen ist privater Nutzen aus Engagement wichtig

Urs Bächtold ist Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbandes. Er sagt: «Die Rekrutierung wird immer schwieriger. Junge Leute zu motivieren, ist nicht einfach.»
Foto: Zvg

Was die Situation nicht einfacher macht: Früher diente man fast ein Leben lang der lokalen Feuerwehr. Heute zieht man häufiger um – die Verweildauer hat sich im Vergleich zu den 1990er-Jahren mehr als halbiert. Das bedeutet für die Feuerwehrorganisationen: Sie müssen öfter rekrutieren und mehr ausbilden. Zudem habe die Tagesverfügbarkeit der Feuerwehrleute abgenommen, so Bächtold.

Daniel Bundi ist Politikwissenschaftler an der Universität Bern. Er sagt: «Im Vergleich mit älteren Personen ist es den unter 35-Jährigen wichtiger, dass sie einen Vorteil aus ihrer ehrenamtlicher Arbeit für die berufliche Karriere ziehen können.»

Der Hauptgrund für das Nachwuchsproblem bei den Feuerwehren ist der gleiche wie bei den Gemeinden. Die Ansprüche im Beruf haben zu-, die Lust auf Verpflichtungen gleichzeitig abgenommen, sagt Pirmin Bundi. Er erforscht an der Universität Bern die Entwicklung des Milizwesens. Der Experte führt an: Bei der Feuerwehr sehen junge Erwachsene keinen privaten Nutzen für ihr ehrenamtliches Engagement. «Im Vergleich mit älteren Personen ist es den unter 35-Jährigen wichtiger, dass sie einen Vorteil aus ihrer ehrenamtlicher Arbeit für die berufliche Karriere ziehen können.»

«Ich leiste gerne etwas für das Gemeinwohl»

Martin Jucker (45) arbeitet bei der Freiwilligen Feuerwehr neben seiner Arbeit als Obstbauer.
Foto: Dominique Rais

Ein Positiv-Beispiel ist Martin Jucker (45). Trotz Familie und Vollpensum ist er Leutnant in der Milizfeuerwehr von Wetzikon-Seegräben ZH. «Ich leiste gerne etwas für das Gemeinwohl.» Zwei Abende pro Woche opfert er für sein Engagement – voller Überzeugung: «Das ist es mir wert. Das Milizsystem macht die Schweiz aus.»

Lieber ins Netz als zum Verein

Immer weniger junge Erwachsene engagieren sich in Vereinen, sagt Lukas Niederberger, Geschäftsstellenleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Die SGG erfasst in regelmässigen Abständen die Entwicklung des ehrenamtlichen Engagements in der Schweiz. Der Freiwilligen-Monitor von 2016 belegt: Rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung engagiert sich in einem Verein oder einer Organisation. Jeder Zehnte war in Form eines gewählten Amtes ehrenamtlich tätig – Tendenz rückläufig! «Das wird für die Vereine zum Problem werden», so Lukas Niederberger.

Doch die jungen Erwachsenen liegen nicht einfach auf der faulen Haut. Heute leisten laut Studie über zwei Millionen Bürger ihre Freiwilligenarbeit im Internet. Sie moderieren Facebook-Gruppen, verfassen Wikipedia-Beiträge, engagieren sich in Foren oder betreuen Internetauftritte ihrer Vereine. «Im Web kann man zu jeder Zeit arbeiten. Man hat volle Flexibilität», sagt Niederberger. Bei einem Vereinsamt wie Kassier oder Trainer sei man zu sehr terminlich gebunden.

Immer weniger junge Erwachsene engagieren sich in Vereinen, sagt Lukas Niederberger, Geschäftsstellenleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Die SGG erfasst in regelmässigen Abständen die Entwicklung des ehrenamtlichen Engagements in der Schweiz. Der Freiwilligen-Monitor von 2016 belegt: Rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung engagiert sich in einem Verein oder einer Organisation. Jeder Zehnte war in Form eines gewählten Amtes ehrenamtlich tätig – Tendenz rückläufig! «Das wird für die Vereine zum Problem werden», so Lukas Niederberger.

Doch die jungen Erwachsenen liegen nicht einfach auf der faulen Haut. Heute leisten laut Studie über zwei Millionen Bürger ihre Freiwilligenarbeit im Internet. Sie moderieren Facebook-Gruppen, verfassen Wikipedia-Beiträge, engagieren sich in Foren oder betreuen Internetauftritte ihrer Vereine. «Im Web kann man zu jeder Zeit arbeiten. Man hat volle Flexibilität», sagt Niederberger. Bei einem Vereinsamt wie Kassier oder Trainer sei man zu sehr terminlich gebunden.

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