Im Simmental ist das Findelkind vom Werkhof Därstetten BE weiter Thema Nummer eins. Die Reaktionen reichen von Mitgefühl bis Entsetzen. Das neugeborene Mädchen wurde am Freitagabend in einer Kartonschachtel, eingewickelt in eine Wolldecke, einfach auf den Sammelbehälter für Kaffeekapseln im Werkhof abgelegt. Einem eisigen Raum, in dem Aussentemperaturen herrschen. Hätte der Finder Paul Tschabold (55) seinen Hausmüll nicht bereits am frühen Samstag abgeliefert, das Neugeborene wäre womöglich erfroren.
Nach dem BLICK-Bericht über Kindsmutter Marion W.* (41) fragen sich ihre Freunde, wie sie hätten helfen können. Ein Kollege aus Zweisimmen BE erinnert sich: «Ich habe sie vor zwei Wochen noch im Restaurant Pöstli getroffen. Von der Schwangerschaft habe ich weder etwas bemerkt – noch hat sie je davon gesprochen.»
Der Babybauch wurde unter dicken Pullis versteckt
Da Marion W. ohnehin etwas korpulenter ist, habe er sich auch nicht über die weiten Pullis gewundert. «Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass sie damit wohl den Babybauch kaschierte.»
Er kann nicht begreifen, wieso sie die Schwangerschaft nie thematisierte. «Wir gingen im Sommer manchmal zusammen an der Simme grillieren. Sie wirkte nie deprimiert – auch in letzter Zeit nicht.» Er hadert: «Hätte sie doch nur was gesagt. Wir sind doch Freunde hier, wir hätten helfen können.»
In Deutschland hat Marion W. schon Kinder
Wer ist Marion W.? Und wieso wollte sie ihr Kind nicht selbst grossziehen? Wie BLICK-Recherchen zeigen, wuchs die Deutsche einst selbst in einem Kinderheim auf. In Deutschland hat sie mehrere Kinder. Die sollen ihr allerdings weggenommen worden sein, erfährt BLICK von zwei unabhängigen Quellen. Laut einer Freundin konsumierte Marion W. regelmässig Marihuana – manchmal verkaufte sie es auch.
In die Schweiz kam die Deutsche wegen der Liebe. Ihr Lebenspartner Klaus K.* ist ebenfalls Deutscher, arbeitete vor zwei Jahren bereits in der Schweiz. «Sie ging zu ihm in die Berge, weil er dort Arbeit hatte», weiss die Freundin. Auch sie fand eine Anstellung. Im Spital Zweisimmen konnte Marion eine Zeit lang in der Küche die Teller spülen. Im Bekanntenkreis erzählte sie sogar, sie sei Köchin.
Ihr Partner arbeitete auf dem Bau in Gstaad BE
Klaus K. arbeitete in Gstaad BE bis Anfang letzten Winter noch temporär auf dem Bau. «Saisonal bedingt hatten wir dann aber keine Arbeit mehr für ihn», sagt sein Ex-Chef. Im Sommer, als die Auftragslage wieder besser wurde, habe sich der Deutsche jedoch nicht mehr gemeldet.
Zuletzt waren Marion W. und ihr Partner arbeitslos. Vor Freunden benannten sie gesundheitliche Problemen: Marion W. hatte es mit dem Rücken, Klaus klagte über sein Knie.
Wie es um die Beziehung stand, ist unklar. «Ich bin mir nicht sicher, ob sogar Gewalt im Spiel war», sagt die Freundin aus Deutschland. Auch eine Nachbarin in Därstetten berichtet von Lärm und Streit.
Er ein Angeber, sie verschwiegen
Doch auch davon haben die Kollegen aus dem Pöstli nie etwas mitbekommen: «Sie wirkten nicht unglücklich zusammen.» Ein Freund ergänzt: «Er war ein wenig ein Angeber, ein etwas lauter Grossschnurri halt. Wenn man ihm aber zurückgab, hatte man es gut mit ihm.» Rückblickend sagt die Runde, dass Marion W. viel ruhiger als ihr Partner war. Klaus K. habe gerne Bier getrunken. «Aber nicht mehr als die anderen, die hier ins Feierabendbier kommen.»
Die Kollegin aus Deutschland mag Marion W. unterdessen nicht mehr ihre Freundin nennen: «Ich kann ihr nicht verzeihen, dass sie mir nichts von dem Baby erzählt hat. Man kann doch reden, dann erhält man auch Hilfe.»
Zeitnaher Entscheid über U-Haft
Das Paar befindet sich derzeit nicht auf freiem Fuss, wie die Berner Kantonspolizei BLICK mitteilt. Über eine allfällige U-Haft werde demnächst entschieden.
Das Neugeborene kämpft im Spital weiter ums Überleben. Für eine abschliessende Prognose ist es laut der Polizei noch zu früh.
* Namen geändert