Ilir Zenuni (27) und seine Frau Eurela (22) haben ein Problem: Sie bekommen für ihre kleine Ilirida (1) selbst bei Notfällen kaum einen Termin bei der Kinderarztpraxis «Swiss Medi Kids» in Wil SG. Sie ist – wie auch alle anderen Kinderärzte in der Umgebung – komplett überlastet (BLICK berichtete).
Noch prekärer als in Wil ist die Situation im Oberwallis. Dort arbeiten laut Kinderarzt Alain Wimmersberger (66) aus Visp VS gerade noch vier Kinderärzte. Sie sind während der Hochsaison für bis zu 140'000 Einwohner zuständig.
«Wer will schon in einem Notstandsgebiet arbeiten?»
Der 66-Jährige möchte sich eigentlich längst pensionieren lassen. «Doch das ist schlicht unmöglich», sagt Wimmersberger. Er habe zehn Jahre lang eine Nachfolge gesucht, ohne Erfolg. «Wer will schon in einem Notstandsgebiet arbeiten?» Und die Praxis einfach schliessen geht nicht. «Das widerspräche dem Commitment zwischen Arzt, Patienten und deren Eltern», sagt er.
Die Kinder zur eigenen Entlastung ins Spital verweisen, sei keine Lösung, sagt Wimmersberger. «Dort würden sie dann von Assistenzärzten betreut, die noch in der Ausbildung sind und teilweise telefonisch gecoacht werden müssen», so der Kinderarzt.
Eine Behandlung im Spital habe zudem direkten Einfluss auf die steigenden Gesundheitskosten. «Das ist wesentlich teurer, dauert länger und ist wegen der fehlenden Arzt-Patienten-Bindung auch noch weniger nachhaltig», sagt er.
60-Stunden-Wochen sind normal
«Das Oberwallis ist ein absolutes Notstandsgebiet. Die medizinische Grundversorgung für Kinder ist bei uns prekär», sagt Wimmersberger. Für ihn und seine Kollegen bedeutet das immer wieder: 60-Stunden-Wochen und Arbeitstage von morgens 6 Uhr bis abends 19 Uhr.
Hinzu kommen noch die Notfalldienste, die sich die vier Kinderärzte aufteilen. Dann müssen sie einmal pro Woche und ein Wochenende pro Monat Tag und Nacht auf Abruf bereitstehen. «Ein Knochenjob, der an die Substanz geht», sagt Wimmersberger.
Emotionale Präsenz ist gefordert
Das Problem: «Wir sprechen hier nicht von Stunden am Fliessband, die einfach abgearbeitet werden müssen. In unserem Beruf müssen wir uns mit Patienten immer wieder vertieft auseinandersetzen. Egal wie übermüdet man ist», so der Arzt.
Auch emotionale Präsenz sei gefordert. «Wenn Eltern zu einem Kinderarzt gehen, sind sie häufig erschöpft, besorgt und nicht selten mit ihrem Latein am Ende.» Dann könne er sie nicht auch noch erschöpft und abgekämpft in seiner Praxis empfangen. «Als Arzt muss ich vielmehr die Sonne wieder aufgehen lassen, Zuversicht versprühen und dem Patienten und den Angehörigen signalisieren, dass sie jetzt in guten Händen sind», sagt Wimmersberger.
Hoffen auf nächsten Sommer
Trotz seiner Situation zählt sich Wimmersberger zu den glücklicheren Kinderärzten: Er kriegt Unterstützung. «Bei mir zeichnet sich im August nächsten Jahres eine Besserung ab. Dann kommt eine Kinderärztin in meine Praxis und wird nach und nach meine Aufgaben übernehmen», sagt Wimmersberger.
Doch bis dahin warten noch zig Überstunden, weinende Kinder und überforderte Eltern. Egal, wie müde er ist.
Es hat in der Schweiz zu wenig Kinderärzte. Ein Problem, das dem Dachverband der Ärzte, Foederatio Medicorum Helveticorum (FMH), bekannt ist. «Während 20 Jahren wurden in der Schweiz zu wenig Medizinstudienplätze angeboten», sagt Sprecherin Charlotte Schweizer auf Anfrage. «Daher sind wir auf Zuwanderung von Ärzten angewiesen. In der Pädiatrie ist diese vergleichsweise bescheiden.»
Konkret: Selbst Ausländer wollen den Job nicht. Deshalb sucht man nun Rezepte, die den Ärzteberuf wieder attraktiv machen. Etwa ein besseres Angebot von Teilzeitstellen. Aber auch weniger Administration. So würden Studien zeigen, dass die bürokratische Belastung stetig gewachsen ist.
Auch lohntechnisch gibt sich die FMH kämpferisch. Befürwortet werden etwa altersgerechte Kinderzuschläge für den höheren Zeitaufwand. Denn oft dauert es bei Kindern länger, bis ein Untersuch durchgeführt werden kann.
Es hat in der Schweiz zu wenig Kinderärzte. Ein Problem, das dem Dachverband der Ärzte, Foederatio Medicorum Helveticorum (FMH), bekannt ist. «Während 20 Jahren wurden in der Schweiz zu wenig Medizinstudienplätze angeboten», sagt Sprecherin Charlotte Schweizer auf Anfrage. «Daher sind wir auf Zuwanderung von Ärzten angewiesen. In der Pädiatrie ist diese vergleichsweise bescheiden.»
Konkret: Selbst Ausländer wollen den Job nicht. Deshalb sucht man nun Rezepte, die den Ärzteberuf wieder attraktiv machen. Etwa ein besseres Angebot von Teilzeitstellen. Aber auch weniger Administration. So würden Studien zeigen, dass die bürokratische Belastung stetig gewachsen ist.
Auch lohntechnisch gibt sich die FMH kämpferisch. Befürwortet werden etwa altersgerechte Kinderzuschläge für den höheren Zeitaufwand. Denn oft dauert es bei Kindern länger, bis ein Untersuch durchgeführt werden kann.