Sechs der sieben Opfer starben im Spital
Warum Wärme den Unterkühlten nicht half

Stark unterkühlte Opfer sind oft in einem komatösen Zustand. Erst im Spital dürfen sie für tot erklärt werden. Chirurg Hani Oweira (38) erklärt, wie Mediziner gegen den Erfrierungstod ihrer Patienten ankämpfen.
Publiziert: 01.05.2018 um 21:22 Uhr
|
Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:30 Uhr
1/2
Chirurg Hani Oweira (38) sagt: «Erst wenn die Körper aufgewärmt sind, wird das Ausmass des Kälteschadens ersichtlich.»
Foto: Joseph Khakshouri
Anian Heierli

Das Drama passierte am Pigne d'Arolla VS. 14 Skitourengänger wurden am Sonntag von einem Sturm überrascht und mussten die Nacht im Freien verbringen. Dabei kamen sechs Alpinisten ums Leben. Der Bergführer stürzte ab und wurde tot geborgen. sechs seiner Kollegen starben später im Spital.

Überlebender: «Ich kämpfte gegen das Einschlafen»

Die Aussagen des Überlebenden Tommaso P. (50) lassen erahnen, wie schrecklich die letzten Stunden der Gruppe vor ihrer Rettung waren: «Ich kämpfte die ganze Nacht gegen das Einschlafen.» Und: «Ich machte Gymnastik.» Zum Glück geht es ihm den Umständen entsprechend gut. 

Doch weshalb verstarben fünf seiner Kollegen erst im Spital an den Folgen der Unterkühlung? Chirurg Hani Oweira (38) sagt zu BLICK: «Erst wenn die Körper aufgewärmt sind, wird das Ausmass des Kälteschadens ersichtlich.» Er erklärt: «Bei der Bergung befinden sich stark unterkühlte Patienten in einem komatösen Zustand.» Heisst, sie sind reglos und nicht ansprechbar. 

Erst im Spital darf der Patient für tot erklärt werden

Laut Oweira muss sofort eine Wiederbelebung gemacht werden. Etwa durch Beatmen: «Erst wenn in der Klinik alles versucht wurde und nichts davon half, darf der Patient für tot erklärt werden.» Im Spital sind das in der Regel folgende Massnahmen: Angewärmte Infusionen, Kissen, Dialyse oder der Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine. 

«Viele wissen nicht: Selbst wenn ein Unterkühlter wieder im Warmen ist, sinkt seine Körpertemperatur weiter ab», erklärt Oweira. Das sogenannte Nachfallen kann bis zu einer Viertelstunde andauern. Erst dann ist die Gefahr von weiteren Schäden gebannt.

«Zum Schluss setzten lebenswichtige Organe aus»

Bei Menschen liegt die normale Körpertemperatur bei rund 37 Grad. «Wenn diese um zwei oder mehr Grad abfällt, spricht man von einer Unterkühlung, der sogenannten Hypothermie», sagt Oweira. Man beginnt zu zittern, da der Stoffwechsel zusätzliche Energie verbraucht. Sinke die Temperatur unter 32 Grad, höre das Zittern aber auf, sagt der Chirurg. «Dann sind sämtliche Reserven verbraucht.» Zum Schluss kühlen auch lebenswichtige Organe wie Gehirn, Rückenmark, Herz und Lunge aus. «Dann tritt der Tod ein», so Oweira.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?