Es ist der Moment, vor dem es vielen Polizisten graut: In Bern musste ein Beamter während eines Einsatzes die Dienstwaffe ziehen und einen Schuss abfeuern. René F. * (†36) erlag kurz danach im Spital den schweren Verletzungen.
Was genau sich in dem Haus im Berner Schosshaldequartier zugetragen hat, darüber schweigt die Polizei bisher. Klar ist nur: Am Ende kam es zur absoluten Eskalation.
Zur Not wird stundenlang diskutiert
«Jeder Polizist will, wenn immer möglich, verhindern, dass er seine Waffe ziehen muss», sagt Markus Melzl (67), ehemaliger Basler Kriminalkommissar, zu BLICK. In Bern liess sich das offenbar nicht mehr vermeiden.
Eigentlich haben Polizisten diverse andere Möglichkeiten, um mit dem Gegenüber zu verhandeln, ehe sie zur Dienstwaffe greifen müssen. «Das beginnt einmal mit Gesprächen. Wenn es sein muss, können diese stundenlang dauern und auch von professionellen Verhandlungsteams geführt werden», sagt Melzl.
Das Gegenüber gibt den Takt vor
Auch für den Fall, dass sich die Einsatzkräfte zur Gewaltanwendung gezwungen sehen, haben sie mehrere Mittel zur Verfügung. Vom Pfefferspray bis hin zum Taser sind die Beamten vielseitig ausgerüstet. Wobei nicht alle Polizeipatrouillen in der Schweiz eine Elektroschockpistole auf sich tragen – auch in Bern nicht. Auf Anfrage von BLICK wollte die Kantonspolizei Bern keine Auskunft geben, ob der betroffene Polizist einen Taser dabeihatte.
Warum aber kam es in Bern doch zur tödlichen Schussabgabe? Menzl: «Das Gegenüber war gemäss Polizeiangaben ebenfalls bewaffnet. Dadurch liess der Mann den Polizisten kaum mehr Optionen.» Laut Menzl gibt bei solchen Einsätzen der Verdächtige den Takt der Handlungen vor.
«Das wird ihn noch lange beschäftigen»
Irgendetwas müsse den Beamten deshalb dazu veranlasst haben, zu dem finalen Mittel zu greifen. Für den Ex-Polizisten dürfte es die Waffe des Mannes gewesen sein, die eine Nothandlung ausgelöst habe. «Wenn einer eine Waffe hat, geht man davon aus, dass sie geladen ist und dass er auch von ihr Gebrauch machen will.»
Markus Melzl sagt, er sei während seiner Dienstzeit auch gezwungen gewesen, einen Schuss abzugeben. Glücklicherweise habe er aber nie auf eine Person schiessen müssen. Er glaubt: «Diese Handlung wird den betroffenen Polizisten noch sehr lange beschäftigen.» (cat)
*Name geändert