Am 15. November hat die Polizei einen Einsatz an der Altikofenstrasse in Worblaufen BE. Den Einsatzwagen parkieren die Beamten auf dem Trottoir, direkt vor der Einfahrt in eine Tiefgarage.
Gegen 14.30 Uhr fährt Anwohner R. G.* (65) mit seinem Roller in die Garage. Weil die Sicht durch das Polizeifahrzeug eingeschränkt ist, kehrt er anschliessend zurück. «Eine Polizistin befand sich im Auto und ich fragte höflich, ob sie ein paar Meter rückwärtsfahren könnte», so G. Doch die Polizistin geht mit dem Hinweis auf einen aktuellen Einsatz nicht auf die Bitte ein.
«Ich dachte, ich bin im falschen Film»
Zehn Minuten später kehrt G. zurück, fotografiert die Situation vor der Garage, um sich damit bei der Kantonspolizei Bern zu beschweren. Daraufhin kommt die Polizistin auf ihn zu, fordert ihn zu einer Personenkontrolle auf. Doch der Rentner ist wütend: «Vorher hatte sie keine Zeit, mit mir zu sprechen. Deshalb wollte ich mich danach auch nicht von ihr kontrollieren lassen und lief weg.»
Die Polizistin ruft drei Kollegen. Innert Sekunden sind diese vor Ort, stürmen von hinten auf G. zu. «Sie packten mich an den Armen, dem Hals und am Kopf. Dann rissen sie mich zu Boden, drückten meinen Kopf auf das Trottoir und fesselten mich mit Handschellen. Ich dachte, ich bin im falschen Film», sagt er.
Schürfwunden und Schwellungen an den Knien und Handgelenken sind die Folge. Auch seine Brille und die Uhr werden durch den Sturz beschädigt.
G. ist wütend, schreit vor Schmerzen. Im Polizeiprotokoll steht, er hätte sogar sein Knie in den Oberschenkel einer Polizistin gerammt. Doch das stimme nicht, sagt er. «Ich verhielt mich zwar nicht mehr höflich, aber ich habe die Polizisten sicher nicht tätlich angegriffen. Wegen den starken Schmerzen im Knie wäre das gar nicht mehr möglich gewesen.» Die Polizisten fordern Verstärkung an, eine weitere Patrouille trifft ein.
Nach einigen Abklärungen, darf G. wieder gehen. Aber: Die Polizisten zeigen ihn an. Seine Vergehen: Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Hinderung einer Amtshandlung sowie Tätlichkeit und Beschimpfung.
Polizeisprecher erklärt den Einsatz
Dominik Jäggi, Sprecher der Kantonspolizei Bern, sagt auf Anfrage von BLICK: «Eine unserer Patrouillen rückte zunächst wegen eines dringenden Einsatzes nach Worblaufen aus, bei dem davon ausgegangen werden musste, dass Personen gefährdet waren. Vor Ort konnte die Situation aber rasch beruhigt werden.»
Daraufhin seien im Haus und beim Patrouillenfahrzeug, das auf dem Trottoir parkiert gewesen sei, weitere Abklärungen getroffen worden. «Deshalb konnte das Polizeiauto zu diesem Zeitpunkt nicht verstellt werden.»
Als die Mitarbeiter festgestellt hätten, dass G. Fotos gemacht hatte, sei er zur Personenkontrolle aufgefordert worden. Jäggi betont: «Dabei ging es nicht um den Schutz der Polizisten, sondern vielmehr um den Persönlichkeitsschutz, der im angesprochenen Fall involvierten Personen.»
Weil sich G. offenbar auffällig verhielt und sich der Kontrolle entziehen wollte, habe man ihn angehalten. «Um die weitere Bearbeitung der beiden Einsätze sicherstellen zu können – der erste Einsatz war noch nicht beendet – wurde noch eine weitere Patrouille hinzugezogen», so der Sprecher.
Nachdem sich die Situation vor Ort beruhigt hatte, habe man G. mit dem Hinweis, dass weitere rechtliche Schritte folgen würden, aus der Kontrolle entlassen.
«Ich komme mir vor wie ein Schwerverbrecher»
Am 22. Januar musste G. bei der Polizeiwache Gümligen vorsprechen. Wie das Verfahren weiter geht, ist noch unklar. Doch G. weiss, so etwas will er nicht auf sich sitzenlassen. «Ich komme mir vor wie ein Schwerverbrecher, dabei wollte ich die Polizei nur darum bitten, das Auto ein paar Meter zu verschieben. Das ist doch nicht normal!»
* Name der Redaktion bekannt