Dieses Elend, dieses Leid. Erdogans Schergen sorgen nach dem Abzug der US-Truppen in Nordsyrien für ein riesiges Massaker. Seit der türkischen Invasion vor einer Woche sind schon über 200 Personen, darunter viele Zivilisten, getötet worden. Gegen 200'000 sind auf der Flucht.
Die Wut und Trauer erreicht auch die Schweiz. In Bern lebt der syrische Kurde Hamid Khalef (42), dessen Schwester am Samstag in ihrem gepanzerten Auto erschossen worden ist. Hafrin Khalef (†35) war bei den Kurden nicht nur bekannt, sondern auch äusserst beliebt. Die gelernte Bauzeichnerin amtete seit 2017 als Wirtschaftsministerin der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien, dem autonomen Gebiet der Kurden – auch als Rojava bekannt. Vor einem Jahr gründete sie die neue Zukunftspartei Syriens und war auch deren Generalsekretärin.
Das letzte SMS: ein Smiley
Hamid Khalef, der vor zwölf Jahren als Flüchtling in die Schweiz kam und mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Teenageralter in einem Hochhaus wohnt, empfängt BLICK mit feuchten Augen. «Ich hatte noch am Tag vor ihrem Tod per SMS Kontakt mit ihr, als sie an die Beerdigung des Vaters ihres Chauffeurs nach Derik fuhr. Ich warnte sie vor der Reise und schrieb, warum sie denn so stur sei? Darauf hat sie mir nur ein Smiley geschickt.» Khalefs Stimme stockt, als er weiterspricht: «Das war das Letzte, was ich von ihr gehört habe.»
Seine Mutter (65) hatte den Tod ihrer Tochter praktisch am Telefon miterleben müssen. Hamid Khalef dazu: «Sie hatte Hafrin am Samstag um 6.55 Uhr angerufen, als diese in einem gepanzerten Fahrzeug zu einer Sitzung nach Ain Issa unterwegs war.» Als nicht ihre Tochter, sondern jemand Unbekannter den Anruf entgegennahm und sie einige unverständliche arabische Stimmen hörte, stand der Mutter der Atem still. Sie wusste, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
Die Mutter vernahm daraufhin von der Polizei, dass ihre Tochter auf offener Strasse erschossen worden war. Mit ihr starben auch acht Begleiter und Bodyguards im Kugelhagel. Ein Video zeigt, wie sich der Überfall ungefähr zugetragen hat: Kämpfer der syrischen Nationalarmee, die im Söldnerdienst der Türkei steht, gehen auf ihr Fahrzeug zu und sprechen mit ihr. Leise ist zu hören, wie sie auf ihre Fragen erwidert: «Ich bin die Präsidentin der Partei.» Dann endet das Video.
Von Kugeln durchsiebt
Hafrin Khalef ist bereits begraben. Sie ruht auf einem Friedhof in Derik – wo rund 1000 Kurden liegen, die im Kampf gegen den IS ihr Leben lassen mussten. Khalef stockt: «Bei der Beerdigung erkannte meine Mutter, dass Hafrin regelrecht von Kugeln durchsiebt worden war.»
Für ihn ist eine Welt zusammengebrochen: «Meine Schwester arbeitete daran, ein neues Syrien aufzubauen, in dem alle Religionen friedlich miteinander leben könnten. Sie verfolgte einen Weg ohne Gewalt, trug weder Waffe noch Schutzweste. Für ihre Partei wählte sie als Logo eine Jasminblüte.»
Nach dem tödlichen Überfall gingen in mehreren kurdischen Städten Tausende Menschen mit Hafrin Khalefs Bild in der Hand auf die Strasse. Seit ihrem Tod wird sie als Heldin gefeiert und «Braut von Rojava» genannt. «Alle Kurden tragen sie in ihrem Herzen», weiss ihr Bruder.
Hämische Kommentare in den türkischen Medien
Seine Familie wolle den Tod nicht einfach hinnehmen. Sie fordert, dass ein Gericht das Massaker untersucht und die Schuldigen bestraft. Eine schwere Mitschuld trägt für Khalef der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (65).
Als wäre alles nicht schon schlimm genug, wird der Tod seiner Schwester in den türkischen Medien auch noch spöttisch kommentiert. «Mission erfolgreich ausgeführt», schreiben sie über den brutalen Anschlag.
Hamid Khalef bricht erneut in Tränen aus und sagt mit leiser Stimme: «Wir sind wegen Assad geflohen. Heute wissen wir, dass es schlimmere Präsidenten gibt.»
Der Krieg tobt weiter in Nordsyrien. Und er wird immer verworrener. Recep Tayyip Erdogan (65) kündigt an, drei Millionen syrische Flüchtlinge in die neue Sicherheitszone mitten im Kurdengebiet umsiedeln zu wollen. Die bedrohte YPG-Miliz holt den syrischen Diktator Bashar al-Assad (54) zu Hilfe, der Despot hat wiederum Wladimir Putin (67) zum Verbündeten. Und plötzlich stehen sich sogar russische und türkische Soldaten gegenüber.
Donald Trump (73), der mit dem angekündigten Abzug seiner Truppen die türkische Invasion erst möglich machte, überliess nun Assad und Putin seine millionenschwere US-Basis in Nordsyrien. Auch die Kurden schlagen zurück, befreien die von den Türken eingenommene Stadt Ras al-Ain.
Über 190'000 Menschen sind laut der Un-Organisation für Migration (IOM) auf der Flucht – darunter 70'000 Kinder. Hunderte von Soldaten, Dutzende Zivilisten und zwei Journalisten starben bei den Gefechten.
Die EU verurteilt die Aggression, droht mit einem Waffenembargo. Sogar der US-Präsident will jetzt Strafzölle von 50 Prozent auf türkischen Stahl erheben und ein Freihandelsabkommen von 100 Milliarden US-Dollar auf Eis legen. Gleichzeitig fordert Erdogan seine Nato-Partner auf, seine Offensive militärisch zu unterstützen. – Müller Myrte
Der Krieg tobt weiter in Nordsyrien. Und er wird immer verworrener. Recep Tayyip Erdogan (65) kündigt an, drei Millionen syrische Flüchtlinge in die neue Sicherheitszone mitten im Kurdengebiet umsiedeln zu wollen. Die bedrohte YPG-Miliz holt den syrischen Diktator Bashar al-Assad (54) zu Hilfe, der Despot hat wiederum Wladimir Putin (67) zum Verbündeten. Und plötzlich stehen sich sogar russische und türkische Soldaten gegenüber.
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Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.
Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.