Gesundheit
Benachteiligte Kinder haben im Alter mehr Gesundheitsprobleme

In der Kindheit erlittene Ungleichheit kann später oft nicht mehr aufgeholt werden. So hat, wer als Kind benachteiligt ist, in der zweiten Lebenshälfte mehr gesundheitliche Probleme, wie eine Studie der Universität Genf zeigt.
Publiziert: 20.02.2018 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 14:23 Uhr
Die Lebensumstände in der Kindheit beeinflussen die gesundheitlichen Probleme in der zweiten Lebenshälfte. Selbst wenn sich der sozio-ökonomische Status später verbessert, kann dieser Nachteil nicht immer wettgemacht werden, wie Genfer Forscher zeigen. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/AP/THOMAS KIENZLE

Dies ist selbst bei Menschen der Fall, die im Erwachsenenleben viel erreichen und deren sozio-ökonomischer Status sich verbessert, wie die Forscher Boris Cheval und Stéphane Cullati von der Medizinischen Fakultät der Universität Genf im Fachjournal «Age and Ageing» berichten. Sie schliessen daraus, dass die ersten Lebensjahre für den späteren Gesundheitszustand mitentscheidend sind.

Die Wissenschaftler gingen im Rahmen eines Projekts des Nationalen Forschungsschwerpunkts Lives der Frage nach, wie soziale Ungleichheit sich über längere Zeit in der Gesundheit niederschlägt. Sie untersuchten die Daten von über 24'000 Personen im Alter von 50 bis 96 Jahren aus 14 europäischen Ländern, die in der Share-Studie der EU zusammengetragen worden waren.

Als Indikator für den allgemeinen Gesundheitszustand der älteren Menschen massen die Wissenschaftler deren Muskelstärke, konkret deren Greifstärke. Dann setzten die Forscher diesen Wert mit verschiedenen sozio-ökonomischen Variablen aus der Vergangenheit der Teilnehmenden in Beziehung: so betrachteten sie Grösse und Qualität der Wohnung, in der die Teilnehmenden im Alter von zehn Jahren lebten, wie viele Bücher es früher bei ihnen zu Hause gab und welchen Beruf der Haupternährer der Familie ausübte.

Personen, die in schlechteren sozio-ökonomischen Bedingungen gross wurden, hatten im Schnitt im Alter weniger Muskelstärke vorzuweisen als diejenigen, denen es in frühen Jahren besser erging. Der Zusammenhang blieb auch signifikant, nachdem andere Faktoren, welche die Gesundheit beeinflussen, kontrolliert wurden - etwa die sportliche Aktivität, Tabak- und Alkoholkonsum oder die Ernährung.

Dies zeigte sich vor allem bei den Frauen, die laut den Forschern die soziale Leiter im Lauf ihres Lebens oft weniger weit erklimmen konnten als die Männer.

Der Zusammenhang zwischen sozio-ökonomischem Status und Gesundheit wird in Studien oft über dritte, vielfach psychologische und soziale Faktoren erklärt. So verhalten sich Menschen je nach ihren materiellen Bedingungen tendenziell anders. «Unsere Studie zeigt darüber hinaus, dass ein schlechter Start ins Leben auch einen direkten biologischen und anhaltenden Effekt hat», wird Cheval in einer Mitteilung der Universität Genf vom Dienstag zitiert.

Die Autoren erklären sich diesen Befund mit dem Stress, den die schwierigen Umstände bei den Kindern ausgelöst haben dürften. Sie nehmen an, dass der chronische Stress zu einer Regulationsstörung führt. Frühere Forschung hat nämlich gezeigt, dass die physiologische Stressantwort sich bereits in der Kindheit entwickelt. Früher und langanhaltender Stress kann diese Stressantwort verändern und damit das Immunsystem und den ganzen Gesundheitszustand in Mitleidenschaft ziehen.

Immer mehr Forschungsbefunde zeigen, dass sich das Soziale im Körper niederschlägt, sich quasi verkörpert. «Wenn es um Gesundheit geht, müssen wir Menschen im Lichte ihrer ganzen Lebensumstände betrachten», so Cullati. Insbesondere könnten Interventionen in der Kindheit die Gesundheit im späteren Lebensalter verbessern, schreiben die Autoren.

Die Untersuchung förderte auch zutage, dass es erhebliche regionale Unterschiede gibt. So erfreut sich die Bevölkerung Skandinaviens unabhängig von ihrem sozio-ökonomischen Status einer besseren Gesundheit. Diese Menschen «leben auch in den Ländern mit dem egalitärsten Zugang zum Gesundheitswesen und zu Bildung», ergänzt Cullati.

Der vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierte Lives-Forschungsschwerpunkt verfolgt das Ziel besser zu verstehen, was Menschen im Laufe ihres Lebens anfällig für Krankheiten und Probleme macht. Das Projekt unter der gemeinsamen Leitung der Universitäten Genf und Lausanne soll auch Lösungsansätze aufzeigen.

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