Kindergarten steht auf arsenverseuchtem Boden
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Gemeinde will ihn ausbauen:Kindergarten steht auf arsenverseuchtem Boden

Die Gemeinde Liesberg BL will ihn sogar ausbauen
Kindergarten steht auf arsenverseuchtem Boden

In Liesberg steht der Kindergarten auf einer Parzelle, die stark mit dem Umweltgift Arsen verseucht ist. Die Gemeinde sieht darin kein Problem – zwei Einsprecher aber schon. Und der Kanton? Ist machtlos!
Publiziert: 16.08.2020 um 22:57 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2020 um 07:07 Uhr
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Berno Meier hat Einsprache gegen das Bauprojekt erhoben. Kinder sollen nicht auf Arsen-verseuchtem Boden spielen.
Foto: STEFAN BOHRER
Flavio Razzino

Eltern in Liesberg BL sind beunruhigt: Setzen sie ihre Kinder einer Gefahr aus, wenn sie sie in den örtlichen Kindergarten schicken? Bis vor einem Jahr hätte sich diese Frage niemand gestellt – doch jetzt ist alles anders.

Grund für die Sorge: Der Kindergarten von Liesberg steht auf einem Stück Land, das stark mit Arsen verseucht ist. Das Schwermetall kann gerade für kleine Kinder gefährlich werden. Es steht zudem im Verdacht, krebserregend zu sein.

In Liesberg sind Teile des Siedlungsgebietes massiv mit Arsen belastet. Darüber hat das Amt für Umweltschutz und Energie im Kanton Baselland im Mai 2018 erstmals informiert. Die hohen Arsenwerte im Boden treten hier natürlicherweise auf.

Dass der Kindergarten aber darauf steht, ist der Bevölkerung erst bewusst geworden, als zwei Liesberger Bürger – Berno Meier (55) und Raimund Steiner (59) – letzten Dezember lautstark auf das Arsen im Boden aufmerksam gemacht haben.

Sanierung ist kein Thema

Auslöser war der geplante Ausbau des Kindergartens, zu dem die Liesberger Bevölkerung im Mai 2018 noch ohne Wissen um das Arsen im Boden Ja gesagt und dafür 600'000 Franken gesprochen hatte.

Was die beiden Einwohner auf die Barrikaden bringt: Das Projekt sieht keine Sanierung des vergifteten Grundstücks vor. Auch künftig sollen die Kinder hier auf verseuchtem Boden spielen. Für Meier und Steiner ist das völlig unverantwortlich.

Das Gift für tödliche Krimis

Arsen kennt man vor allem aus Krimis («Arsen und Spitzenhäubchen»), schliesslich galt es früher als beliebtestes Mordgift. Auch in Böden und Trinkwasser sind zu hohe Arsenwerte gefährlich für Mensch und Tier. Sie können im schlimmsten Fall die Produktion von weissen und roten Blutkörperchen vermindern, Hautveränderungen und Lungenreizungen auslösen. Weitere Folgen: Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, Hautkrankheiten, Herzstörungen und Hirnschäden – dies bei langfristiger Aufnahme selbst kleinster Mengen des Giftes.

In der Schweiz darf das Trinkwasser darum maximal zehn Mikrogramm Arsen pro Liter enthalten. In arsenbelasteten Gebieten wird zudem empfohlen, kein Gemüse anzubauen. In der Landwirtschaft wird der Arsengehalt des Futters gemessen. Ist er zu hoch, wird reagiert.

Arsen kennt man vor allem aus Krimis («Arsen und Spitzenhäubchen»), schliesslich galt es früher als beliebtestes Mordgift. Auch in Böden und Trinkwasser sind zu hohe Arsenwerte gefährlich für Mensch und Tier. Sie können im schlimmsten Fall die Produktion von weissen und roten Blutkörperchen vermindern, Hautveränderungen und Lungenreizungen auslösen. Weitere Folgen: Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, Hautkrankheiten, Herzstörungen und Hirnschäden – dies bei langfristiger Aufnahme selbst kleinster Mengen des Giftes.

In der Schweiz darf das Trinkwasser darum maximal zehn Mikrogramm Arsen pro Liter enthalten. In arsenbelasteten Gebieten wird zudem empfohlen, kein Gemüse anzubauen. In der Landwirtschaft wird der Arsengehalt des Futters gemessen. Ist er zu hoch, wird reagiert.

«Jetzt, wo alle wissen, dass der Boden verseucht ist, müsste der Gemeinderat doch sofort Massnahmen ergreifen», sagen sie. Und haben darum Einsprache gegen das Projekt erhoben und damit den Baustart zumindest verzögert.

Gemeindepräsident nervt sich über die beiden Kritiker

Erreicht haben sie damit aber vor allem, dass der Liesberger Gemeindepräsident Markus Wackernagel (52) sauer ist. «Das sind Bürger, die keine Gelegenheit auslassen, der Gemeinde Liesberg zu schaden! Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern nur darum, Dinge zu verhindern», sagt er.

Tatsächlich sind Meier und Steiner im Dorf als unbequeme Kritiker diverser Projekte bekannt. Haben sie aber beim Thema Arsen unter dem Kindergarten nicht trotzdem recht?

Überhaupt nicht, sagt Wackernagel. «Der Kindergarten steht schon seit 50 Jahren an diesem Ort und es ist mir nicht bekannt, dass das je zu Problemen geführt hat. Arsen ist sowieso nur für Kleinkinder gefährlich, wenn sie die Erde essen! Bei Kindergartenkindern ist das aber kein Problem», sagt er. Zudem sei es falsch, wegen des Arsens das Bauprojekt zu torpedieren. «Der Kindergarten ist alt und zu klein – der Umbau ist nötig und sollte nicht mit anderen Themen vermischt werden», so der Politiker.

Kanton empfiehlt Bodenaustausch

Und liegt damit falsch. Tatsächlich warnte auch die Bau- und Umweltschutzdirektion des Kantons Basel-Landschaft in einem Prüfbericht zum Bauprojekt vor dem Arsen auf dem Grundstück des Kindergartens. Und empfahl dem Liesberger Gemeinderat, die Oberfläche des Grundstückes abzutragen, ein dichtes Geovlies zu verlegen und unbelastete Erde darüber zu verteilen. Als vorsorgliche Massnahme.

Immer wieder zu hohe Arsen-Werte

Arsen macht in der Schweiz immer wieder Probleme. Zu hohe Werte werden in Liesberg BL oder Röschenz BL gemessen, auch im Kanton St. Gallen, etwa in Diepoldsau. Dort stellten Geologen eine maximale Belastung von über 2000 Milligramm pro Kilo Erde in zwei Metern Tiefe fest. In der Walliser Gemeinde St. Niklaus kämpfen sie ebenfalls mit dem Gift, 2019 sind hier zu hohe Arsengehalte im Trinkwasser festgestellt worden. An die Bevölkerung musste Mineralwasser als Alternative verteilt werden.

Die Ursachen für zu hohe Arsenwerte in den Böden sind unterschiedlich. In Diepoldsau beispielsweise sollen in einer alten Deponie, auf der später gebaut wurde, vergiftete Abfälle eingelagert worden sein. Im Kanton Basel-Landschaft ist die Arsenbelastung nicht menschengemacht, hier tritt es auf natürliche Weise gehäuft auf.

Arsen macht in der Schweiz immer wieder Probleme. Zu hohe Werte werden in Liesberg BL oder Röschenz BL gemessen, auch im Kanton St. Gallen, etwa in Diepoldsau. Dort stellten Geologen eine maximale Belastung von über 2000 Milligramm pro Kilo Erde in zwei Metern Tiefe fest. In der Walliser Gemeinde St. Niklaus kämpfen sie ebenfalls mit dem Gift, 2019 sind hier zu hohe Arsengehalte im Trinkwasser festgestellt worden. An die Bevölkerung musste Mineralwasser als Alternative verteilt werden.

Die Ursachen für zu hohe Arsenwerte in den Böden sind unterschiedlich. In Diepoldsau beispielsweise sollen in einer alten Deponie, auf der später gebaut wurde, vergiftete Abfälle eingelagert worden sein. Im Kanton Basel-Landschaft ist die Arsenbelastung nicht menschengemacht, hier tritt es auf natürliche Weise gehäuft auf.

Ebenfalls solle dort kein Gemüse angebaut werden und es sei darauf zu achten, dass das Grundstück mit dichtem Rasen bepflanzt sei. Wer sich diesen Sommer auf dem Grundstück umsieht, stellt fest: Dichter Rasen ist hier nicht zu finden. Ein Problem, denn: «lm Boden des Spielplatzes des Kindergartens wurden 210 Milligramm Arsen pro Kilogramm Boden gemessen. Damit stufen wir den Boden als stark belastet ein», sagt Direktions-Sprecherin Andrea Bürki zu BLICK. Normalerweise werden in einem Kilogramm Boden 21 Milligramm gemessen.

«Wir sterben nicht schneller als andernorts!»

Trotz zehnfach höherer Giftbelastung beim Kindergarten: Die Angst vor dem Arsen ist für Gemeindepräsident Wackernagel eine völlig übertriebene Panikmache. «Natürlich ist Arsen nicht unbedenklich, aber wir Liesberger leben seit Jahrhunderten damit und wir sterben hier nicht schneller als andernorts», so der Gemeindepräsident nüchtern zu BLICK.

Dass der Kindergarten auch weiterhin auf arsenverseuchtem Boden steht, sieht er darum nicht so tragisch. «Die ganze Aufregung ums Arsen ist aus Sicht des Gemeinderates übertrieben. Die Vorteile des Kindergarten-Standorts wiegen stärker als die Argumente der Einsprecher», so Wackernagels Urteil.

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